Prozess:"Er hat sich in Selbstmitleid gesuhlt"

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Was für ein Mensch ist Stefan B., der mutmaßliche Mörder von Franziska? Seine Ex-Freundinnen sagen vor Gericht aus

Von Sophie Burfeind, Ingolstadt

Am Morgen, nachdem Stefan B. die zwölfjährige Franziska ermordet hat, trifft er sich noch einmal mit Lena B. Mit der 21-Jährigen ist er zu dem Zeitpunkt zusammen. "Er meinte, er hätte ordentlich Scheiß gebaut", sagt Lena B., die am Mittwoch im Gerichtssaal als Zeugin auftritt. Was er getan hat, will er ihr nicht sagen. Sie hakt nicht weiter nach, sondern trennt sich von ihm. Ihr habe das Vertrauen gefehlt. "Ich habe ihm gesagt, dass ich so keine Beziehung führen kann." Dass Schluss ist, habe er ohne größere Gefühlsregungen hingenommen. Am Abend wird er verhaftet.

Wie immer sitzt Stefan B. mit gekrümmten Rücken regungslos da, starrt auf die Anklagebank und schweigt. Die anwesenden Zeugen würdigt er keines Blickes. Was ist das für ein Mensch, der am 15. Februar 2014 das Mädchen vergewaltigte und auf grausamste Weise tötete? Der sich grinsend mit der Schwere seiner Anklage brüstete? Am zwölften Prozesstag sagen Freunde und Bekannte des Täters aus. Besonders aufschlussreich sind die Frauen, die über ihre Beziehungen zu Stefan B. sprechen. Nach und nach kristallisiert sich das Bild eines Menschen mit starken Stimmungsschwankungen heraus, mitunter gewalttätig, der rechtsextremes Gedankengut vertritt.

Alle der anwesenden Zeuginnen schrieb der Angeklagte auf Internetportalen an. Auch Lena B. In seinem Profil gibt er damals an, dass er selbständig sei, gut verdiene - obwohl er, wie sich bei den Treffen herausstellt, arbeits- und obdachlos ist. Lena B., die zu der Zeit wegen psychischer Probleme in einer therapeutischen Wohngruppe lebt, stört sich daran jedoch nicht. Ende Januar 2014 begegnen sie sich das erste Mal, eine Woche später sind sie ein Paar. Sie sind stets in der Wohnung von Lena B. - der Angeklagte lebt in seinem Auto. Sie erzählt, dass Stefan B. schon nach kurzer Zeit Hausverbot in ihrer WG erhalten habe: wegen "seiner dominanten Art" und rechtsextremer Äußerungen. Die seien auch ein Grund für die Trennung gewesen. "Ich kann einfach nicht mit einem Rechtsradikalen zusammen sein", hatte sie bei der polizeilichen Vernehmung gesagt. Stefan B. habe regelmäßig auf Ausländer geschimpft und erklärt, lieber in einem Auto zu wohnen, als in der Obdachlosenunterkunft "mit Türken oder Arabern ein Zimmer zu teilen". Auch sein Reichsadler-Tattoo am Oberarm ist für Lena B. ein Hinweis auf seine rechtsextreme Einstellung. Ein ehemaliger Schulkamerad von Stefan S. erklärt überdies, vom Hörensagen sei ihm bekannt gewesen, dass dieser "rechtsradikale Musik" gehört habe.

Der Angeklagte chattet auch mit anderen Frauen während der Beziehung mit Lena B. So hat er schon längere Zeit Kontakt zur Reinigungskraft Daniela R. Am Samstagabend gegen 22.30 Uhr - nach dem Sexualmord an Franziska - schreibt er ihr, "ob er auf ein Bier vorbeikommen kann". Sie treffen sich stattdessen am Sonntagmittag an einem Baggersee. Aufgefallen sei ihr, "dass unter seinen Fingernägeln Dreck war" und er "ein bissl nervös war". Ob sie ins Auto geschaut habe, fragt der Richter. "Es sah wüst aus", antwortet sie. "Hinten lagen Chips verstreut, außerdem war eine Flasche Glasreiniger und eine Zewa-Rolle im Auto." Hinterher schreibt Stefan B. bei Whatsapp, dass er sie gern geküsst hätte.

Die beiden ersten Zeuginnen beschreiben Stefan B. als relativ ausgeglichenen Menschen. Anders die Köchin Martina E., die von Sommer 2010 an zwei Jahre lang mit ihm zusammen war. "Anfangs war es normal, dann hat er irgendwann angefangen, mir zu drohen", erklärt sie mit leiser Stimme. Er habe gedroht, ihr Haus anzuzünden, ihren Vater umzubringen, Selbstmord zu begehen oder ihr etwas anzutun. "Er war krankhaft eifersüchtig", sagt sie. Das sei auch meist der Grund für seine Wutanfälle gewesen. Einmal habe er auf ihrem Balkon gestanden, drohte zu springen, ein anderes Mal habe er "seiner Mutter ein Messer an den Hals gehalten" und die Zeugin selbst dreimal stark gewürgt. "Seine Stimmung hat von einer Sekunde auf die andere gewechselt", beschreibt sie ihn. Sie habe ihn deshalb gedrängt, in psychiatrische Behandlung zu gehen - er wollte nicht. Manchmal habe sie den Eindruck gehabt, er wisse nicht, was er mit seinem Leben anfangen solle, und habe sich "in Selbstmitleid gesuhlt", weil er keine Arbeit hatte. Um die er sich aber auch nicht bemühte. Martina E. wusste zwar, dass gegen ihn ein Verfahren lief wegen des Besitzes kinderpornografischer Dateien - einen Mord an einem jungen Mädchen hätte sie ihm aber nicht zugetraut.

© SZ vom 23.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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