Gerichtsverhandlung in Nürnberg:Der letzte Kunde soll der Mörder sein

Prozess gegen mutmaßlichen Mörder von zwei Prostituierten in Nürnberg

Der 22-jährige Angeklagte vor dem Landgericht München.

(Foto: dpa)
  • Ein 22-jähriger Arbeitsloser soll zwei Frauen in Nürnberg ermordet haben, die er für Sex bezahlte.
  • Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten zweimaligen Mord vor. Die Beamten fanden die DNA des Mannes an beiden Tatorten sowie auf dem Material, mit dem das erste Opfer erdrosselt wurde.

Von Claudia Henzler, Nürnberg

Um seine Lust zu steigern, soll er zwei Prostituierte gefesselt, gewürgt und ermordet haben. Am Dienstag hat vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts in Nürnberg der Prozess gegen Felix R. begonnen.

Der 22-jährige Nürnberger gab in einer kurzen, von seinem Anwalt verlesenen Stellungnahme zu, die beiden Frauen getötet zu haben, bestritt aber die Tötungsabsicht und damit den Mordvorwurf. Angaben zum Tathergang und zur Motivation werde sein Mandant nicht machen, kündigte Pflichtverteidiger Manfred Neder an.

Das Gericht wählte am ersten von voraussichtlich 15 Prozesstagen eine ungewöhnliche Maßnahme, um dennoch Aussagen aus erster Hand zu hören: Es ließ im Gerichtssaal die Videos abspielen, die am Tag der Verhaftung und am Folgetag bei den Vernehmungen aufgezeichnet wurden. Anwalt Neder hatte vergebens Widerspruch gegen diese Entscheidung eingelegt.

Bei seiner Festnahme im Juni 2017 ist Felix R. 21 Jahre alt, wirkt wegen seiner tiefen Stimme, einem schmalen Backenbart und der leicht korpulenten Figur aber älter. Man lernt ihn in den Videoaufzeichnungen als einen gesprächsbereiten Mann kennen, der von Hartz IV lebt und "ein- bis zweimal im Monat" zu Prostituierten geht.

Er ist damals in einer Pension für Wohnungslose untergebracht, in der er sich ein Zimmer mit drei anderen Männern teilt. Er erzählt den Beamten, dass er eine Lehre zum Koch begonnen hatte, dann aber erkannt habe, dass dieser Beruf ihn vermutlich in den frühen Herzinfarkt führen würde.

Später habe er für seinen Vater gearbeitet, in einer Firma für 3-D-Drucke, die pleite gegangen sei. In den Wochen, als die beiden Prostituierten starben, habe er sich nach einem Job und einem WG-Zimmer umgeschaut. "Ich versuche, mein Leben gerade wieder auf die Reihe zu kriegen", sagt er bei der Vernehmung. "Weil es echt scheiße gelaufen ist die letzten Jahre."

Regelmäßig hat er seiner Aussage nach Kontakt zu einer sozialen Einrichtung in Nürnberg, die sich um Jugendliche in Schwierigkeiten kümmert, ihnen etwa bei der Jobsuche hilft und auch Mittagessen anbietet. Felix R. erzählt den Beamten ganz unverblümt, dass er ja genug Geld habe, um für Sex zu bezahlen, weil er nichts für Unterkunft und Essen ausgeben musste.

Am liebsten hatte er ungeschützten Geschlechtsverkehr

Er berichtet außerdem, dass er am liebsten ungeschützten Geschlechtsverkehr habe und dass er Prostituierte lieber in sogenannten Modellwohnungen aufsuche als in Bordellen, weil das privater sei und "angenehmer".

Mit einer sehr behutsamen Fragetechnik lässt sich Felix R. von den Kripo-Beamten zu immer ausführlicheren Beschreibungen einladen, wie er im Mai und Juni 2017 Kontakt zu den beiden Prostituierten aufgenommen hat und was sich in den Wohnungen der Opfer zugetragen habe.

Sein oft bemühtes Lachen deutet darauf hin, dass er es als peinlich empfindet, mit den Beamten über die von ihm gewünschten sexuellen Dienstleistungen zu sprechen. "Was soll man sagen? Blasen, lecken, Verkehr. Duschen, reden, fertig." So sei es abgelaufen. Dass er sich ein Jahr später vor Gericht ein Video dieser Vernehmung ansehen musste, war Felix R. ebenfalls sichtlich unangenehm. Im Laufe des Prozesstags sackte der inzwischen bartlose Felix R. immer weiter zwischen den Schulterpolstern seines Jackets zusammen.

Schon nach gut einer Stunde haben die Beamten im Video aus Felix R. herausgelockt, dass er in den Tatnächten tatsächlich bei den Opfern war. Zunächst gibt er sich aber überrascht, deshalb für den Täter gehalten zu werden. Als er die Wohnungen verlassen habe, so versichert er mehrmals, sei alles in Ordnung gewesen.

Beim Abschied vom zweiten Opfer, einer 44-jährigen Frau mit chinesischem Pass, sei das zum Beispiel so gewesen: "Ich hab mich angezogen, wir haben uns noch mal gedrückt. Küsse." Dann sei er gegangen. "Ich weiß definitiv, dass ich nichts gemacht habe", betont er im Verhör. Und dass er freiwillig eine DNA-Probe abgegeben hat, sei ja wohl ein Zeichen seiner Unschuld: Er gebe zu, dass er bei den Frauen gewesen war und habe nichts zu verbergen. Erst bei der Vernehmung am nächsten Tag räumt Felix R. die Taten ein.

Zu Beginn der Gerichtsverhandlung hatte der leitende Ermittler vorgetragen, wie die Polizei auf die Spur von Felix R. gekommen war. Neben Sperma an beiden Tatorten fanden sie DNA auf dem Material, mit dem das erste Opfer, eine 22-jährige Frau aus Rumänien, erdrosselt wurde. Entscheidend waren außerdem Telefonverbindungsdaten. All das habe nahegelegt, dass Felix R. der "letzte Kunde" der beiden war.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten neben zweifachem Mord auch vierfachen Betrug vor. Er habe Anfang Juni vier Mobilfunkverträge abgeschlossen, um ohne Bezahlung an teure Handys zu kommen.

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