Süddeutsche Zeitung

Prozess in Würzburg: "Er sieht sich mehr in der Opferrolle als in der Rolle eines Täters"

  • Das Landgericht Würzburg hat Andreas P. zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.
  • Sechs Jugendliche waren im Januar in einer Gartenlaube im unterfränkischen Arnstein gestorben, weil der 52-Jährige dort einen Stromgenerator falsch installiert hatte.
  • P. verlor bei dem Unglück selbst zwei Kinder. Er habe grob fahrlässig gehandelt, befand das Gericht.

Von Claudia Henzler, Würzburg

Das Juristische zumindest ist nun geklärt: Die Erste Strafkammer des Landgerichts Würzburg hat Andreas P., 52, am Donnerstag zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Den Mann, der für den Tod seiner beiden Kinder sowie vier von weiteren Jugendlichen in seiner Gartenlaube in Arnstein verantwortlich ist, weil er dort einen für Innenräume nicht zugelassenen Generator aufgestellt hatte.

"Die Kammer sieht, dass durch ein strafrechtliches Urteil als solches das Leid der Eltern nicht gelindert werden kann", sagte der Vorsitzende Richter Hans Brückner am Donnerstag. "Es wird schwer sein für sie, wieder ein einigermaßen normales Leben zu führen." Er hoffe aber, dass das Urteil einen Grundstein zur Verarbeitung des Geschehenen lege. Denn die tragischen Fragen, die der Fall aufwirft, lassen sich nur schwer klären.

Die Frau des Angeklagten Andreas P. hatte schon am zweiten Verhandlungstag gesagt, sie müsse gar nicht wissen, was ihr Mann genau falsch gemacht habe. "Das bringt uns die Kinder nicht zurück."

Ist der Mann nicht genug gestraft? Nein, sagt der Richter

Man weiß, dass Andreas P.s Kinder Rebecca und Florian und vier ihrer Freunde am 28. Januar dieses Jahres an einer Kohlenmonoxidvergiftung gestorben sind. Man weiß aus dem Strafverfahren, dass die 18-und 19-Jährigen starben, weil ein Teil der Auspuffkonstruktion, die P. gebaut hatte, auf den Boden gefallen war. Aber niemand weiß, wie die Angehörigen damit umgehen sollen.

Die Richter berücksichtigten, dass P. selbst zwei Kinder verloren hat, dass er ein Geständnis ablegte, sichtlich leidet und sich viele "Warum"-Fragen stellt. Eine entscheidende Frage aber habe das Gericht vermisst: "Warum habe ich das Abgasrohr so dilettantisch gebaut?"

P. hatte das benzinbetriebene Aggregat im Nebenraum der Hütte aufgestellt, dessen Auspuff mit Rohrstücken verlängert und durch die Außenwand geführt. Diese improvisierte Abgasleitung war nur ineinander gesteckt und nicht abgedichtet, eines der Rohrstücke fiel während der Feier auf den Boden, die Abgase konnten sich im Inneren der Hütte ausbreiten.

P. habe grob fahrlässig gehandelt, befand das Gericht. Gerade als Lastwagenfahrer, der mit Motoren zu tun hat, hätte er es besser wissen müssen. Zu seinen Lasten wertete das Gericht auch, dass P. wegen mehrfacher Regelverstöße vorbestraft war - beispielsweise wegen Fahrens ohne Führerschein. Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen sprach von einer "gewissen Nachlässigkeit" im Umgang mit Verboten.

Richter Brückner ging in seiner Urteilsbegründung darauf ein, dass der Fall in der Öffentlichkeit ausführlich diskutiert wurde und dabei oft der Tenor vorherrsche, der Mann sei gestraft genug. Diese Haltung könne man nicht aufrechterhalten, wenn man das Leid der anderen Eltern ansehe, sagte der Richter. Die Strafkammer hatte sie alle am zweiten Verhandlungstag in den Zeugenstand gebeten, um möglichst ungefiltert zu hören, wie es ihnen nach dem Tod ihrer Kinder ging und heute geht.

"Es tut mir unendlich leid, dass es so passiert ist", sagt der Vater. Dann versagt die Stimme

Sie alle sind in Trauer und Leid gefangen, eine der Mütter war drei Monate lang arbeitsunfähig und befindet sich in psychologischer Behandlung. Die Haltung der Eltern gegenüber dem Angeklagten aber ist geteilt. Einige sehen das Geschehene als tragischen Unglücksfall, andere machen ihm schwere Vorwürfe; die Eltern zweier Opfer waren als Nebenkläger aufgetreten.

Noch vor den Plädoyers hatten sich die Prozessbeteiligten am Donnerstag auf Anregung des Gerichts darauf geeinigt, die Strafverfolgung auf vier tateinheitliche Fälle von fahrlässiger Tötung zu beschränken - sie klammerten die Tötung der eigenen Kinder des Angeklagten aus. Einig waren sich alle Parteien auch, dass der Angeklagte ein "guter Mensch" sei, wie es ein Anwalt der Nebenkläger ausdrückte, ein fürsorglicher Vater, der alles für seine Kinder machen würde.

Die Ansichten, welche Strafe angemessen sein könnte, gingen dagegen auseinander. Der Oberstaatsanwalt hielt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren für angemessen, die zur Bewährung ausgesetzt werden solle. Der Anwalt eines Vaters fordert dagegen eine "spürbare Bestrafung" ohne Bewährung. Er warf P. vor, den Bau seiner völlig ungeeigneten Auspuffkonstruktion verteidigt zu haben. "Er sieht sich mehr in der Opferrolle als in der Rolle eines Täters", sei der Eindruck seines Mandanten. Der sei noch heute "so wütend, dass er eigentlich gar nicht mehr klar denken kann".

Die Anwälte von Andreas P. plädierten, ihn zu maximal einem Jahr Haft zu verurteilen - und dann auf eine Bestrafung zu verzichten, eben weil ihr Mandant gestraft genug sei.

P. selbst hatte seine Schuld zum Prozessauftakt eingeräumt, sodass die Beweisaufnahme nach zwei Verhandlungstagen abgeschlossen werden konnte. Während des Prozesses war sichtbar, dass er die Ereignisse, die er selbst als "schlimmste Katastrophe meines Lebens" bezeichnete, bei Weitem nicht verarbeitet hat. Immer wieder wischte er sich Tränen aus den Augen, hielt sich die Hände vors Gesicht, schluchzte leise, ließ nur seine Verteidiger für ihn sprechen. Erst ganz an Ende des Prozesses ergriff er doch noch das Wort: "Es tut mir unendlich leid, dass es so passiert ist", sagte er. Dann brach ihm die Stimme.

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SZ vom 27.10.2017/amm
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