Prozess in Ingolstadt:Bauamtsleiter der illegalen Absprachen schuldig

Ein Richterspruch löst im Ingolstädter Rathaus Entsetzen aus: Der Bauamtsleiter hat bei der Sanierung eines Schulzentrums illegale Absprachen mit drei Architekten getroffen. Alle Beschuldigten wurden zu Geldstrafen verurteilt - und wollen Rechtsmittel einlegen.

Von Wolfgang Wittl, Ingolstadt

Eine inhaltliche Bewertung wollte die Stadt Ingolstadt nicht abgeben, doch man kann davon ausgehen, dass der Richterspruch im Rathaus mitunter Entsetzen ausgelöst hat. Amtsrichter Christian Veh hält es für erwiesen, dass der Leiter des städtischen Hochbauamtes und dessen Stellvertreter bei der Generalsanierung eines gut 60 Millionen Euro teuren Schulzentrums illegale Absprachen mit drei Architekten getroffen haben. Alle Beschuldigten wurden am Freitag zu Geldstrafen verurteilt: Die Beamten zu jeweils 220 Tagessätzen von 120 und 90 Euro, die Architekten zu 60 Tagessätzen. Noch im Gerichtssaal erklärten die Verurteilten, dagegen Rechtsmittel einzulegen.

Richter Veh folgte in seiner Begründung weitgehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die sich auf Aussagen einer ehemaligen Mitarbeiterin des Bauamts sowie Unterlagen stützte, welche die Polizei bei einer Razzia im Rathaus beschlagnahmt hatte. Den Amtsleitern wird vorgeworfen, zwei Architektenbüros bei der Ausschreibung für das Schulzentrum einen unzulässigen Informationsvorsprung gegenüber insgesamt gut 30 Mitbewerbungen verschafft zu haben. Man müsse sich das wie bei einem Hundertmeter-Lauf vorstellen, sagte Veh: "Alle stehen am Startblock, nur die beiden stehen bereits bei 50 Meter."

Gravierende Mobbingvorwürfe

Geld sei keines geflossen, das Motiv ein anderes gewesen. Aufgrund der 2008 überraschend festgestellten Brandschutzmängel sei das Amt unter einem immensen Zeitdruck gestanden. Er verstehe in gewisser Weise sogar, dass man deshalb mit bewährten Architekten zusammenarbeiten habe wollen, sagte der Richter, doch es gebe nun mal Vorgaben. Die schnelle Lösung sei für alle Beteiligten von Vorteil gewesen: die Stadt, die Angestellten des Bauamts, die Eltern der Schüler und die bevorzugten Architekten - "alle standen gut da".

Der Fall war durch die Anzeige einer ehemaligen Mitarbeiterin ins Rollen gekommen. Die Zeugin sprach von generellen Machenschaften im Ingolstädter Bauamt, sie habe das Gefühl, sie sei in einem Sumpf gelandet. Zudem erhob die Frau gravierende Mobbingvorwürfe, die ihr früherer Vorgesetzter am Freitag erneut zurückwies.

Nicht Moralrecht, sondern Strafrecht

Zu einem möglichen "Sumpf" könne er nichts sagen, erklärte der Richter, doch die Aussagen der Zeugin in dem konkreten Fall halte er für hundertprozentig glaubwürdig. Dies hätten auch andere Zeugen bestätigt. Zudem fand sich in den Unterlagen des stellvertretenden Bauamtsleiters eine Notiz, in der er bereits drei Monate vor der Bewerbungsfrist den klaren Wunsch geäußert habe, wer die Aufträge bekommen solle.

Ein Anwalt der Architekten sagte: Man könne die Vorgänge für moralisch verwerflich halten, "aber wir machen hier kein Moralrecht, sondern Strafrecht". Für eine Verurteilung fehle jede Grundlage. Richter Veh räumte ein, dass man über die rechtliche Bewertung diskutieren könne. Er sei aber überzeugt, dass der Wettbewerb unzulässig beeinflusst worden sei. Alle Anwälte hatten Freisprüche für ihre Mandanten gefordert. Ein Sprecher der Stadt sagte, man habe das Urteil zur Kenntnis genommen. Solange es nicht rechtskräftig sei, blieben beide Beschäftigte selbstverständlich wie bisher im Dienst.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: