Protokolle:"Rettungsschwimmer sind durch die Straßen geschwommen"

Hochwasser in Bayern

Mit Hubschraubern und Booten waren die Einsatzkräfte am Mittwoch unterwegs, um Menschen in Simbach aus den Fluten zur retten.

(Foto: Wolfram Zummach/dpa)
  • Sieben Tote - das ist die traurige Bilanz des verheerenden Hochwassers in Niederbayern. Zugleich herrscht Erleichterung: Es wird niemand mehr vermisst.
  • Wie haben Betroffene und Helfer die Katastrophe erlebt? Eindrücke aus dem Krisengebiet:

Von Isabel Meixner, Ana Maria Michel und Martin Moser

Sebastian Goller, 40, lebt mit seiner Familie in Anzenkirchen in der Gemeinde Triftern:

"Als ich Mittwochmorgen zur Arbeit gegangen bin, habe ich mir schon gedacht, dass der kleine Bach bei uns spinnt. Das Wasser im Altbach stand viel höher als normalerweise. Gegen Mittag kam dann das Hochwasser. Meine Frau war mit dem sechs Monate alten Baby zu Hause. Als ich nach Hause kam, waren die beiden schon nicht mehr da. Unsere Nachbarn sind Asylbewerber, sie konnten meine Frau dazu überreden, ins Auto zu steigen und wegzufahren. Wäre sie im Haus geblieben, wäre sie womöglich vom Wasser eingeschlossen worden. Ich selbst bin nicht mehr ins Haus gekommen, man stand da schon bis zur Hüfte im Wasser. In unserem Haus ist es 1,60 Meter hoch gestanden. Zum Glück ist es bei uns relativ schnell wieder abgeflossen. Als ich mir um 20 Uhr den Schaden anschauen wollte, war das Wasser schon weg.

Im Haus sah es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen, weil die ganzen Möbel umgestürzt sind. Das Erdgeschoss ist ein Totalschaden. Die Küche und alle elektronischen Geräte sind kaputt. Wir haben viele antike Holzmöbel, die sind auch alle beschädigt. Alle Türen sind kaputt. Von unserer Bibliothek mit etwa 900 Büchern sind nur wenige übrig geblieben. Im Moment kann ich die Höhe des Schadens schwer einschätzen.

Mittwochnacht sind wir bei Bekannten untergekommen, die etwa zwei Kilometer weit weg wohnen. Donnerstagmorgen haben wir direkt mit dem Aufräumen angefangen. Die Asylbewerber helfen uns, wir hatten im Laufe des Tages etwa vierzehn Helfer hier im Haus. Wir haben bereits das gesamte Erdgeschoss ausgeräumt. Der meiste Schlamm ist draußen. Es stinkt wahnsinnig, man muss immer wieder rausgehen, weil man es sonst nicht aushält. Und der Schlamm ist überall. Im Kühlschrank, in der Gefriertruhe und sogar in den Gefrierbeuteln.

Wir haben noch drei weitere Kinder zwischen neun und 14 Jahren. Ihr Spielzeug war im Erdgeschoss. Das ist jetzt auch alles kaputt. Die Kinder sind bei ihrem Vater, dem Ex-Mann meiner Frau. Wir wollen sie erst morgen ins Haus holen, wenn alles aufgeräumt ist. Es ist für sie so schon schlimm genug.

Aus dem Freundes- und Bekanntenkreis haben wir auch viel Hilfe bekommen. Wir haben ein Notstromaggregat hier, weil es keinen Strom gibt. Man hat uns einen Wasserstaubsauger ausgeliehen und einen Hochdruckreiniger für die Wände. Ich habe auch über einen Facebook-Post um Hilfe gebeten. Wir haben Essen und Trinken bekommen. Und einen zweiten Scheibenwischer, die sind sehr praktisch, um die Fliesenböden sauber zu bekommen.

Die Feuerwehr ist hier in der Gegend aktiv und pumpt vor allem Keller aus. Wir haben keinen Keller. Etwa die Hälfte des Ortes ist vom Hochwasser betroffen. Ich hätte nicht gedacht, dass das Wasser so eine Kraft haben kann."

Protokoll: Ana Maria Michel

"Das vergisst man sein Leben lang nicht"

Robert Bark, 31, hat den THW-Einsatz in Simbach als Leiter der Führungsstelle koordiniert. Er war schon bei mehreren Hochwasser-Einsätzen dabei - darunter an der Elbe und in Freilassing.

