Prozess:Flammeninferno mit sechs Toten - Angeklagter räumt Fehler ein

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Der Angeklagte hatte schriftlich versichert, keine Gäste mehr übernachten zu lassen - hielt sich aber nicht daran.

(Foto: Uwe Lein/dpa)

Vor Gericht gibt der Event-Manager aber auch den Behörden eine Mitschuld an dem Brand auf dem Bauernhof in Schneizlreuth.

Aus dem Gericht von Matthias Köpf, Traunstein

Es kann einsam sein auf der Anklagebank im Schwurgerichtssaal des Traunsteiner Landgerichts, aber der 47-jährige Outdoor-Veranstalter ist es gewohnt, sich auch alleine durchzukämpfen. So zwingt er sich, den Hinterbliebenen und Überlebenden im Publikum ins Gesicht zu sehen, als er zum Prozessauftakt am Montag die Verantwortung für die folgenschwerste Brandkatastrophe der vergangenen 30 Jahre in Bayern übernimmt und sich für seine todbringenden Fehler entschuldigt. Ganz allein allerdings will er nicht schuld sein an dem Feuer in dem Bauernhof in Schneizlreuth, bei dem im vergangenen Mai sechs Männer ums Leben gekommen sind und 20 Menschen verletzt wurden, einige von ihnen schwer.

In seiner knapp halbstündigen Erklärung räumt der Event-Veranstalter ein, was er für seine eigene Schuld hält. Demnach hätte ihm spätestens Anfang 2009 bewusst sein müssen, dass er in dem alten, holzgedeckten Bauernhof keine Gäste hätte übernachten lassen dürfen, wie er es zu der Zeit schon fast 15 Jahre praktiziert hatte. Eine Genehmigung für die nötigen größeren Umbauten an dem mehr als 450 Jahre alten "Pfarrerbauernhof" hätte er von den Denkmalschützern kaum bekommen.

Aber es sollte ja ohnehin alles "so einfach wie möglich sein, alles ohne Luxus, wie in einer Almhütte". Das sei seine Vision gewesen, als er, ein gelernter Koch, 1994 nach einem traumatisierenden Einsatz in Somalia als Berufssoldat aus der Bundeswehr ausgeschieden sei und fast ganz allein begonnen habe, den Bauernhof herzurichten und seinen Traum von der Event-Basis zu verwirklichen.

Die Gefahr eines Brandes war dem Angeklagten bewusst

Die Bauabteilung des Landratsamts in Bad Reichenhall war nach Aktenlage durch einen Antrag zur Erweiterung eines Carports darauf aufmerksam geworden, dass der Mann dort regelmäßig bis zu 50 Menschen übernachten ließ, und drohte die Schließung an. Der Veranstalter versicherte daraufhin Anfang 2009, die Abenteuerurlauber künftig in einem anderen Gebäude schlafen zu lassen, das seine Frau aber bei der privaten und wirtschaftlichen Trennung bald in ein eigenes Unternehmen mitnahm.

Als im Sommer die Saison für seine Rafting- und Klettertouren und die erlebnispädagogischen Angebote begann, brachte der Mann nach eigener Aussage wieder regelmäßig Gäste in dem alten Bauernhof unter, mehr als 1000 im Jahr sollen es gewesen sein, darunter Jugendgruppen und Schulklassen. Elementare Brandschutzvorkehrungen und Fluchtwege fehlten. "Natürlich habe ich nie damit gerechnet, dass es zu einem solchen Brand und zu einer solchen Katastrophe kommen wird", sagte der Angeklagte am Montag. Die Möglichkeit sei ihm aber bewusst gewesen, daher habe er Rauchmelder, Feuerlöscher und ein Schild "Brandgefahr" aufgehängt.

Das Feuer wurde "innerhalb von Minuten ein Inferno"

Den sechs Männern, die am Pfingstwochenende 2015 mitten in der Nacht in einem Matratzenlager unter dem Dach starben, war mit all dem nicht geholfen. Für sie gab es kein Entkommen, nachdem in der Etage darunter vermutlich in einem Wäscheschrank ein Feuer ausgebrochen war. Sie sind am Rauch erstickt, ihre verkohlten Leichen wurden erst später im Schutt gefunden und waren laut der Aussage eines Brandfahnders kaum von Steinen zu unterscheiden.

Dass es Opfer gegeben hat, war den Rettungskräften schon in der Nacht klar, als beim Durchzählen von den 47 Mitarbeitern der Lindner Group aus dem niederbayerischen Arnstorf, die zum Betriebsjubiläum ein erlebnisreiches Wochenende in Schneizlreuth verbringen wollten, sechs Kollegen fehlten. Der Brand sei "innerhalb von Minuten ein Inferno" geworden, sagte vor Gericht der ermittelnde Kriminalbeamte. Indizien für eine vorsätzliche Brandstiftung habe es nicht gegeben.

Schneizlreuth: Geschäftsführer von Gästehaus verhaftet

Schneizlreuth, 23. Mai 2015: Im Dachgeschoss des Pfarrbauernhofs ersticken sechs Männer am dichten Qualm.

(Foto: dpa)

Welche Rolle beim Ausbruch des Feuers eine Wasserpfeife gespielt hat, die der Sohn des Angeklagten mit dem Koch nachts auf dem Holzbalkon geraucht haben soll, wird das Gericht noch beschäftigen. Die Glühkohle der Pfeife haben die Ermittler nicht gefunden. Nicht weiter geführt hätten auch Einbruchspuren am benachbarten Wirtshaus des Veranstalters, wie sie in derselben Nacht auch die österreichische Gendarmerie im nahen Lofer festgestellt hatte.

Verteidiger sehen Mitschuld der Behörden

Die Verteidiger Frank Starke und Harald Baumgärtl melden Zweifel an der Vermutung der Polizei an, dass ein technischer Defekt Auslöser des Feuers war. Um das Strafmaß für ihren geständigen Mandanten zu reduzieren, zielt ihre Strategie auf eine mögliche Mitschuld der Behörden. So hat der Angeklagte seine Prospekte, in denen mit den Übernachtungsmöglichkeiten im Pfarrerbauernhof geworben wird, auch im nahen Schneizlreuther Rathaus und im Reichenhaller Landratsamt auslegen lassen. "Ich bin schon der Meinung, dass die Behörden genau Bescheid wussten", sagte der Angeklagte.

Der damalige Bürgermeister habe mit seiner Elektrofirma sogar die Installationen im Haus vorgenommen. Auch der neue Bürgermeister und der Leiter des Fremdenverkehrsamts seien bei ihm gewesen und hätten von den Übernachtungsmöglichkeiten gewusst. Das Gericht hat für den Prozess sieben Verhandlungstage angesetzt und will zahlreiche Zeugen und Sachverständige hören. Das Urteil soll am 5. Februar fallen.

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