Prozess in Ansbach:Was vom Vorwurf übrig blieb

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Er hatte Haus und Grundstück mit Fahne und Fantasiewappen markiert und zu einem eigenen Staat erklärt: Im fränkischen Georgensgmünd erschoss ein Anhänger der Reichsbürger-Bewegung 2016 einen Polizisten. (Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • Da er einen Revolver in seinem Haus nicht vorschriftsmäßig aufbewahrt habe, steht ein 52-jähriger Personalrat der Polizei vor Gericht.
  • Zuvor wurde wegen Beihilfe zum Totschlag durch Unterlassen gegen ihn ermittelt, weil er einen Kollegen nicht vor der Gefährlichkeit eines sogenannten Reichsbürgers gewarnt habe. Der "Reichsbürger" hat den jungen Polizisten später erschossen.
  • Das Gericht hatte die Anklage wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung nicht zugelassen, allerdings wurde bei den Ermittlungen das unversperrte Revolver entdeckt.

Von Olaf Przybilla, Ansbach

Was der Mann durchgemacht hat, kann man sich in etwa vorstellen. Nachdem ein sogenannter Reichsbürger aus dem fränkischen Georgensgmünd im Oktober 2016 einen Beamten eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) erschossen hat, geriet nicht nur der Schütze ins Visier der Ermittler. Sondern auch ein heute 52 Jahre alter Beamter, ein Personalrat der Polizei. Anfangs wurde wegen Beihilfe zum Totschlag durch Unterlassen gegen ihn ermittelt, weil er angeblich von der Gefährlichkeit des Todesschützen gewusst, seine Kollegen aber nicht vor dem Mann gewarnt habe. Der Polizist sollte also zumindest mittelbar für den Tod eines jungen Kollegen mitverantwortlich gewesen sein.

Wenn man verfolgt hat, welche Trauer der Tod des SEK-Beamten in Polizeikreisen ausgelöst hat, kann man sich ausrechnen, was das mit dem 52-Jährigen gemacht haben muss. Schlimmer kann der Vorwurf an einen Polizisten kaum ausfallen. Am Mittwoch wird er sich nun tatsächlich vor Gericht verantworten müssen. Nicht aber vor dem Schwurgericht, eines Tötungsdeliktes wegen. Es geht am Amtsgericht Ansbach nur noch um den Vorwurf, der Polizeibeamte habe einen Revolver im Keller seines Hauses "unversperrt und damit nicht vorschriftsmäßig" aufbewahrt.

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Bei den Ermittlungen in der Wohnung des suspendierten Beamten war dessen Privatwaffe gefunden worden. Und was zunächst der geringste Vorwurf gegen den Polizisten zu sein schien - ein Tatbestand, der in einem Prozess am Schwurgericht voraussichtlich als Fußnote behandelt worden wäre -, ist knapp zwei Jahre nach der Tat von Georgensgmünd nun als letzter strafrechtlich relevanter Vorwurf gegen den Beamten übrig geblieben. Das Landgericht hatte die Anklage der Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung im Amt nicht zugelassen. Und auch eine Beschwerde dagegen verfing nicht: Das Oberlandesgericht Nürnberg bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Die Anklage wegen eines Tötungsdeliktes wurde also verworfen.

Rechtsanwalt Reinhard Debernitz sagt, er sei nun seit 38 Jahren Anwalt. Der schlechten Erfolgsaussichten wegen habe er sich in dieser Zeit nur fünfmal um die Nichteröffnung eines Verfahrens bemüht - alle fünfmal sei er abgewiesen worden. "Das gängige Argument ist üblicherweise: Das klären wir in der Verhandlung", sagt Debernitz. Diese Anklage gegen den Beamten sei aber offenkundig so substanzlos gewesen, dass Landgericht und Oberlandesgericht gar nicht anders konnten, als sie abzuweisen. Was blieb, war ein schlichter Strafbefehl: 60 Tagessätze wegen "vorsätzlich vorschriftswidrigen Aufbewahrens einer Schusswaffe", der Beamte wäre damit nicht einmal vorbestraft gewesen. Aber selbst darauf wollte er sich nicht einlassen. Sein Anwalt sieht im Tatvorwurf höchstens eine Ordnungswidrigkeit, deshalb jetzt der Prozess am Amtsgericht.

Den Polizisten quälten lange Depressionen und Suizidgedanken. Dass sein Mandant den Schützen von Georgensgmünd gekannt hat, sei nicht zu bestreiten, sagt Debernitz. Zweimal habe man sich gesehen, es ging um private Geldanlagen, weil der sogenannte Reichsbürger Wolfgang P. als Vermögensberater tätig war. Von den Ideen der Reichsbürger aber sei sein Mandant "Galaxien entfernt", sagt sein Anwalt.

Im Gegenteil habe er sich sogar lustig gemacht darüber. Zwar sei die Rede beim zweiten Treffen tatsächlich aufs Thema Waffen gekommen. Dass der spätere Schütze P. solche in der Wohnung hatte, war aber sowohl dem Landratsamt als auch der Polizei bekannt. "Warum also hätte mein Mandant eigens davor warnen sollen?", fragt Debernitz. Er hätte sich "bei den Kollegen doch lächerlich gemacht". Immerhin gab es nur einen Grund, warum an jenem furchtbar verlaufenen Morgen des 19. Oktober 2016 das SEK vor der Tür des Mannes stand, der zwölf Monate später wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden ist: Die Polizei hielt Wolfgang P. für gefährlich. Für die Verhandlung am Amtsgericht Ansbach ist lediglich ein Verhandlungstag angesetzt.

© SZ vom 17.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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