Prima Leben und Stereo in Freising:Das Gute-Laune-Festival

Prima Leben und Stereo in Freising: Prima Leben und Stereo bei Freising. Nun wird 20-jähriges Jubiläum gefeiert.

Prima Leben und Stereo bei Freising. Nun wird 20-jähriges Jubiläum gefeiert.

(Foto: Marco Einfeldt)

Thees Uhlmann, Sänger von Tomte, sagte einmal: "Ich spiele hier in Freising das Konzert meines Lebens." Seit 20 Jahren gibt es das Prima Leben und Stereo am Vöttinger Weiher. Zur Jubiläumsfeier haben nach jahrelangen Anfragen endlich auch Tocotronic zugesagt.

Von Marco Maurer

Es ist das Jahr 1993. Bill Clinton wird US-Präsident, die fünfstelligen Postleitzahlen werden eingeführt, in Hamburg schließen sich Dirk von Lowtzow, Jan Müller und Arne Zank unter dem Bandnamen Tocotronic zusammen und "schreiben später Musikgeschichte". So in etwa steht es auf der Website des Freisinger Musikfestivals Prima Leben und Stereo (Plus) und daran anschließend der Satz: "Und die Jungs und Mädels von Plus veranstalten ihr ersten Open Air am Vöttinger Weiher."

Reinhard Fiedler ist einer dieser Jungs, die vor 20 Jahren mit dem Freisinger Festival begonnen haben, auf einer Wiese neben dem Vöttinger Weiher. Der heute 38-Jährige ist wie damals damit beschäftigt, das Festival zu organisieren und mit rund 20 seiner Helfer aufzubauen. Gut eine Woche vor dem Start hat Fiedler einen Plan in der Hand, auf dem fein säuberlich die Bauteile der Lautsprecher-Türme aufgezeichnet sind. 1993 genügte ihm für den Aufbau ein einziger Nachmittag.

Damals kam Fiedler leicht verkatert von der Abi-Fahrt des Camerloher-Gymnasiums nach Hause, schlief sich aus, stand am Nachmittag auf, stellte einen Grill neben die kleine Bühne, und abends spielten drei Freisinger Blues-Bands vor knapp 300 Leuten. Heute muss Fiedler - mittlerweile Architekt in Freising - drei Wochen Urlaub nehmen, um ein Festival für 5000 Besucher zu organisieren, auf dem schon Bands wie Notwist, Fehlfarben, Kaizers Orchestra oder Chikinki auftraten. Die hernach immer wieder lobend von dannen zogen und die Kunde von dem feinen Festival in die Popwelt trugen.

Thees Uhlmann, Sänger von Tomte, sagte einmal: "Ich spiele hier in Freising das Konzert meines Lebens." Auch sein Hamburger Kollege Frank Spiller (Die Sterne) resümierte: "Das ist alles immer so entspannt hier und trotzdem gut organisiert." Auch das Magazin Neon, das sich als Pulsmesser der Festival-Generation sieht, schrieb zuletzt, dass das Plus "das süßeste, tollste, schönste Festival gleich nach dem Immergut" sei.

Dem Pop-Niemandsland Freising Pop geschenkt

Reinhard Fiedler kennt natürlich all die Lobhudeleien, ebenso wie die selbstironische Passage im Netz, die den Vöttinger Weiher in eine Reihe mit Bill Clinton und Tocotronic stellt. Aber er ist sich auch dessen bewusst, dem Pop-Niemandsland Freising etwas Pop geschenkt zu haben. Das sagt er nur nicht. Dazu ist er zu zurückhaltend.

Vier junge Leute verlegen gerade Kabel in die ausgehobenen Erdlöcher, ein Flugzeug fliegt tief über das Gelände, Fiedler bemerkt es: "Wenn sich das Wetter verschlechtert, kürzen die Piloten immer extrem über unserem Weiher ab." Kurz darauf kommt tatsächlich ein Sturm auf. Einer der Helfer sagt grinsend: "Schön, dass es regnet, dann ist das Erdreich für unseren Aufbau lockerer."

