Prozess in Nürnberg:Selbst Polizisten und Bürgermeisterinnen rechnen sich dazu

Der Einsatz in Georgensgmünd verschaffte der Gruppe allgemeine Aufmerksamkeit. Aber Mitarbeiter in Landratsämtern, Gerichtsvollzieher, Finanzbeamte und Richter an Amtsgerichten hatten schon seit Jahren mit Reichsbürgern zu kämpfen. Weil die vermeintlichen Spinner Personalausweise zurückgaben, mit Fantasiedokumenten auftauchten, seitenlange Briefe mit Geschwafel verschickten oder "Austrittserklärungen" faxten.

Und auch, weil sie pöbelten, Beamte bedrohten, Prozesse störten, Gerichtsvollzieher angriffen. Es reicht ein Blick ins Archiv, um zu sehen, dass es - vor allem in Bayern - immer wieder Probleme mit "Reichsbürgern" gab, schon vor Georgensgmünd. In Dachau zum Beispiel, wo Beamte bedroht werden. Oder in Kaufbeuren, wo es im März 2016 zu Tumulten im Gerichtssaal kommt und eine "Reichsbürgerin" ihre Akte stiehlt.

Aber erst nach Georgensgmünd war eine erhöhte Aufmerksamkeit da - und es wurden weitere Fälle bekannt. Von Polizisten, die sich selbst als Reichsbürger sahen, obwohl sie einen Eid auf die Verfassung leisten müssen. Oder von Monika Zeller, Bürgermeisterin im schönen Oberallgäuer Dorf Bolsterlang, die zusammen mit Gemeinderäten einen verfassungsfeindlichen Vortrag anhörte. Und sich selbst einen "gelben Schein" besorgte, eine Art Gesinnungsausweis der Reichsbürger-Bewegung. Geburtsort: "Königreich Bayern, Deutschland als Ganzes."

Da kommt die Frage auf: Wenn sogar Menschen, die für den Staat arbeiten, nicht an ihn glauben - wo gibt es noch überall sogenannte Reichsbürger? Allein ein Blick auf Meldungen aus den vergangenen Monaten zeigt, wie viel Energie Justiz, Verwaltung und Polizei inzwischen aufwenden müssen, um den Attacken zu begegnen:

Fast immer, wenn Reichsbürger einen Eklat vor Gericht auslösen oder mit der Polizei in Konflikt geraten, wird der Vorfall vom Applaus etlicher Gleichgesinnter begleitet, die extra anreisen, um die Vertreter des Staates zu provozieren.

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