Prozess in Landau:"Videospanner von Wallersdorf"

Ein Frührentner aus Niederbayern filmt jahrelang heimlich seine Mieterinnen - im Schlafzimmer und auf der Toilette. Der Spanner fliegt schließlich auf, weil er ausschließlich an junge Frauen vermietet. Nun wurde er verurteilt.

Von Wolfgang Wittl, Landau an der Isar

Kameras? Die kann Hermann S. in diesem Moment gar nicht brauchen. Als die Fernsehteams und Fotografen vor Prozessbeginn ihre Objektive auf ihn richten, dreht der 56-Jährige sich rasch zur Seite weg. Jener Mann, der jahrelang selbst eifrig junge Frauen filmte - ohne deren Wissen und in intimsten Situationen. Und der deshalb vom Amtsgericht im niederbayerischen Landau wegen "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen" in 48 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Strafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt wird. Außerdem soll S. 15 000 Euro an karitative Einrichtungen und 12 000 Euro an die Geschädigten zahlen.

In sechs seiner Mietwohnungen hatte der Frührentner heimlich kleine Kameras installiert, alle nach dem gleichen Schema: jeweils eine war mit Blick auf die Couch angebracht, eine im Schlafzimmer sowie eine vor und eine hinter der Toilette. Aufgeflogen ist der Mann, der als "Videospanner von Wallersdorf" bundesweit Schlagzeilen machte, weil er ausschließlich an junge Frauen vermietete.

Ein Pärchen schöpfte Verdacht, warum nicht der Mann, jedoch die Frau die Wohnung bekommen sollte. Als der Mann in der Wohnzimmerlampe eine Kamera fand, ging er zur Polizei. Die entdeckte in den Kellern der beiden Gebäude jeweils noch ein Zimmer, das zu einer Art Regieraum umfunktioniert war. Technisch befand sich die Anlage auf modernstem Stand: Die Kameras zeichneten nur dann auf, wenn sie Bewegungen wahrnahmen. Die Qualität der Bilder? "Also die Aufnahmen waren hervorragend", sagte ein Polizist.

Merkwürdigkeiten gab es genug. Einer Mieterin kündigte S., weil sie zwar pünktlich die Miete entrichtete, sich aber kaum in der Wohnung aufhielt. Daran hatte der Mann offenbar kein Interesse. Zahlungen sollten bar und persönlich stattfinden, weshalb S. womöglich noch ein Steuerverfahren droht. Im Fünf-Minuten-Takt ruft Amtsrichter Michael Piringer am Dienstag die Zeuginnen auf, fast alle sind gekommen. Sie berichten von ihren Ängsten, seitdem Hotels oder fremde Toiletten aufzusuchen, von Wut und einem Gefühl des ständigen Beobachtetseins.

Peinlich ist die Verhandlung für alle Beteiligten

"Man überlegt jetzt, was man macht und wo man was macht", sagt eine Frau, die als Nebenklägerin auftritt. Andere Opfer weinen, wenn sie schildern, wie sich nur noch unter der Bettdecke umziehen können. Einer Frau wurde vom Psychologen eine akute Belastungsstörung attestiert. Behandlungen lehnte sie ab, weil ihre Bewertung als Lehrerin auf dem Spiel stand.

Peinlich ist die Verhandlung für alle Beteiligten. Ein Banküberfall mit Geiselnahme hätte für das gesellschaftliche Renommee seines Mandanten nicht schlimmer sein können, sagt Anwalt Winfried Altendorfer, der das Urteil - es ist noch nicht rechtskräftig - für "nicht unangemessen" hält. S.' Familie traue sich im Ort nicht mal mehr einzukaufen. Den ersten Prozesstermin ließ der Angeklagte platzen, weil vor lauter Scham die Gesundheit nicht mitmachte. Für seine "Dummheit" entschuldige er sich ausdrücklich, lässt S. mitteilen. Manche Opfer entschädigte er bereits mit ein paar Hundert Euro.

Männerbesuche waren in den Wohnungen übrigens unerwünscht. Eine Frau erklärte dies für sich zunächst mit einer besonders katholischen Haltung. Einer anderen Mieterin indes beschied S., seine gut 20-jährige Tochter sonne sich ab und an im Garten. Männliche Blicke seien da nicht willkommen.

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