Süddeutsche Zeitung

Prostitution in der Provinz:Hochburg für bezahlte Liebe

Lesezeit: 3 min

"Puffstandort Nummer eins": Ausgerechnet im beschaulichen Amberg bieten überdurchschnittlich viele Prostituierte ihre Dienste an. Die Stadt setzt sich für Sperrbezirke ein. Die Polizei hingegen befürchtet, ein Verbot könnte die Frauen in die Illegalität treiben.

Wolfgang Wittl

Die Stadt Amberg wirbt mit vielerlei Vorzügen: mit ihrer reichen Geschichte, mit ihren schmucken Gotteshäusern, mit ihrer mittelalterlichen Ringmauer, die zu den besterhaltenen Deutschlands zählt. Eine Sache verschweigt das örtliche Tourismusbüro allerdings, obwohl Amberg auch hier zur absoluten Spitze zählt. Keine andere Stadt weit und breit hat eine derartige Dichte an erotischen Etablissements zu bieten, doch damit soll jetzt Schluss sein. Denn die Regierung der Oberpfalz wurde gebeten, einen Sperrbezirk zu erlassen - am besten für das gesamte Stadtgebiet.

Für Florian Fuchs ist der Fall klar: Amberg sei der "Puffstandort Nummer eins" in der Oberpfalz, sagt der SPD-Fraktionschef, dessen Partei sich zuerst für einen Sperrbezirk einsetzte. Etwa 60 sogenannte Arbeitszimmer beherbergt die Stadt, angesichts einer Größe von 43.500 Einwohnern ein erstaunlicher Wert. Das ähnlich große Neumarkt bringt es gerade mal auf eine Handvoll solcher Zimmer, Probleme laut Polizei dort: keine. In Amberg hingegen klagten Anwohner über Lärm von betrunkenen Freiern, die sich schon mal in der Türklingel irrten, oder über den Wertverlust ihrer Häuser, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft befinden. Im Sommer könne man sogar eindeutige Geräusche aus offenen Fenstern hören.

Weshalb ausgerechnet das beschauliche Amberg zur Hochburg für bezahlte Liebe avancierte, darüber kann nur spekuliert werden. Allein in den vergangenen eineinhalb Jahren sei die Zahl der Zimmer und Prostituierten um mehr als 50 Prozent angestiegen, sagt Rechtsreferent Bernhard Mitko. "Vielleicht hat es ja mit der Nachfrage zu tun", scherzt ein Mann aus Neumarkt. Oder mit der Lage. Amberg befindet sich im Herzen der Oberpfalz und verfügt über ein großes Einzugsgebiet, zumal die Nachbarstadt Weiden seit schon fast 20 Jahren keine Prostitution mehr duldet. Auch der nahe gelegene US-Truppenstützpunkt Grafenwöhr dürfte das Geschäft, das angeblich hauptsächlich zur Mittagszeit stattfindet, beflügeln. Einheimische seien eher nicht anzutreffen, heißt es.

Rechtsreferent Mitko hat der Regierung einen Antrag geschickt, der drei Wege bereithält. Oberstes Ziel ist es, die Prostitution aus der ganzen Stadt zu verbannen. Sollte das nicht gelingen, soll es einen Sperrbezirk um alle Schulen, Kindergärten und religiösen Gebäude geben - oder, als Minimallösung, zumindest in der Altstadt. Oberbürgermeister Wolfgang Dandorfer (CSU) ist der Ansicht, es komme nicht darauf an, Prostitution zu verbieten, sondern Wohnbereiche mit Kindergärten und Schulen zu schützen. Auch Elternvertreter sähen darin bereits einen großen Fortschritt.

Das Problem ist nur: Die Amberger Prostituierten verhalten sich geradezu vorbildlich. Laut Polizei gibt es kaum einen Grund zur Beschwerde, dies hat Inspektionsleiter Robert Hausmann kürzlich erst bei einer Anhörung im Stadtrat deutlich gemacht. Ein weiterer Vorteil für die Beamten: Solange man den Standort der Etablissements kenne, sei das Milieu gut zu kontrollieren. Ein Verbot hingegen könne Prostituierte in die Illegalität treiben.

Aus Sicht der Polizei, die in erster Linie auf Sicherheit bedacht sei, könne er diesen Argumenten durchaus folgen, sagt Rechtsreferent Mitko, "aber das ist nicht unsere Stoßrichtung": Der Stadt gehe es um Jugendschutz, die Wahrung des sittlichen Anstandes sowie das äußere Erscheinungsbild. Denn anscheinend bietet Prostitution auch interessante Anreize für den Immobilienmarkt. Etliche Appartements befänden sich in heruntergekommenen Gebäuden, mit denen noch einmal gut Geld zu verdienen sei, wie Mitko festgestellt hat. Freiern sei es offenbar egal, wie die Häuser aussehen. Und Vermieter kassierten ab.

Für Bärbel Ahlborn, die Leiterin der Beratungsstelle "Kassandra" für Prostituierte in Nürnberg, wird "wieder einmal auf die falschen Leute losgegangen". Wenn die Stadt Probleme mit Vermietern habe, solle sie die doch mit denen lösen, nicht aber Prostituierte vertreiben oder in die Illegalität drängen. Ahlborn ist überzeugt, die Frauen ließen mit sich reden, etwa beim Verzicht von Rotlicht, das in Amberg ohnehin nur noch selten zu finden ist. Das Gewerbe lebt von der Diskretion. "Zu glauben, dass Prostitution durch ein Verbot verschwindet, ist eine Illusion", sagt Ahlborn.

Die Stadt wäre bereits zufrieden, wenn die Prostituierten nach Regensburg oder Nürnberg weiterziehen würden. In Städten unter 30.000 Einwohnern ist Prostitution ganz verboten, in Städten mit 30.000 bis 50.000 Einwohnern kann die Bezirksregierung Sperrbezirke schaffen. Ob es in Amberg dazu kommen wird, ist völlig offen. Den ersten Antrag der Stadt hat die Regierung vor wenigen Tagen mit einem vierseitigen Brief beantwortet, in dem sie weitere Informationen wünscht. Mancher Amberger hält die Diskussion über den "Puffstandort Nummer eins" sogar für ziemlich übertrieben.

Ein paar Menschen fürchteten wohl um den Wert ihrer Immobilien, heißt es. Dass sich der Stadtrat einstimmig für einen Sperrbezirk ausspricht, sei wenig verwunderlich. Wer würde sich schon öffentlich für Prostitution einsetzen? Doch der Markt sei offensichtlich vorhanden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1530660
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 23.11.2012
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.