Prozess in Traunstein:Pfarrer gefesselt und ausgeraubt

Sonnenuntergang Tuntenhausen

Die Kirche von Tuntenhausen ist ein heiliger Ort. Das hielt zwei Männer nicht davon ab, den Pfarrer zu überfallen.

(Foto: dpa)

Sie sollen den Pfarrer geschlagen, an den Heizkörper gefesselt und anschließend ausgeraubt haben: Die beiden mutmaßlichen Täter müssen sich nun vor dem Landgericht Traunstein verantworten - am ersten Verhandlungstag schildert der Geistliche aus Tuntenhausen sein Schreckenserlebnis.

Von Benedikt Warmbrunn, Traunstein

Als Sinha Roy die Kirchturmuhr einmal schlagen hörte, hatte er einen Stoffhandschuh im Gesicht. Der Pfarrer lag auf dem Sofa in seinem Wohnzimmer, um ihn herum standen zwei vermummte Männer. Einer hatte blaue Gummihandschuhe an.

Nachdem Roy die Kirchturmuhr zweimal schlagen gehört hatte, fesselten ihn die Männer an einen Heizkörper. Sie hatten da bereits all sein Bargeld genommen, seine EC-Karte, auch den Pin hatte er ihnen mitgeteilt. Als Roy sich befreit hatte und über den Pfarrhof lief, stand der Zeiger der Kirchturmuhr auf der Vier.

Ein dreiviertel Jahr nach diesem Morgen des 17. Juni 2012 stehen Marcel H. und Dominic B. als mutmaßliche Täter vor dem Landgericht Traunstein. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen in zwei Fällen schweren Raub, Freiheitsberaubung, gefährliche Körperverletzung sowie Computerbetrug vor. An Pfarrer Sinha Roy aus Tuntenhausen sowie an Prälat Georg Kirchmeier und dessen Haushälterin Maria Walther aus Böbing.

Am Dienstag, am ersten Verhandlungstag, erschien nur Pfarrer Roy als Zeuge. Kirchmeier und Walther sollen am 11. April aussagen, ebenso wie der medizinische Sachverständige, von dessen Gutachten das mögliche Strafmaß abhängt. Sollte dieser feststellen, dass Kirchmeier und Walther lebensgefährlich gefesselt wurden, erhöht sich das von der Staatsanwaltschaft geforderte Mindeststrafmaß von drei auf fünf Jahre.

Pfarrer Roy hatte am 16. Juni einen anstrengenden Tag hinter sich und schlief sofort ein. Ihn weckte erst die Hand auf seinem Gesicht. Einer der beiden Männer hatte ein Brecheisen in der Hand, Roy folgte daher ihren Anweisungen. Er ging aus dem ersten Stock mit in sein Büro im Erdgeschoss, wo vor dem Tresor mehrere Schlüssel lagen - nicht jedoch der passende. Roy holte den Schlüssel und ließ sich von einem der Männer mit Kabelbinder an einen Stuhl fesseln, während der andere Mann die Geldkassetten im Tresor durchsuchte. Roy folgte, weiter an den Stuhl gefesselt, in den Gang, er verriet den Pin seiner EC-Karte, "man wird ja gesprächig im Angesicht eines Brecheisens".

Die beiden Männer fesselten den Pfarrer schließlich mit Computerkabeln an einen Heizkörper, mit einem Jackenärmel knebelten sie ihn. "Sie waren wenigstens so nett, dass sie mir eine Jacke auf den Boden gelegt haben", sagte Roy. Nachdem er sich befreit hatte und zu seinem Nachbar gelaufen war, um die Polizei zu rufen, wurde es hell. Die Männer hatten Bargeld in Höhe eines mittleren dreistelligen Betrags mitgenommen, bei der Raiffeisenbank in Tuntenhausen hoben sie noch in der Nacht mit der EC-Karte das Limit von 2000 Euro von Roys Konto ab.

Fünf Wochen später rief der Pfarrer bei der Kriminalpolizei in Weilheim an, er war in der Zeitung auf einen Raubüberfall aufmerksam geworden. Der Böbinger Prälat Kirchmeier war am 20. Juli 2012 am frühen Morgen in seinem Pfarrhaus von zwei Männern überfallen und mit einer Pistole bedroht worden, genauso wie seine Haushälterin Walther. Sie mussten das vorhandene Bargeld hervorholen, ihre EC-Karte, ihre Pin-Nummern nennen. Kirchmeier und Walther wurden gefesselt.

Mit einem um den Hals geschlungenen Tesaband fixierten die Männer ihre Opfer an einem Heizkörper. Die Männer sollen die Gefesselten auch mehrmals getreten haben. Als Walther aufstöhnte, soll einer der Männer gesagt haben: "Wenn du daran erstickst, dann umso besser." Insgesamt nahmen die Männer 800 Euro mit, einen Laptop, außerdem hoben sie von einer Bank in Schongau und einer in Böbing je 1000 Euro ab. Auf einem der Überwachungsfotos erkannte Roy ein Detail wieder: Einer der Männer trug blaue Gummihandschuhe.

Die Angeklagten Marcel H., 26, gelernter Maschinenbauer, zuletzt arbeitslos, und Dominic B., 25, Kraftfahrer, beide zuletzt wohnhaft in Eggenfelden, sitzen seit Ende Juli in Untersuchungshaft. Ihre Handys konnten zu den jeweiligen Tatzeiten in der Nähe eines Funkmastes geortet werden, in der Wohnung von Dominic B. hat die Polizei den gestohlenen Laptop gefunden. Am ersten Verhandlungstag schwiegen die beiden Angeklagten vor Gericht. Der Vorsitzende Richter ordnete deshalb weitere Verhandlungstermine an.

Pfarrer Roy hat sich am vergangenen Donnerstag in therapeutische Behandlung begeben, auf Drängen des Erzbischofs. Er klagt über Schlafprobleme und ein "klammes Gefühl", das ihn in seiner Wohnung beschleicht. Betritt er die Sakristei, hat er "Angst, den Gottesdienst nicht durchzustehen". Seit einem halben Jahr hat er während der Gottesdienste Kreislaufprobleme.

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