Porträt:Wie Felix Daxenberger mit dem Erbe seines Vaters umgeht

Porträt: Felix Daxenberger sieht seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich und ist genauso heimatverbunden. Er lebt auf dem Anwesen mit den Großeltern.

Felix Daxenberger sieht seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich und ist genauso heimatverbunden. Er lebt auf dem Anwesen mit den Großeltern.

Sein Vater Sepp war ein Solitär im politischen Bayern - und starb mit 48 Jahren an Krebs, drei Tage nach seiner Frau. Der älteste Sohn sieht seinem Vater zwar ähnlich - Berufspolitiker will er jedoch nicht werden.

Von Matthias Köpf

Es sind nicht mehr viele Bierkrüge, die da in den Regalen stehen und unter ihren Zinndeckeln an irgendwas erinnern. Eigentlich sind nur die schlichteren Modelle übrig, die mit der Aufschrift einer Brauerei zum Beispiel. Als nächstes ist die Vitrine mit den Taufkerzen und den kleinen Wachsstöcken und den Heiligenbildchen dran. Seine eigene Kerze wird er aufheben, den beiden Brüdern ihre geben, für den Rest interessiert sich hoffentlich eine Tante.

Und dann steht da in dieser Stube mit den ziemlich weißen Wänden noch dieses eine, einzige Foto auf dem terrakottafarbenen Sims des weiß verputzten Kachelofens. Es ist schon etwas angegilbt, zeigt ein Hochzeitspaar im herbstlichen Laub. Der Bräutigam sieht so aus, wie damals 1990 vielleicht auch der junge Mann ausgesehen hätte, der jetzt an dem leeren Tisch vor dem Kachelofen sitzt. Ja, das Foto, sagt Felix Daxenberger. Das wird er behalten. Aber wohin damit, das weiß er noch nicht. So lange steht es halt da droben am Ofen.

Felix Daxenberger wird bald 27. Der Mann auf dem Foto war ein Jahr älter, als er geheiratet hat, kurz nach der Geburt von Felix, dem ersten der drei Söhne. 2010 ist Sepp Daxenberger gestorben, mit 48 Jahren, nur drei Tage nach seiner Frau, die genau am Tag seines Todes beerdigt wurde. Er war ein Solitär im politischen Bayern, bei den Grünen sowieso, für die er 1984 zum ersten Mal in den Waginger Gemeinderat gewählt worden war.

30 Jahre später zog auch sein ältester Sohn in den Marktgemeinderat ein, auf Anhieb mit den zweitmeisten Stimmen in der ganzen Gemeinde, und auch er für die Bürgerliste, zu der einst sein Vater die Wahlliste der lokalen Grünen geöffnet hatte. Seither geht Felix Daxenberger in dem Rathaus ein und aus, in dem sein Vater von 1996 bis 2008 als Bürgermeister amtierte, damals als erster Grüner in Bayern.

Seit Kurzem ist Felix Daxenberger dritter Bürgermeister in Waging, seine Vorgängerin hatte das Amt abgeben wollen. Den Amtseid legte er neulich in Polohemd und Stoffhose ab, wie er auch sonst oft gekleidet ist. Der Felix, wie sie ihn hier nennen, mag dem Sepp selig wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich sehen mit seinen braunen Augen, den vollen Lippen, den festen Wangen - eine Kopie seines Vaters ist er nicht. Eine wollene Joppe zum Beispiel hat er gar nicht, eine Weste müsste aber im Schrank sein.

"Mei, vui schaung aus wie ihr Vater", sagt er nur, und wenn er zuletzt wieder dauernd den Satz "Wie der Vater, so der Sohn" zu hören und zu lesen bekommen hat, dann habe er immer ein bisschen grinsen müssen. "Er war ja nie dritter Bürgermeister, glaub ich." Der 26-Jährige geht mit dem Erbe seines Vaters unbefangen um. Er lässt sich auch einen Vollbart stehen in einer Länge, wie sie der Vater zu seinen zivileren Zeiten getragen hat. Das Stürmische, das Rebellische, der ganze Drang ist bei Felix Daxenberger nicht zu spüren.

Der Vater sei das Ganze wahrscheinlich schon ein bisschen aggressiver angegangen, habe immer alles ganz genau wissen wollen, von allen Seiten. So hat Felix Daxenberger das jedenfalls in Erinnerung, aber als Grüner Landesvorsitzender war der Vater bei aller Heimatliebe ja auch viel unterwegs. Wie er auf die Menschen gewirkt hat, welchen Respekt sie vor ihm hatten, das hat sein Sohn erst richtig verstanden, als er 2008 selber drei Tage mit ihm im Landtagswahlkampf unterwegs war.

Der Fahrer sollte mal frei haben, und so ließ sich der Vater vom Ältesten, der gerade den Führerschein gemacht hatte, zu den Auftritten fahren. "Und wie er da auf die Bühne hinaufgegangen ist, da war das ganze Bierzelt stad. Das musst erst einmal schaffen, dass ein Bierzelt stad is", sagt er.

Ob Felix mal ein zweiter Daxenberger bei den Grünen wird?

Dass er selber ein Bierzelt zum Schweigen brächte, glaubt Felix Daxenberger nicht. Hier in der Gegend schon gleich gar nicht, da würden ihm die Freunde von der Freiwilligen Feuerwehr und vom Faschingsverein nur Frotzeleien hinaufrufen, sagt er. Im Gemeinderat müsse er auch nicht unbedingt dauernd was sagen, es vergingen schon auch Sitzungen ohne eine Wortmeldung von ihm.