Das Festival ist über die Jahre gewachsen. "Bis vor zehn Jahren war es ein Freisinger Fest. Und heute sind's kaum mehr Freisinger", sagt Fiedler, während er sich an einer Zeltstange festhält. Nach und nach hat man erst Münchner Bands, dann deutsche Bands, später ab und an internationale Künstler gebucht. Heutzutage ist es ein Popfestival mit vielen Facetten - von Gitarre bis Electro und Hip-Hop.

Wer wem ein Ständchen singt

Vor drei Jahren hat das Plus eine kritische Größe erreicht; das Festival war mit 5000 Besuchern ausgewachsen. Und das ist auch gut so - als mahnendes Beispiel dürfte das Melt in Sachsen-Anhalt dienen. Dort sieht man, was aus einem einst beschaulichen Festival geworden ist. "Aber der Platz hier gibt ja auch gar nicht mehr her", erwidert Fiedler. Ein Umstand, über den er ganz froh zu sein scheint. "Grundsätzlich haben die Vöttinger aber schon kleine Probleme mit uns." Er spricht über kreuz und quer parkende Autos während des Festivals und darüber, dass der See kurz nach dem ersten Augustwochenende nur "eingeschränkt zu empfehlen" sei.

Clara Winterhalter wohnt mit ihren acht WG-Mitbewohnern in der Bachstraße 20, dem ersten Haus neben dem Festivalgelände. Die Helfer werden vor dem Festival noch den WG-Gemüsegarten einzäunen, außerdem bekommt die 22 Jahre alte Lehramtsstudentin - wie 100 weitere direkte Anwohner - Freikarten fürs Festival. "Für uns ist es das Highlight des Jahres", sagt Clara. "Für die Bauern nicht, die beschweren sich anschließend über Tunnels in den Maisfeldern."

Spricht man einen dieser Bauern an, sagt er: "Darüber will ich nicht reden." Die Plus-Verantwortlichen arbeiten mit sieben Landwirten zusammen, die anderen Freisinger nützen häufig, so Fiedler, "ihren Sonntagsspaziergang, um zu schauen was hier Gigantisches los war".

Passiert ist in den 20 Jahren nie etwas. Das hänge mit dem "wahnsinnig entspannten Publikum zusammen", meint Reinhard Fiedler. Vielleicht aber auch mit den Organisatoren des Plus selbst. 2005 war Regisseur Christian Stückl unter den Besuchern. Ihm fiel die Entspanntheit der Plus-Verantwortlichen auf und fragte Fiedler, wie er es hinbekomme, dass immer "alle lächeln".

Fiedler zuckte nur mit den Schultern. Stückl wollte daraufhin unbedingt die Plus-Helfer beim Organisationsteam der Eröffnungsveranstaltung der Fußball-WM 2006 dabeihaben, sozusagen als "Gute-Laune-Motor", 50 Helfer sagten zu. Die WM wurde zum "Sommermärchen". Das sagt viel über den Geist des Festivals aus. Doch es kostet seinen Macher auch viel Energie. Fiedler will in den kommenden Jahren die Leitung einem Jüngeren übertragen. Ein Erbe fand sich bisher aber noch nicht.

Doch jetzt gilt es am kommenden Wochenende erst einmal "zu feiern, dass sich ein ewiger Wunsch erfüllt hat". Tocotronic werden nach jahrelangen Anfragen endlich spielen und gemeinsam mit dem Plus Geburtstag feiern. 1993 war ja Bandgründung - mal schauen, wer dann wem ein Ständchen singt.

Plus-Open-Air, Vöttinger Weiher bei Freising, Freitag und Samstag, jeweils ab 15 Uhr, Infos unter www.prima-leben-und-stereo.de

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