Prozess:Füssen hat sich verzockt

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Paul Iacob (SPD) ist seit 2008 Bürgermeister von Füssen (Archivbild). (Foto: dpa)
  • Die Stadt Füssen hat sich bei Zins-Geschäften dermaßen verzockt, dass ihr ein Schaden von mindestens 2,8 Millionen Euro droht; der Fehlbetrag könnte sich letzten Endes sogar auf 5,4 Millionen Euro summieren.
  • Wie es dazu kommen konnte, wird seit diesem Dienstag am Landgericht München aufgearbeitet.
  • Die Stadt Füssen hat ein Tochterunternehmen der Bank "Hauck & Aufhäuser" auf Schadenersatz verklagt, weil diese die Kommune angeblich falsch beraten hat.
  • Die Bank weist den Vorwurf zurück.

Von Christian Rost, Füssen/München

Dass sich der Ortsname Füssen aus dem Lateinischen herleitet und "Schlund" bedeutet, erscheint in diesen Tagen besonders kurios. Die Stadt im Ostallgäu hat sich in den Jahren 2005 bis 2012 bei Zins-Geschäften dermaßen verzockt, dass ihr ein Schaden von mindestens 2,8 Millionen Euro droht. Läuft es weiter schlecht bei den Zinswetten, könnte sich der Fehlbetrag letzten Endes sogar auf 5,4 Millionen Euro summieren. Wie es dazu kommen konnte, wird seit diesem Dienstag am Landgericht München aufgearbeitet. Die Stadt Füssen hat ein Tochterunternehmen der Bank "Hauck & Aufhäuser" auf Schadenersatz verklagt, weil diese die Kommune angeblich falsch beraten hat. Die Bank weist den Vorwurf zurück.

Bürgermeister Paul Iacob (SPD) hat sich wieder eine Fliege umgebunden. Das ist typisch für ihn, ein Markenzeichen sozusagen. Doch sein Gesichtsausdruck hat überhaupt nichts Feierliches an diesem Dienstag im Sitzungssaal 28 des Justizpalastes. Iacob, seit 2008 im Amt, sitzt mit einem Anwalt auf der Klägerbank, gegenüber der Prozessbevollmächtigte der Bank beziehungsweise ihrer Tochtergesellschaft "Fides Kapital GmbH". Bei dieser Gesellschaft hatte ein frühere Kämmerer von Füssen sogenannte Zinssicherungsswaps abgeschlossen. Damit sollte das Zinsrisiko für laufende Darlehen der Stadt beziehungsweise der Stadtwerke abgesichert werden. Tatsächlich aber rutschten die Zinsen in den Keller bis hinein in den Negativbereich und brachten genau den gegenteiligen Effekt: Füssen sparte sich nicht Geld, sondern muss mit einem immensen Schaden rechnen. Fatal: Die Verträge laufen noch bis 2027. Wer die Verantwortung für die Verluste trägt, soll der Prozess klären.

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Zum Auftakt breiteten die Kläger und die beklagte Bank ihre Waffen aus. Die Stadt sagt, sie sei über das Risiko bei dem Geldgeschäft nicht aufgeklärt worden. Die Bank entgegnet, es sei sehr wohl auf eine mögliche negative Entwicklung bei den Zinsen hingewiesen worden und dies, als sich erste Verluste auftürmten, sei auch ersichtlich gewesen. Vor dem Hintergrund, dass sich Dutzende Städte und Gemeinden in Bayern auf Geschäfte mit hochkomplexen Finanzinstrumenten eingelassen haben und die Gerichte bis hinauf zum Bundesgerichtshof (BGH) die jeweiligen Fälle sehr unterschiedlich bewerteten, ist der Ausgang des Verfahrens völlig offen. Der BGH stellte etwa fest, dass auch "schlechte Geschäfte" zulässig seien. Die Stadt Landsberg am Lech, die rund 6,8 Millionen Euro durch Spekulationsgeschäfte verloren hat, scheiterte auch deshalb mit ihrer Schadenersatzklage gegen eine Bank. Der Kämmerer von Landsberg wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Im Fall Füssen zeigte der Vorsitzende Richter eingangs auf, dass die Zinsgeschäfte offenbar auf recht lockere Art zustande kamen. Nach einer Beratung und einem ersten Vertragsabschluss mit der Bank im Jahr 2005 kamen in den Folgejahren weitere hinzu - dabei telefonierte der Kämmerer mit den Finanzberatern und schloss mündlich Verträge. Nun ist strittig, inwieweit er das durfte. Vom Stadtrat und damaligen Bürgermeister hatte er grünes Licht bekommen. Aber hätte nicht auch die Rechtsaufsicht über die Kommunen, in diesem Fall das Landratsamt Ostallgäu, intervenieren müssen? Die Stadt Füssen hatte nach Darstellung des Gerichts im Landratsamt nachgefragt, ob sie sich auf die Zinsgeschäfte einlassen könne.

Eine erste Antwort der Kreisbehörde fiel offenbar unbefriedigend aus. Sie teilte mit, dass solche Geschäfte nicht genehmigungspflichtig seien. "Außerdem sei man ja kein Gerichtshof", habe die Antwort lapidar gelautet, so zitierte der Vorsitzende Richter jedenfalls aus den Akten. Auch eine erneute Anfrage der Stadt beim Landratsamt brachte demnach keine Klarheit. So ließ sich Füssen auf die Zinswetten ein, obwohl womöglich keine Genehmigung vorlag.

Das könnte entscheidend sein in diesem Prozess, der sich zu einer Musterklage für andere Kommunen auswachsen könnte. Einen ganzen Fragenkatalog muss das Gericht beantworten. Lag tatsächlich keine Genehmigung der Kreisbehörde vor? In diesem Fall könnten die mit der Bank abgeschlossenen Verträge nichtig sein. Hat die Bank in den Beratungsgesprächen den Kämmerer nicht ausreichend über die Risiken aufgeklärt? Handelte er in grob fahrlässiger Unkenntnis? Zu diesem Punkt sollen beim nächsten Verhandlungstermin Ende Januar Mitarbeiter von "Fides Kapital GmbH" aussagen. Grundsätzlich geht es um die Frage, wer was wann gewusst hat.

Es wird eine Herkulesaufgabe für die Justiz, die sogenannten Swap-Geschäfte zwischen Füssen und der Bank zu durchleuchten. Der Anwalt der Bank warf vorsorglich ein, die Haftung für eine falsche Beratung könnte bereits verjährt sein. Mit diesem Argument geht er nun auch in die Verhandlungen mit der Stadt Füssen über eine außergerichtliche, wenn auch nicht sehr wahrscheinliche Einigung in diesem Streit. Ob ein Vergleich zustande kommt, soll bis zum 15. Januar feststehen.

© SZ vom 05.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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