Prozess:Darf ein Bier "Neuschwansteiner" heißen?

dpa-Story: Schloss Neuschwanstein

Schloss Neuschwanstein hat zwar viel, aber keine hauseigene Brauerei.

(Foto: dpa)
  • Vor dem Oberlandesgericht ist über ein Edel-Bier verhandelt worden: "Das Neuschwansteiner" kostet 25 Euro pro Halbe, gebraut ist es angeblich nach einer "Methode royale".
  • Diese Angabe wurde verboten. "Neuschwansteiner" darf das Bier aber weiter heißen, auch wenn es nicht im Schloss gebraut wird.
  • Mit bekannten Orten, Seen, Schlössern, Klöstern oder Landschaften werben viele Brauereien - nicht immer ganz korrekt.

Von Stephan Handel, Johann Osel, Ulrike Schuster, Matthias Köpf und Olaf Przybilla

Falls sich mal wieder jemand über den Bierpreis auf dem Oktoberfest beschweren will: 39,50 Euro kostet eine Flasche "Das Neuschwansteiner"; diese beinhaltet 0,75 Liter, also so viel wie eine äußerst schlecht eingeschenkte Mass - dafür aber schaut die Flasche aus wie eine für Champagner und ist von einem Karton umhüllt.

Das Bier in der Flasche ist laut Aufdruck nach einer "Methode royale" gebraut, von der allerdings kein Biertrinker und kein Braumeister jemals gehört hat. Deshalb wurde diese Angabe jetzt vom Oberlandesgericht verboten.

Verhandelt wurde am Donnerstag aber auch über den Namen. Also die Frage: Suggeriert der Name "Das Neuschwansteiner", dass das Bier im Schloss gefertigt wird, im königlichen Schlafgemach womöglich? Immer wieder ist die geografische Herkunftsangabe im Bierland Bayern höchst umstritten - und wenn es nur um ein paar Kilometer geht.

"Was auf dem Etikett drauf steht, muss in der Flasche drin sein", fordert Georg Rittmayer, Vizepräsident im Verband der Privatbrauereien. Der Brauer aus dem oberfränkischen Hallerndorf sagt: Hier gehe es nicht um irgendwas, sondern um Heimat und "mit diesem Gefühl spielt man nicht". Wer das Forchheimer, das Tegernseer, das Hallerndorfer trinkt, verbinde damit Geschmäcker, Gerüche, Gewohnheiten - weshalb die Brauerei in genau dem Ort sitzen und herstellen müsse. Was vorn auf der Flasche drauf stehe, dürfe hinten im Kleingedruckten nicht Kilometer vom Ort weg geschoben werden. "Eine Sauerei" wäre das.

So dachte wohl die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Sie hatte gegen die "World of Neuschwansteiner Holding GmbH & Co KG" geklagt und vor dem Landgericht gewonnen. Am Oberlandesgericht (OLG), in der Berufung, ging es erneut um dieses Luxus-Getränk. Der Erfinder des Hochpreis-Bieres nämlich, Christian Seitz aus dem Allgäu, will "kosmopolitische Genießer" erreichen, die "immer das Teuerste haben wollen". Seit 2014 ist "Das Neuschwansteiner" auf dem Markt. Dann aber fanden die Wettbewerbsschützer, dass die kosmopolitischen Genießer in die Irre geführt werden: Das Bier wird nämlich gar nicht, wie der Käufer glauben könnte, in Neuschwanstein gebraut! Sondern im Ort Schwangau nebenan. Und die "Methode royale" sei hochstaplerisch, eine solche Methode gebe es nicht.

In beiden Fällen bekam die Klägerin vergangenes Jahr recht. Das OLG wollte dem Landgericht jetzt nur teilweise folgen: Der Name des Bieres sei nicht zu beanstanden. Denn niemand könne glauben, dass im Schloss zwischen all den Touristen und Souvenirständen auch noch eine Brauerei Platz habe - deshalb sei der Name "Das Neuschwansteiner" nicht als geografische Herkunftsangabe aufzufassen, durch die der Verbraucher getäuscht werde. In einem anderen Fall 2016 sah das derselbe OLG-Senat anders. Da ging es um ein Bier mit der Bezeichnung "Chiemseer", gebraut in Rosenheim. Urteil damals: Irreführung, weil das Bier nicht von einer Brauerei am Chiemsee stamme.

"Heimatgefühl zu verkaufen ist oft ein Marketing-Gag"

Mit bekannten Orten, Seen, Schlössern, Klöstern oder Landschaften zu werben, ist nahezu Standard. Viele Hersteller nähmen das nicht so genau, "Heimatgefühl zu verkaufen ist oft ein Marketing-Gag", heißt es bei der Verbraucherzentrale über Lebensmittel generell, auch beim Bier gebe es Beschwerden; zuletzt über das Kloster Weltenburg, das die meisten Biere nicht dort braue, sondern in Regensburg. "Der Verbraucher war enttäuscht, er wollte Klosterbier."

Der Bayerische Brauerbund betont: Kein Ortsbier breche sein Versprechen. Wer nicht dort braue, wie es das Etikett besage, drucke dies in ordentlicher Größe zusätzlich auf. "Schummeln wäre töricht", so Geschäftsführer Walter König mit Blick auf Stammbiertrinker. Die Herkunft treibt eben auch Kunden um. In Nürnberg hat der Platzhirsch, die Tucher, Verwerfungen bewusst vermieden. Als die Nürnberger Tucher und die Fürther Patrizier vor mehr als 20 Jahren fusionierten, war das heikel. Kein Nürnberger würde Bier aus Fürth, kein Fürther Bier aus Nürnberg trinken. Die Lösung gilt als "weltweit einzigartig", sagt Brauerei-Archivar Helmut Ell. Das neu errichtete Brauhaus hat zwar eine Fürther Adresse, der größere Teil aber steht auf Nürnberger Gebiet. Und im Sudhaus stehen zwei Kessel auf Nürnberger, zwei Kessel auf Fürther Boden. Alle Kunden haben örtliches Bier. Noch mal gut gegangen.

Nicht nur gut ausgegangen ist es fürs "Neuschwansteiner". Denn bei der "Methode royale" ließ das OLG eigene Sachkunde walten: Der Kunde erwarte eine besondere Herstellungsmethode, einen quasi "royalen Brauvorgang". Den aber gebe es nicht: Das ist, sagte der Vorsitzende Richter, "ein ganz normales Märzenbier, wie es in jedem Supermarkt für einen Euro zu bekommen ist". Das Bier darf nun weiter so heißen, das Goldemblem mit Schloss bleibt, die Braumethode muss im Etikett verschwinden.

Im Chiemsee-Fall 2016 verhieß das Etikett danach nicht nur "gebraut in Rosenheim am Inn"; sondern zeitweilig gab es einen Anhänger an der Flasche, mit frechem Text: "Rosenheim liegt in der wunderschönen Region zwischen Chiemsee und Wendelstein. Als Oberbayern dachten wir, das sei allgemein bekannt." Demnächst will das Brauhaus, das zu Paulaner und damit zur Schörghuber-Gruppe gehört, aber eine Schaubrauerei in Chieming errichten - also am See.

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