"Von Mühldorf aus habe ich mich mit meinen Kollegen vom THW auf den Weg nach Simbach gemacht: Wir mussten uns erst mal durch einen kilometerlangen Stau vor dem Ort kämpfen. Der Pegel war noch am steigen, als wir gegen halb vier endlich angekommen sind. Die Bilder und Filmaufnahmen von den Wassermassen, die man aus dem Internet kennt - diese Kameraleute standen direkt neben uns. Wir hatten das Ganze in live. Ich denke, das vergisst man sein Leben lang nicht.

Mein Auftrag war es zunächst, direkt an den Ort ranzufahren und den THW-Einsatz zu koordinieren. Später habe ich die Einsatzleitung aufgebaut. Wir sitzen da in einem Raum mit ganz vielen Karten, Whiteboards und taktischen Zeichnungen. Die Kollegen sind dann mit Booten los und haben Menschen im Ort gesucht. Es war nicht ganz einfach, an die Häuser zu gelangen - bei all dem Wasser.

Die Leute versucht man so gut wie möglich ins Boot zu bekommen und aus dem Gefahrenbereich zu retten. Ältere Personen, Kinder und ganz viele Haustiere: Katzen, Hunde, Hasen, das war alles dabei. Sie können sich vorstellen, als die Leute gesehen haben, wie das Wasser ansteigt, waren die sehr froh, dass wir gekommen sind und sie da rausgeholt haben.

Rettungsschwimmer sind in Simbach durch die Straßen geschwommen und haben Leute gesucht. Dazwischen unsere Boote und Hubschrauber, die über uns kreisen - teilweise drei oder vier gleichzeitig. Ich glaube, jeder kann sich vorstellen, was das für ein Eindruck in dem Moment ist.

Wobei man als Einsatzkraft dann trotzdem sehr konzentriert ist. Ich bekomme die Meldungen von den Einheiten und koordiniere die Kollegen. Wer, wohin, wie viel, mit was. Ich trage dann die Verantwortung, auch für das, was die Leute in meinem Führungsstab machen. So einen Einsatz von Hunderten Helfern kann eine Person alleine gar nicht stemmen, da hat man verschiedene Unterstützer.

Die ganze Situation in Simbach fühlt sich an wie ein Schatten. Besser kann man das nicht bezeichnen. Es herrscht Betroffenheit. Nicht nur weil Menschen gestorben sind, das ist natürlich das Schlimmste, was passieren kann. So viele haben jetzt ihre Häuser und Wohnungen verloren."

Protokoll: Martin Moser

"Ich habe ihn noch am Kragen erwischt"

Elmar Egger hatte Glück. Als der Simbach hinter seinem Haus zum reißenden Fluss wurde und den Ort unter Wasser setzte, stand er gerade im Keller, um Heizung und Strom abzuschalten. Das Auto hatte er schon aus der Tiefgarage gerettet und auf der Straße vor dem Haus abgestellt, das müsste ja eigentlich reichen.

Doch dass es an diesem Mittwoch keine normale Überflutung sein würde, das merkte Egger spätestens in dem Moment, als er seinen Kellergang fast mit dem Leben bezahlte. "Uns hat's die Haustür aufgerissen", berichtet er. Das Wasser schoss sofort eine halbe Etage tiefer in den Keller.

Er konnte sich gerade noch am Treppengeländer festhalten, sonst hätte in das Wasser mitgespült. "Ich habe ihn noch am Kragen erwischt", berichtet seine Frau Hallgerd, die gerade in der Nähe der Haustüre stand. Sonst... "Naja, ich bin ein guter Schwimmer", sagt der Südtiroler zwar, aber sein Blick zeigt auch: Er ist heilfroh, dass es nicht so gekommen ist. Er hätte ertrinken können, so wie die drei Frauen, Tochter, Mutter und Großmutter, in einer Straße nur 100 Meter weiter.

Seine Frau ist in Simbach aufgewachsen, hat schon so manches Hochwasser in Niederbayern miterlebt. Aber das hier? "Das kann man sich nicht vorstellen." Im Erdgeschoss des Hauses steht der Schlamm fast bis zu den Knien, die Wohnung der Eggers in der Etage darüber ist vom Hochwasser nicht betroffen. Aber ihr Auto, "das habe ich noch herumschwimmen gesehen, das liegt jetzt in einem Fahrradladen". Dafür haben die Wassermassen ein anderes, weißes in die Tiefgarage gedrückt.

Von Isabel Meixner

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: