Prozess in Regensburg:Kleinkrieg unter Neonazi-Gegnern

Etwa 200 Regensburger Lokale beteiligen sich an der Aktion gegen Rechts.

Etwa 200 Regensburger Lokale beteiligen sich an der Aktion gegen Rechts.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Ihr Regensburger Bündnis "Keine Bedienung für Nazis" galt als vorbildhaft. Doch nun streiten sich die Initiatoren vor Gericht. Es geht um Geld - und um verletzte Eitelkeiten.

Von Wolfgang Wittl, Regensburg

Es erfordert durchaus eine gewisse Anstrengung, sich in diesem engen Raum keines Blickes zu würdigen. Sion Israel und Ludwig Simek schaffen das ohne größere Probleme. Beide sitzen sich in Saal E 02 des Regensburger Landgerichts direkt gegenüber, jeder einen Anwalt neben sich. Augenscheinlich liegen nur wenige Meter zwischen ihnen, in Wahrheit trennt sie ein großer Graben. Seit einem halben Jahr wechseln sie persönlich kein Wort mehr miteinander. Was sie zu sagen haben, teilen sie sich über Rechtsanwälte mit. Das war einmal anders.

Israel und Simek sind zwei der prägenden Figuren des Bündnisses "Keine Bedienung für Nazis" (KBfN), das es bundesweit zu großen Ehren gebracht hat. Neben anderen Auszeichnungen erhielt es im vergangenen Jahr den mit 10 000 Euro dotierten Lutherpreis, die Tagesschau berichtete, die Initiative dient als Vorbild in Deutschland.

Wobei: Initiative ist schon wieder ein Wort, das mit Vorsicht zu wählen ist in dieser Auseinandersetzung, in der inzwischen jede Art von Begrifflichkeit zum Politikum geraten kann. Außerdem geht es, wie Beteiligte in vertraulichen Gesprächen einräumen, um persönliche Intrigen, böse Gerüchte, Profilierungssucht, verletzte Eitelkeiten und ums Geld. Man könnte auch sagen: Es folgt die Geschichte über eine gute Sache, die in der Öffentlichkeit auf einmal ziemlich schlecht dasteht.

Begonnen hat sie im Juni 2010 mit einem kriminellen Vorfall. Ein Barkeeper des Cafés, das Israels Frau gehört, stellt sich schützend vor eine dunkelhäutige Frau und deren Kind, die von einer Gruppe Neonazis attackiert werden. Zwei Wochen später erhält der Barkeeper im Café deswegen selbst Besuch von Skinheads. Die zerstören Teile der Einrichtung und verprügeln den Mann, der sich gerade noch in ein benachbartes Bistro retten kann.

Ein Erfolgsmodell für Zivilcourage

Noch am selben Abend erhalten Israel und seine Belegschaft Zuspruch von anderen Regensburger Wirtsleuten, in den Tagen danach nimmt die Solidarität mehr und mehr zu. Menschen aus der ganzen Gesellschaft wie der kommunalpolitisch engagierte Simek bieten ihre Unterstützung an, fühlen sich motiviert, ein Zeichen zu setzen.

Anfang Juli treffen sich mehrere Gleichgesinnte auf Anregung von Helga Hanusa von der Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus zu einer Versammlung: "Keine Bedienung für Nazis" ist geboren - und wächst mit beeindruckender Dynamik. Etwa 200 Regensburger Lokale beteiligen sich heute an der Idee, rechtes Gedankengut öffentlich zu verdammen.

Das Bündnis wird zum Erfolgsmodell für Zivilcourage: 2013 erhält es den Josef-Felder-Preis der bayerischen SPD und - noch vor der regierungskritischen russischen Band Pussy Riot - den Preis des Bundes der Lutherstädte Deutschlands. Beide Auszeichnungen sind mit 11 500 Euro verbunden - fast genau so viel also wie der Streitwert, um den es vor dem Landgericht nun geht.

Erste Unstimmigkeiten setzen nach den Ehrungen ein. Simek und Hanusa zeigen sich irritiert von Israels Vorstoß, das Preisgeld offenbar nicht bei der Initiative zu belassen, sondern unter deren aktiven Mitgliedern aufteilen zu wollen. Wenig später soll Israel 2000 Euro für die zerstörte Einrichtung des Cafés gefordert haben - zusätzlich zu den jeweils 1000 Euro, die seine Frau sowie der Barkeeper ohnehin vom Preisgeld erhalten sollten. Simeks Angebot, von den Skinheads Schadenersatz geltend zu machen, habe Israel verweigert. Die Mitglieder des Bündnisses lehnen eine private Verwendung der Mittel ab.

Zwei Homepages mit nahezu identischem Namen

Als die Mitglieder sich am 30. September 2013 mehrheitlich entschließen, aus der Initiative einen Verein zu machen, hat Sion Israel genug. Er wirft Hanusa und Simek vor, das Bündnis für eigene Interessen zu instrumentalisieren. Seitdem gibt es KBfN in doppelter Ausfertigung: als Initiative um Israel, als eingetragenen Verein unter Simeks Vorsitz. Beide verfügen über eine eigene Homepage mit nahezu identischem Aussehen: die eine ohne, die andere mit Bindestrichen im Namen.

Das Preisgeld wurde in das Vereinsvermögen überführt, um die bisherige Arbeit fortzusetzen - zu Unrecht, wie Israel findet. Deshalb strengt er jetzt eine Klage gegen Simek auf Erstattung des Geldes an.

Seine Argumentation: Der Verein vertrete keineswegs alle ursprünglichen Unterstützer, sondern sei lediglich eine Abspaltung. Simek und Hanusa entgegnen, alle Mitglieder seien zur Gründungsversammlung eingeladen gewesen, die Mehrheit habe entschieden. Jeder könne sich beteiligen.

Ein weiterer Vorwurf Israels: Das Preisgeld sei eindeutig seiner Frau sowie dem Barkeeper für couragiertes Verhalten zuzusprechen - die wiederum bereits Abtretungserklärungen zugunsten Israels abgegeben haben. Diese These hält offenbar selbst Richter Matthias Clausing für abwegig. Es sei "fernliegend", dass der Lutherpreis für Einzelpersonen gedacht sei. Dessen sei er sich "ganz, ganz sicher". Israel bezweifelt das. Er wirft Simek und Hanusa vor, "vom Ruhm verblendet" zu sein. Sogar im Fernsehen hätten sie Interviews gegeben, "das hab' ich nicht aushalten können". Es ist der vielleicht offenherzigste Satz an diesem Verhandlungstag.

Simek sagt, er wisse bis heute nicht, "was den Sion geritten" habe: "Er schadet all denen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren." Was sei schon von Neonazi-Gegnern zu halten, die sich selbst bekämpfen? In drei Wochen will das Gericht verkünden, wem das Geld zusteht.

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