Prozess in Augsburg:Kindestod billigend in Kauf genommen

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Die Angeklagte und ihre Anwältin im Landgericht Augsburg, die Mutter rechts, ihre Verteidigerin auf der linken Seite. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Das Landgericht Augsburg verurteilt eine 29-jährige Mutter zu sieben Jahren Haft

Während des Prozesses weint sie immer wieder, als der Richter das Urteil verkündet, blickt die Angeklagte starr geradeaus. Sie hat ihr Baby fast verhungern lassen und muss sieben Jahre in Haft. Das Landgericht Augsburg verurteilte eine fünffache Mutter am Mittwoch wegen versuchten Totschlags. "Sie nahm den Tod ihres Kindes billigend in Kauf", sagt der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung. Die 29-Jährige habe den acht Monate alten Säugling wochenlang vernachlässigt und nicht ausreichend ernährt.

"Mir tut das alles schrecklich leid. Ich wollte meinem Kind nicht schaden", beteuerte die Angeklagte. Doch ihre Erklärung, sie habe die dramatische Lage ihres Babys nicht bemerkt, nennt der Richter "blanken Unsinn". Die Bilder des Säuglings, der sich in einem "erbärmlichen Zustand" befand und nur noch aus Haut und Knochen bestand, hätten ihn schockiert.

Die Frau aus Augsburg hat fünf Kinder von vier verschiedenen Männern. Während die beiden ältesten Söhne bei ihrem Vater leben, blieben die drei jüngeren Kinder bei ihr. Weil sie überfordert war, wurden die Kinder wochenlang vernachlässigt. Der Säugling war so schlecht versorgt, dass er schließlich in einem lebensbedrohlichen Zustand ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Sehendes Auges habe seine Mutter ihn "verkommen lassen", sagt der Richter. "Dem Jungen ging es so schlecht, dass ihm die Kraft zum Schreien fehlte." Die Ärzte konnten dem Baby gerade noch das Leben retten. Auch die beiden älteren Kinder, ein fast zweijähriger Junge und ein vierjähriges Mädchen, waren unterernährt und mussten medizinisch behandelt werden.

Der Anklagevorwurf lautete ursprünglich auf versuchten Mord. Weil kein Mordmerkmal festzustellen war, entschied das Gericht auf versuchten Totschlag. Im Strafmaß liegt es über dem Antrag der Staatsanwaltschaft, diese hatte sechs Jahre und drei Monate Haft gefordert. Der Prozess offenbarte auch Versäumnisse beim Augsburger Jugendamt, wo die Mutter bekannt war - und dass ihre Kinder zu dünn waren. Zwei Wochen bevor die drei Kinder in Kliniken kamen, besuchte daher eine Sozialarbeiterin die Familie, ihr fiel das dramatische Untergewicht des Babys aber nicht auf, weil sie es nicht anschaute. Die Verfahren gegen zwei der vom Jugendamt beauftragten Fachkräfte hat die Staatsanwaltschaft Augsburg jedoch mittlerweile wieder eingestellt.

© SZ vom 30.06.2016 / DPA - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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