Süddeutsche Zeitung

Prozess:Der Kuhglocken-Streit geht in die nächste Runde

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Von Matthias Köpf, Holzkirchen

Konflikte wie dieser haben in Bayern inzwischen selbst eine stolze Tradition: Da ist jahrelang alles, wie es eben ist, und dann kommt auf einmal von irgendwo irgendwer daher, und plötzlich ist es aus mit der Ruhe. Dabei sind die Zugezogenen in diesem Fall die Kühe mit ihren Glocken, denn das Ehepaar, das sich von ihrem Gebimmel gestört fühlt, hatte sein Haus im kleinen Erlkam bei Holzkirchen schon 2011 gekauft. Erst drei Jahre später hat die Gemeinde Holzkirchen die Wiese neben dem Haus einer Bäuerin als Viehweide verpachtet, und seitdem ist die Ruhe dahin.

Jetzt, wieder drei Jahre später, ist der Fall schon in der zweiten Instanz angekommen, am Donnerstag sollte im Landgericht München II womöglich ein Urteil fallen im Kuhglocken-Streit von Holzkirchen. Doch der geht schon vorher in eine neue Runde.

Denn gegen die Bäuerin und die Gemeinde geklagt hatte bisher nicht das Ehepaar, sondern nur der Mann. Vor der ersten Instanz, dem Amtsgericht Miesbach, hatte es 2015 einen Vergleich gegeben, wonach die Kühe zwar auf der ganzen Wiese weiden dürfen. Beim Bimmeln müssen sie aber einen Mindestabstand von 20 Metern einhalten, worum sich die Bäuerin zu kümmern hat.

Dem Vergleich hatten alle Seiten zugestimmt. Dem Kläger macht das die Sache aber nicht leichter vor dem Landgericht, an das er sich dann trotzdem noch gewandt hat. Aber jetzt, so haben es seine Anwälte mitgeteilt, zieht auch seine Frau mit einer eigenen Klage in derselben Sache vor Gericht. Und diese neue Klage ist gänzlich unbelastet von früheren Vergleichen.

Aus Sicht der Eheleute geht es in dem ganzen Streit um Ruhestörung, um Schlaflosigkeit und Depression und um einen Wertverlust der eigenen, nur scheinbar so ruhig und idyllisch gelegenen Immobilie. Einen Wertverlust befürchtet aber auch die Gemeinde, wenn sie ihre Flächen nicht mehr so einfach als Weiden verpachten kann. Außerdem geht es ihr und der Bäuerin um die Landwirtschaft insgesamt und um deren Tradition auf dem Land. Kuhglocken gehörten da einfach dazu und seien außerdem notwendig, um gegebenenfalls die entlaufene Herde wiederzufinden oder einzelnen Tieren Orientierung zu geben, wie sie zurück zu den anderen finden können.

Allerdings sind auch im bayerischen Voralpenland unterhalb des Alm-Niveaus keineswegs alle Kühe oder Herden mit Kuhglocken ausgestattet. Ganz im Gegenteil, die meisten Bauern haben offenbar durchaus Vertrauen in ihre elektrifizierten Weidezäune. Dass der Kläger ihre Tiere auf seine Kosten mit Sendern für die GPS-Ortung ausstattet, davon wollte die Bäuerin aber auch nichts wissen.

Mit einem solchen Kompromiss war vor einem Jahr ein ähnlicher Streit im österreichischen Vorarlberg zu Ende gegangen; in der Steiermark und im Schweizer Kanton Zürich entschieden Gerichte zuletzt gegen die Glocken. In Marzoll im Berchtesgadener Land hält bisher ein gerichtlicher Vergleich mit Distanzregelung, wie sie auch für Erlkam vereinbart war. Das Landgericht in München verhandelt am Donnerstag.

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Quelle:
SZ vom 12.12.2017
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