Abdullah Karaca im Porträt:Wer die Passionsspiele leiten soll

Abdullah Karaca im Porträt: Abdullah Karaca: Türke, Muslim und bald Vize-Spielleiter bei den Festspielen in Oberammergau.

Abdullah Karaca: Türke, Muslim und bald Vize-Spielleiter bei den Festspielen in Oberammergau.

(Foto: Stephan Rumpf)

Ein Muslim im Leitungsteam für die Oberammergauer Passionsspiele? Abdullah Karaca soll bald an der Seite von Christian Stückl Regie führen. Wer ist der 26-jährige Theaterprofi?

Von Egbert Tholl

Katholisch ist er nicht. Einen deutschen Pass hat er auch nicht. Dennoch wird am kommenden Montag aller Voraussicht nach Abdullah Kenan Karaca in Oberammergau zum stellvertretenden Spielleiter der Passionsspiele 2020 gewählt werden.

Eine Sensation? Eher eine zwangsläufige und völlig unaufgeregte Entscheidung. Karaca wurde 1989 geboren, in Garmisch-Partenkirchen, was nur daran liegt, dass es in Oberammergau kein Krankenhaus gibt. Dort eben, im Passionsspielort, wuchs er auf, als Sohn türkischer Eltern. Als er zehn Jahre alt war, fiel er Christian Stückl auf, weil der kleine Bub mit den dunklen Augen begeistert die Proben zum Pestspiel verfolgte. Also holte er ihn, nachdem er die Eltern schnell überredet hatte, dazu; ein Jahr später wirkte Karaca dann bei den Passionsspielen mit, und spätestens da war er mit dem Theatervirus infiziert. Da half auch der zeitweilige Umzug der Familie nach Garmisch nichts.

Mit 16 zog Karaca mit seinem älteren Bruder nach München in die Nähe des Volkstheaters, mit 20 wurde er Regieassistent bei Christian Stückl, beim "Jedermann" der Salzburger Festspiele, in Oberammergau bei den Zwischenspielen, mit denen Stückl die zehn Jahre zwischen den Passionen überbrückt, und am Volkstheater in München. Dort begann er auch zu inszenieren - inzwischen sind es drei eigene Arbeiten geworden. Die beiden letzten lieferte er ab, als er bereits zum Regie-Studium nach Hamburg gegangen war. Karaca wird 2016 ein fertig ausgebildeter Regisseur sein - "er ist der Einzige im Ort, der das gelernt hat", so Stückl.

Wäre es nach Karacas Familie gegangen, dann hätte er in Ankara Germanistik studiert. Er fing das Studium an - "auf den Gedanken muss man erst einmal kommen, Germanistik in Ankara", so Karaca. Kaum begann er also das Studium, schien dort sein Weg vorgezeichnet zu sein. Er hätte Dozent werden sollen, Professor gar. Angesichts dieser Festlegung packte ihn flugs das Grauen, die alte, nie abgelegte Leidenschaft flammte neu auf - und er ging zurück nach München, dann zum Studium seiner Wahl nach Hamburg.

In Oberammergau ist er der Türke, obwohl das niemanden sonderlich zu interessieren scheint. So meint Karaca auch, es sei doch bislang nicht vornehmlich ein Katholik gewesen, der die Passionsspiele dort leitete, sondern ein Mensch namens Christian Stückl. Ergänzen könnte man, dass nun dessen Stellvertreter wieder in erster Linie ein Mensch sei, eben Abdullah Kenan Karaca. Oder, wie Oberammergaus Bürgermeister Arno Nunn meint: "Karaca ist ein Oberammergauer wie jeder andere auch."

In Hamburg ist er nicht der Türke, sondern der Bayer, was er mit einer gewissen diabolischen Freude auch noch dadurch würzt, dass er eine FC-Bayern-EC-Karte besitzt, die dort in gewissen Lokalen nicht angenommen wurde. Vermutlich in Fan-Kneipen des HSV.

Karaca kann sich sehr gut vorstellen, irgendwann mit seiner eigenen Familie, seinen eigenen Kindern in Oberammergau zu leben. Natürlich, er sei mit dem Gedanken aufgewachsen, dass die Türkei Heimat sei. Er würde auch gar nicht sagen, dass er dort nicht hingehöre. Aber fremd sei im die Türkei, trotz diverser Aufenthalte bei Verwandten und in Urlauben halt doch. Fremd in dem Sinn, dass das Leben dort anders funktioniert und für ihn als freiheitsliebenden und theaterverrückten Menschen wohl doch einfach nicht das Richtige ist.

Einen deutschen Pass hätte er übrigens leicht haben können, schließlich ist er ja in Deutschland geboren. Doch dafür hätte er einen Sprachtest abliefern müssen, was ihm einfach zu albern war. Es geht ja ohne, und so wird es wahrscheinlich so sein, dass zum ersten Mal ein türkischer Muslim stellvertretender Spielleiter bei den Passionsspielen in Oberammergau wird. Mit vielleicht einer großen Zukunft dort: Stückl ist 54, Karaca 26. Und ein Theaterprofi.

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