- Am zehnten Verhandlungstag sagt ein medizinischer Gutachter vor dem Landgericht Regensburg aus.
- Mollaths Exfrau war stumpfer Gewalt ausgesetzt, Misshandlung lässt sich aber nicht nachweisen.
- Gutachter kritisiert Attest des damaligen Arztes.
Mollaths Exfrau war erheblicher stumpfer Gewalt ausgesetzt
Am zehnten Tag des Wiederaufnahmeverfahrens stellt der medizinische Sachverständige Wolfgang Eisenmenger sein Gutachten vor. Es bestehe kein Zweifel, dass das Opfer erheblicher stumpfer Gewalt ausgesetzt war, sagt er. Ein direkter Zusammenhang mit Misshandlungen lasse sich aber nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beweisen: "Es kann so gewesen sein, beweisen lässt es sich aber nicht."

Brixners Aussage im Mollath-Prozess:Richter Ahnungslos
Am neunten Verhandlungstag tritt der Mann in den Zeugenstand, der für seinen Umgang mit Mollath Kritik einstecken musste: Richter Brixner hat den Angeklagten 2006 in die Psychiatrie einweisen lassen. Nun gibt er zu, ihm sei womöglich ein Fehler unterlaufen. Aufbrausend reagiert er nur einmal.
Gutachter kritisiert Attest des damaligen Hausarztes
Gutachter Eisenmenger kritisiert das Attest des damaligen Arztes von Petra M. aus dem Jahr 2001: "Das Attest enthält eine Reihe von Defiziten, der Arzt hat die Standards, die man vor einem Attest erwartet, nicht eingehalten." Der Hausarzt habe die Farbe der Hämatome und die Würgemale nicht näher beschrieben und auch keine Fotos der Verletzungen gemacht. "Die Exaktheit lässt zu wünschen übrig", sagt Eisenmenger. Dies sei aber häufig der Fall, weil viele Hausärzte nicht darauf eingerichtet seien, was ein Rechtsmediziner vor Gericht später erwarte.
Widersprüchliche Beschreibung der Verletzungen
In seinem Gutachten geht Eisenmenger auch auf Aussagen von Petra M. ein, bezeichnet sie als "Sammelsurium von Aspekten". Mit jeder Vernehmung sei ihre Beschreibung der Angriffe drastischer geworden, auch der Ablauf der Tat änderte sich in ihren Darstellungen. Ihm sei sogar ein medizinscher Widerspruch aufgefallen: Bei einer Aussage behauptete Petra M. zwar, eine Narbe von einer Bisswunde zu haben - sie glaube jedoch, dass es nicht geblutet habe.
Auch zwischen den Angaben im Attest, dem Inhalt der Krankenakte und den Schilderungen des Opfers gebe es Unterschiede. Mollaths Exfrau hatte in Vernehmungen von 20 Faustschlägen gesprochen, im Attest seien jedoch Schläge mit der flachen Hand dokumentiert. Bei Schlägen mit der flachen Hand seien aber streifenförmige Rötungen zu erwarten und nicht, wie im Attest beschrieben, rundliche Hämatome, erklärt der Professor.
Trotz dieser Widersprüche betont Eisenmenger nochmal, dass kein Zweifel an stumpfer Gewalteinwirkung bestehe. Auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft bestätigte Eisenmenger, dass das Opfer eine Bisswunde, Hämatome am Körper und am Hals gehabt habe. Wer für diese Verletzungen verantwortlich ist und in welcher Situation diese entstanden sind - vorsätzlich oder in Notwehr -, das lasse sich aus rechtsmedizinischer Sicht heute nicht mehr klären. Diese Wertung obliege nun dem Gericht, betont Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl.

Gustl Mollath vor Gericht:Ein unbequemer Angeklagter
Erst will Gustl Mollath schweigen, dann redet er dazwischen. Er will sich verteidigen und klagt zugleich an. Beim Prozessauftakt in Regensburg gibt sich der Angeklagte unbequem. Dabei ist ihm ein Freispruch eigentlich sicher.
Verteidigung bewertet das Gutachten positiv
Die Verteidigung bewertet das neue Gutachten als Erfolg. "Wir sind auf der Siegerstraße. Es wird immer etwas bleiben, aber nichts strafrechtlich Relevantes", sagt Mollaths Anwalt Gerhard Strate.
Noch sieben Verhandlungstage
Mehr als die Hälfte der Verhandlungstage im Wiederaufnahmeverfahren gegen Gustl Mollath sind schon um. Der 57-jährige Nürnberger muss sich vor dem Landgericht Regensburg wegen Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung verantworten.
Der Vorwurf: Er soll 2001 seine damalige Ehefrau misshandelt und eingesperrt haben. Außerdem habe er Dutzende Autoreifen zerstochen, um sich an Menschen zu rächen, die an der Scheidung seiner Frau beteiligt waren oder sich sonst irgendwie gegen ihn gewandt hatten. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hatte Mollath 2006 wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen, aber in die forensische Psychiatrie eingewiesen. Erst 2013 kam er frei.
Der Prozess wird am kommenden Mittwoch (23. Juli) fortgesetzt. Dann wird unter anderem der technische Sachverständige zu den Reifenstechereien sein Gutachten abgeben.
Linktipps
Berichte zu den bisherigen Prozesstagen:
- Richter Ahnungslos - Tag 9
- Gutachter verteidigt Mollaths Einschätzung - Tag 8
- Polizist hält Mollath für den Täter - Tag 7
- "Dem schaut der Wahnsinn aus den Augen" - Tag 6
- Urteil "eilig diktiert" - wegen Urlaubsplänen - Tag 5
- Ärztin glaubte an psychische Störung - ohne Untersuchung - Tag 4
- Peinliche Befragung für Arzt im Zeugenstand - Tag 3
- Polizisten berichten von Prügelvorwürfen - Tag 2
- "Moralisch ist das nicht in Ordnung" - Tag 1
- Wie sich Gustl Mollath vor Gericht verhält - ein unbequemer Angeklagter
- Was von dem Wiederaufnahmeverfahren zu erwarten ist - eine Analyse im Video
- Wie sich der Fall Mollath entwickelt hat - eine Chronologie
- Die bisherigen Verhandlungstage im Protokoll der Mittelbayerischen Zeitung