Prozess:Barkeeper nach "sexuellen Handlungen" an 16-Jähriger freigesprochen

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  • Ein 29-Jähriger musste sich vor dem Landshuter Landgericht verantworten, weil er nach einer durchzechten Nacht eine 16-Jährige sexuell missbraucht haben soll.
  • Unklar blieb, ob die junge Frau zum Tatzeitpunkt bei Bewusstsein war oder nicht.
  • Der Barkeeper wurde freigesprochen - auch, weil das Gericht das bis November 2016 geltende Sexualstrafrecht anwenden musste.

Von Florian Tempel, Landshut

Der 29-jährige Erdinger Aushilfs-Barkeeper, der laut Anklage im Oktober 2016 eine stark betrunkene 16-jährige Frau nach einer durchzechten Nacht sexuell missbraucht haben soll, ist freigesprochen worden. Die Jugendkammer des Landgerichts Landshut fällte ein Urteil nach dem Rechtsgrundsatz "im Zweifel für den Angeklagten". Die Begründung des Freispruchs war, wie der Vorsitzende Richter Oliver Dopheide einräumte, allerdings sehr kompliziert.

Er sagte unter anderem, dass das Gericht in diesem Fall das bis November 2016 geltende Sexualstrafrecht anwenden musste: "Nach neuem Recht, das drei Wochen nach der Tat in Kraft getreten ist, wären wir vielleicht zu einer Verurteilung gekommen." Der Vertreter der Anklage hatte eine Verurteilung zu zweieinhalb Jahren gefordert. Die Staatsanwaltschaft Landshut wird voraussichtlich Revision beim Bundesgerichtshof beantragen.

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Der Verurteilte hatte zwei Studentinnen an der Münchner Universität aufgelauert. Das Landgericht München I ordnet an, dass der Täter in der forensischen Psychiatrie untergebracht wird.

Die junge Frau war an einem Freitag Ende Oktober vergangenen Jahres mit zwei Bekannten in Erding ausgegangenen. In einer Kneipe in der Innenstadt konsumierten die 16-Jährige und ihre zwei Begleiter bis in die frühen Morgenstunden eine große Menge Alkohol. Von etwa 3.30 Uhr an waren nur noch die drei und der angeklagte Barkeeper in der Kneipe. Der Barmann trank in dieser Nacht ebenfalls viel Alkohol. Gegen 6 Uhr gab es einen Streit, weil die Frau ihre Zeche nicht bezahlen wollte.

Der Angeklagte rief deshalb die Polizei. Eine Streife kam und einer der Begleiter der Frau lenkte ein und beglich die Rechnung. Danach wollte die drei gehen und bestellten ein Taxi. Beim Warten auf das Taxi kollabierte jedoch die 16-Jährige auf der Straße. Ihre Bekannten brachten sie zurück in das Lokal und legten sie auf eine Couch. Ihr Zustand erschien ihnen aber nicht bedenklich. Nach einiger Zeit gingen die beiden Männer wieder nach draußen vors Lokal, um eine Zigarette zu rauchen.

In den etwa fünf Minuten, bis die beiden zurück in die Kneipe kamen, "kam es zu einer sexuellen Handlung", so die vorsichtige Formulierung des Vorsitzenden Richters. So viel - oder so wenig - stand aus zwei Gründen fest: Der Angeklagte hatte zugegeben, er habe der jungen Frau, als sie auf der Couch lag, die Hose herunter gezogen. An mehr wollte er sich aber nicht erinnern. Es gibt jedoch einen objektiven Beweis: Laut einem Spurengutachten fanden sich an den Innenseiten der Unterhosen der Frau und des Angeklagten wechselseitig DNA-Material des jeweils anderen.

War die Frau bewusstlos oder nicht?

Die Anklage basierte auf der Aussage der junge Frau, die sie bei der Polizei gemacht hatte. Demnach habe sie der Angeklagte eindeutig sexuell missbraucht, denn er habe ihre starke Alkoholisierung, wegen der sie bewusstlos war, für einen sexuellen Übegriff ausgenutzt. In der Anklage heißt es, dass die Frau "weder in der Lage war, in den vom Angeklagten angestrebten Sexualkontakt einzuwilligen noch sich dem zu widersetzten". Sie sei erst durch die sexuellen Handlungen des Angeklagten wieder zu Bewusstsein gekommen.

Der Vorsitzende Richter erklärte nun in der Urteilsbegründung aber, es sei nicht vollkommen klar, ob die Frau wirklich in einem Zustand der Bewusstlosigkeit gewesen sei. Ein medizinischer Gutachter hatte gesagt, sie habe sich in einem "fluktuierenden Zustand" befunden, eine Art Halbdelirium. Noch wichtiger aber: Sie selbst hatte einem ihre Begleiter gesagt - das sagte dieser als Zeuge vor Gericht - sie habe während des sexuellen Übergriffs "nur so getan, als ob ich bewusstlos war".

Für das Gericht war das der letztlich entscheidende Punkt. Wenn die Frau "sich dazu entschloss, die sexuellen Handlungen über sich ergehen zu lassen", dann habe der Angeklagte nach altem Recht keine strafbare Handlung begangen. "Wir müssen nach dem zur Tatzeit geltenden Recht urteilen", sagte Richter Dopheide und fügte an "mit dem Freispruch ist keine moralische Billigung des Geschehens verbunden". Mit dem Freispruch ist aber die rechtliche Konsequenz verbunden, dass der Angeklagte noch am gleichen Tag aus der Haft entlassen wurde und für fast acht Monate Untersuchungshaft entschädigt wird.

© SZ vom 18.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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