Prozess gegen TV-Anwalt Lucas:Fehler nicht absichtlich begangen

Im TV tritt er als forscher Staatsanwalt auf - im echten Leben hatte der Anwalt nun selbst Ärger mit der Justiz. In einem Verfahren soll Lucas falsch ausgesagt haben. Doch das Augsburger Landgericht spricht ihn frei.

Hans Holzhaider, Augsburg

Der Prozess gegen den Münchner Rechtsanwalt Stephan Lucas, der sich vor dem Augsburger Landgericht wegen des Verdachts der Strafvereitelung verantworten musste, hat mit einem Freispruch geendet. Das Gericht sei zwar davon überzeugt, dass Lucas in einer Revisionsbegründung an den Bundesgerichtshof objektiv falsche Angaben gemacht habe, sagte der Vorsitzende Richter der 3. Strafkammer, Thomas Junggeburth. Zu Gunsten des Angeklagten gehe die Kammer aber davon aus, dass der Angeklagte den Fehler nicht absichtlich begangen habe, sondern subjektiv von der Richtigkeit seines Vortrags überzeugt gewesen sei.

Sat.1-Gerichtsshow 'Richter Alexander Hold'

So kennt man Stephan Lucas: Als forscher Staatsanwalt agiert er in der Sat-1-Gerichtsshow Richter Alexander Hold. Nun stand er selber vor Gericht.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Das Verfahren gegen Stephan Lucas war von Anwaltsvereinigungen im In- und Ausland mit großer Aufmerksamkeit verfolgt worden. Der Präsident der Münchner Rechtsanwaltskammer Hansjörg Staehle hatte die Befürchtung geäußert, im Fall einer Verurteilung müssten sich Strafverteidiger künftig einer strikten Selbstzensur unterwerfen, wenn sie keine Strafverfolgung riskieren wollten.

Ein Prozessbeobachter der Vereinigung österreichischer Strafverteidiger sagte nach der Urteilsverkündung, mit dem Freispruch sei die Unabhängigkeit der Rechtsanwaltschaft gestärkt und eine falsch verstandene Strafverfolgung in die Schranken gewiesen worden.

Die Augsburger Staatsanwaltschaft legte Lucas zur Last, dass er in einem Revisionsverfahren wahrheitswidrig behauptet habe, zwei Richter einer Augsburger Strafkammer hätten ihm in einem Prozess gegen einen mutmaßlichen Drogenhändler eine Freiheitsstrafe "mit einer vier vor dem Komma" in Aussicht gestellt, falls der Angeklagte ein umfassendes Geständnis ablege. Die beiden Richter hatten daraufhin dienstliche Erklärungen abgegeben, in denen sie diesen Sachverhalt bestritten. Sie hätten "zu keinem Zeitpunkt" Zusagen über eine Strafobergrenze gemacht.

"Mit leeren Händen" zu den beiden Richtern gekommen

Einer der beiden Richter wiederholte diese Behauptung auch als Zeuge im Prozess gegen Stephan Lucas; der andere gab an, er könne sich nur noch "vage erinnern", halte es jedoch für ausgeschlossen, dass er je eine solche Zusage gemacht habe. Eine Staatsanwältin, die in dem damaligen Prozess die Anklage vertreten hatte, berief sich als Zeugin jedoch auf einen damals von ihr verfassten Sitzungsbericht, demzufolge gleich am ersten Prozesstag ein Gespräch zwischen Richtern, Staatsanwaltschaft und Verteidigung stattgefunden habe, in dessen Verlauf sie für den Fall eines umfassenden Geständnisses eine Strafobergrenze von fünfeinhalb bis sechs Jahren in Aussicht gestellt habe. Der Vorsitzende Richter habe dieses Angebot als "sehr generös" bezeichnet.

"Warum dieser Sitzungsbericht von der Staatsanwaltschaft nicht gleich beigezogen wurde, können wir uns nicht erklären", sagte der Vorsitzende Richter Junggeburth. Er merkte auch an, dass sich der als Zeuge befragte Richter an das in dem Sitzungsbericht festgehaltene Gespräch "nicht erinnern" konnte. Der Angeklagte habe sich aber bei seinen Angaben in der Revisionsbegründung nicht auf dieses Gespräch, sondern auf ein später geführtes Sechs-Augen-Gespräch mit den beiden Berufsrichtern der Strafkammer bezogen. Er habe auch andere Zahlen hinsichtlich der angeblich zugesagten Strafobergrenze genannt - viereinhalb statt fünfeinhalb bis sechs Jahre.

Stets der Wahrheit verpflichtet

"Wir glauben, dass dem Angeklagten tatsächlich kein entsprechendes Angebot gemacht wurde", sagte Junggeburth. Lucas sei damals "mit leeren Händen" zu den beiden Richtern gekommen; diese hätten keinerlei Veranlassung gehabt, von ihrem früheren Angebot abzuweichen. Es sei auch nicht nachzuvollziehen, warum Lucas ein solches Angebot nicht dokumentiert hätte, wenn es denn eines gegeben hätte.

Allerdings hatte Lucas sowohl dem damaligen Angeklagten wie auch einer Kollegin in seiner Anwaltskanzlei von dem angeblichen Angebot berichtet. Die Anwaltskollegin hatte sich als Zeugin an dieses Gespräch sehr genau erinnert. Diese Kollegin und die damalige Staatsanwältin seien die einzigen Zeugen, denen das Gericht "in vollem Umfang geglaubt hat", sagte Junggeburth. Deshalb stehe für das Gericht fest, dass Lucas "subjektiv von einer solchen Zusage ausging". Wegen des Versuchs einer Strafvereitelung könne er aber nur verurteilt werden, "wenn feststeht, dass er bewusst gelogen hat". Deshalb sei er auf Kosten der Staatskasse freizusprechen.

Junggeburth betonte, es sei in dem Prozess nicht darum gegangen, einen unbequemen Verteidiger zu disziplinieren. Verteidiger dürften auch abwegige Rechtsmeinungen vertreten; die gesetzliche Vermutung spreche für die Redlichkeit der Rechtsanwälte. Sie hätten aber keine "dichterische Freiheit" und seien stets der Wahrheit verpflichtet. Verfahren gegen Strafverteidiger gebe es zwar immer wieder, die Justiz tue aber gut daran, "solche Verfahren auf das absolut Notwendige zu beschränken".

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