Prozess:Augsburg ist beim Rotlicht die Nummer 1

Augsburg: BORDELL - Laufhaus29

Mit einem sogenannten Bordellstrukturkonzept soll der Wildwuchs von Puffs nun eingedämmt werden.

(Foto: Johannes Simon)
  • In Augsburg sind mit 244 je 100 000 Einwohner die meisten Prostituierten tätig sind - Hamburg mit seiner berühmten Reeperbahn landete in einer Umfrage nur auf Platz 16.
  • Ein Bordellbetreiber will jetzt einen neuen Betrieb in einem Augsburger Industriegebiet durchsetzen.
  • Das Rathaus will dies unbedingt verhindern.

Von Christian Rost, Augsburg

Augsburg boomt. Die Arbeitslosenzahlen sind niedrig, die Mieten steigen im zweistelligen Prozentbereich und wenn der Zuzug weiter anhält, ist bald die 300 000-Einwohner-Marke geknackt. In diesem Umfeld floriert auch das Rotlichtgewerbe, zum Leidwesen der Stadtverwaltung. Mit einem sogenannten Bordellstrukturkonzept soll der Wildwuchs von Puffs nun eingedämmt werden. Am Donnerstag berät der Stadtrat über Maßnahmen, wie bestimmte Gebiete in Augsburg freigehalten werden können von Vergnügungsbetrieben dieser Art.

Dass das nicht ganz einfach ist, zeigt ein aktueller Fall, der am Dienstag am Bayerischen Verwaltungsgericht verhandelt wurde. Ein Bordellbetreiber will einen neuen Betrieb in einem Augsburger Industriegebiet durchsetzen. Das Rathaus will dies unbedingt verhindern.

Eine Sonntagszeitung hat sich vor drei Jahren die Mühe gemacht, bei den größeren Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern in Deutschland nachzufragen, wie viele Prostituierte in den Kommunen eigentlich arbeiten. Die genannten teils konkreten, teils geschätzten Zahlen ergaben, dass in Augsburg mit 244 je 100 000 Einwohner die meisten Prostituierten tätig sind. Hamburg mit seiner berühmten Reeperbahn landete nur auf Platz 16. Den zweifelhaften Ruf, beim Rotlicht die Nummer 1 zu sein, wäre Augsburg gerne los. Doch es kommen immer mehr Bordelle hinzu.

Aktuell will ein Betreiber im Stadtteil Lechhausen eine Lagerhalle in ein Laufhaus umwandeln. Das Gebäude befindet sich in einer als Industriegebiet ausgewiesenen Zone. Grundsätzlich dürfen sich Bordelle, bei denen es sich um Vergnügungsbetriebe handelt, in Gewerbegebieten von Städten mit mehr als 30 000 Einwohnern ansiedeln. Nicht aber in Industriegebieten, so zumindest die Auffassung der Augsburger Stadtverwaltung. Industriebetriebe verursachten Lärm, Gerüche und Erschütterungen, wofür Bordelle nicht bekannt seien, argumentierten Vertreter der Stadt am Verwaltungsgerichtshof. Zwar seien im 1990 aufgestellten Bebauungsplan für das Industriegebiet Rotlichtbetriebe nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden. Doch die Festlegung im Plan, dass das Areal für die Industrie reserviert sei, mache deutlich, dass Bordelle dort keinen Platz hätten. Außerdem habe die Stadt bereits "eine sehr hohe Dichte" an solchen Etablissements, so die Beamten.

Der Mann, der die Lagerhalle zum Laufhaus mit 47 Zimmern umbauen will, sieht das anders. Er klagte gegen die Stadt und bekam in einem ersten Prozess am Verwaltungsgericht Recht. Die Stadt verweigerte ihm jedoch weiter die Genehmigung für den Bordellbau und legte Berufung ein. Die Anwälte des Betreibers argumentierten am Verwaltungsgerichtshof, dass es sich beim genannten Areal "nicht um ein klassisches Industriegebiet" handle. Dort seien auch Büros, ein Fitnessstudio und ein Hotel zu finden.

Die Vertreter der Stadt hielten dagegen, dass sich davon abgesehen ganz überwiegend Firmen in dem Industriegebiet angesiedelt hätten, die sehr wohl mit Krach und Gestank aufwarten können: eine Asphaltmischanlage, ein Recyclingunternehmen für Schrott und Abfälle, die Motorenprüfstände der Firma MTU oder auch eine Gasturbine der Stadtwerke sorgen für Emissionen. Auf den noch freien Flächen im Industriegebiet Lechhausen wollte die Stadt ursprünglich weitere größere Unternehmen unterbringen. Die Pläne, Amazon oder zumindest eine Papierfabrik dort hinzulotsen, scheiterten aber. Jetzt hat das Rotlichtgewerbe den Standort für sich entdeckt, wogegen sich nicht nur die Stadt wehrt, sondern auch eine islamische Gemeinde, die in der Nachbarschaft ein Kulturzentrum betreibt.

Warum die Abneigung gegen Bordelle so groß ist

Die Entscheidung des Gerichts steht noch aus, unabhängig davon will die Stadt ihre Bebauungspläne nun aber so anpassen, dass "bordellartige Betriebe und Wohnungsprostitution" explizit ausgeschlossen sind. Dieser Plan ist Teil eines Bordellstrukturkonzepts, das Augsburg bereits 2014 bei einem externen Planungsbüro in Auftrag gegeben hatte und im Herbst vorigen Jahres vorgestellt wurde.

Die Abneigung gegen Bordelle hat mehrere Gründe. Im Umfeld solcher Betriebe siedeln sich gerne Spielhallen oder andere Läden mit Rotlichtbezug an, was die Stadtplaner als "Qualitätsverlust" für das betroffene Gebiet werten. Im Fachjargon heißt diese Entwicklung "Trading-Down-Effekt". Für Menschen, die in solchen Gegenden leben oder arbeiten, ergeben sich laut Stadt Nachteile und Belästigungen. Von "milieubedingter Unruhe" ist die Rede. Und es wird befürchtet, dass "mögliches anstößiges Verhalten" von Besuchern des Rotlichtbetriebs dem Ansehen benachbarter Unternehmen schadet.

Auch hinsichtlich der Entwicklung der Immobilienpreise sind Bordelle in der Nachbarschaft unbeliebt. Denn es ist keineswegs so, dass die Grundstückspreise in den Keller fallen. Laut Stadtverwaltung "führen Bordelle aufgrund der geringen Investitionen und der hohen Rendite regelmäßig zu deutlichen Preissteigerungen auf dem Grundstücksmarkt". Dies habe eine "Verdrängung oder Nichtansiedlung klassischer Gewerbe- und Industriebetriebe" zur Folge. Industrieflächen seien schlicht zu wertvoll, um dort Großbordelle zuzulassen.

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