Als dritter Bürgermeister eine Sitzung leiten? Mei, das werde es kaum brauchen, "aber das täten wir schon zusammenbringen", sagt er über sich und seine Ratskollegen. Eine Waginger Grüne beschreibt ihn als einen, der nicht gern das große Wort führt, als ein bisschen verschlossen vielleicht sogar. Aber sie hat natürlich auch den Vater schon gut gekannt.

Genauso heimatverbunden wie der Vater

Ob Felix mal einer wird wie er? Ein zweiter Daxenberger bei den Grünen, den sie in Bayern so dringend gebrauchen könnten? Einer, hinter dem sich auch die Konservativen versammeln? Es sieht nicht danach aus. Felix selbst ist nicht Mitglied der Grünen, und momentan hat er auch nicht vor, es zu werden. Bundespolitisch zum Beispiel sei ihm da nicht alles recht, aber die grünen Ideen lägen ihm schon nahe. Für das Amt des dritten Bürgermeisters hat er sich nicht betteln lassen, sondern sich nach ein bisschen Überlegen schon selber zur Verfügung gestellt.

Porträt: Erinnerungen: Das Hochzeitsfoto von Gertraud und Sepp Daxenberger aus dem Jahr 1991 ziert den Kachelofen. Beide starben 2010 kurz nacheinander.

Erinnerungen: Das Hochzeitsfoto von Gertraud und Sepp Daxenberger aus dem Jahr 1991 ziert den Kachelofen. Beide starben 2010 kurz nacheinander.

(Foto: Nadine Schachinger - Herzflimmer)

Als er ein paar Jahre vorher gefragt worden war, ob er für den Gemeinderat kandidieren wolle, da habe er schon länger überlegt. Dass er dann nach dem Bürgermeister gleich die meisten Stimmen bekommen habe, das werde wohl schon an seinem Namen gelegen haben, sagt er. Und an den Nachbarn hier im Weiler Nirnharting, den Felix Daxenberger "Niarading" ausspricht, wie die meisten, die hier aufgewachsen sind. 170 werden sie mit den Neubauten vorne in der Siedlung bald sein, sagt Felix.

Er wohnt ganz hinten im Dorf, mit dem Auto geht es nicht mehr weiter, und die paar Radler und Walker, die vorbeikommen, kennt er alle. Der Hof ist keiner von denen, die hier schon seit Vierzehnhundertsoundso in der Landschaft stehen. Die Großeltern haben ihn in den Sechzigerjahren gebaut und den kleineren alten daneben verkauft. Unten hat der Großvater die Poststelle betrieben, die dann mit der Eingemeindung nach Waging aufgelöst wurde. Und den Balkon, der sich ein bisschen weiter hinauslehnt als die anderen hier, den hat schon der Sepp drangebaut, erzählt Resi Daxenberger, die Großmutter.

Sie und Sepp senior, ihr Mann, wohnen unten, oben Felix, und unter dem Dach gibt es Zimmer für Kilian und Benedikt, die jüngeren Brüder, heute 24 und 19 Jahre alt. Beide studieren und kommen nur hin und wieder heim. Der Jüngste hat sich besonders schwer getan nach dem Tod der Eltern, zwölf Jahre war er damals erst. Aber leicht war es auch für Felix nicht. Drei Waisenrenten sind nicht viel Geld. Sie sind wieder zurück ins Bauernhaus gezogen, um das Haus nebenan vermieten zu können.

Hier hatte die Mutter mit den Buben zuletzt gewohnt, als Sepp Daxenberger nicht mehr allzu viel daheim war, und das nicht nur wegen der vielen Termine. Wenigstens mussten sie irgendwann nicht mehr melken, mit der Umstellung auf Mutterkuhhaltung haben noch die Eltern kurz vor ihrem Tod begonnen und den Stall umgebaut. Die Tiere, die jetzt hier stehen, gehören Felix' Cousin.

Die größte Last haben all die Jahre die Großeltern getragen, beide gehen langsam auf die achtzig zu. "Es hat Tage gegeben, wo du meinst, jetzt geht es nicht mehr", sagt Resi Daxenberger, eine kleine Frau, die nicht aussieht wie 76, obwohl sie schon so viel gearbeitet und zwischenzeitlich fast genau so viel gehadert und gezweifelt hat. Längst geht sie wieder jede Woche in die Kirche, ihre Augen sind fröhlich.

Felix hat zuerst zwei Semester Forstwissenschaft studiert, aber die Arbeit im Wald ist ihm lieber als im Hörsaal zu hocken. Er hat dann Garten- und Landschaftsbauer gelernt und ist inzwischen als Außendienstler für einen Baustoffhändler im Südosten Bayerns unterwegs - gerade so weit, dass er abends daheim ist, denn weg will er hier nicht. Im Urlaub gerne, letztes Jahr Neuseeland, 2013 Brasilien. Praktischerweise arbeitet die Freundin im Reisebüro, bald wird sie hier einziehen. Das Hochzeitsfoto wird dann nicht mehr auf dem Kachelofen stehen.

Unten sitzen die Großeltern nach ihrem Tagwerk auf der Hausbank. Sie haben etwas geschafft, alle zusammen. Nicht nur an diesem Tag.

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