Süddeutsche Zeitung

Mitten in Bayern:Die Stoppeln des Niedergangs

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Der Kabarettist Gerhard Polt bekommt den Bayerischen Verdienstorden. Nicht der Rede wert. Sagt er selbst sogar. Eine eingehende Betrachtung verdienen aber die Veränderungen im Gesicht des Ministerpräsidenten, der ihm die Auszeichnung überreicht.

Glosse von Sebastian Beck

Gerhard Polt hat von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder den Bayerischen Verdienstorden verliehen bekommen. In der Redaktion hat natürlich sofort die Diskussion darüber begonnen, ob das ein berichtenswertes Ereignis sei oder nicht. Dagegen spricht ausgerechnet ein Satz von Polt selbst: "Jeder Preis sucht seinen Träger." Dem Münchner Merkur sagte Polt zur Ordensverleihung lakonisch: "Ich hab mir da jetzt keinen Kopf drum gemacht." Ja gut, dann halt nicht berichten, wenn es ihm so wurscht ist. Andererseits sind Ordensverleihungen ein super Gesprächsstoff in Kantinen, wobei es meistens um die drei Fragen geht: "Der? Die? Und haben die das verdient oder haben die bloß Beziehungen?" Also berichten.

Nach Polt hat der Orden erstaunlich lange gesucht, obwohl er ihn verdient hat. Der Kabarettist ist bereits 79 Jahre alt und ein bayerisches Nationaldenkmal, wahrscheinlich kommt er bald auf die Liste der immateriellen Kulturgüter der Unesco. Söder dagegen wurde im erstaunlich zarten Alter von 43 Jahren vom Verdienstorden gefunden, von einem Eintrag in die Denkmalliste ist er aber ebenso weit entfernt wie vom Kanzleramt. Bei der Verleihung des Verdienstordens trug Söder übrigens einen auffälligen Stoppelbart. In irgendeinem Lifestyle-Magazin stand mal, dass Männer sich in Krisenzeiten Bärte wachsen lassen. Beweis: CSU-Vize Manfred Weber trägt seit seiner Niederlage im Kampf um den Posten als Chef der EU-Kommission einen Vollbart. Polt hingegen war glattrasiert. Bartfotos sind von ihm nicht überliefert, es geht im also offensichtlich konstant gut. Das wäre also geklärt.

Bleibt noch die Frage: Ist das süffisant, dass ausgerechnet Polt von Söder den Verdienstorden verliehen bekommt? Antwort: Ja mei. In ihren Anfangszeiten haben sich Polt und die Well-Brüder tatsächlich oft an der CSU abgearbeitet. Sie ist ihnen dann aber irgendwann zu langweilig geworden. Das ist das eigentliche Krisenzeichen und womöglich einer der Gründe dafür, warum sich der Ministerpräsident einen Stoppelbart stehen lässt. Dabei hält das Werk von Gerhard Polt sogar Tröstliches für ihn bereit. Dem Spiegel hat er mal gesagt. "Die CSU wird Bayern überleben." Söder sollte seinen Rasierer vielleicht doch wieder aus dem Mülleimer holen. Und Polt ist zu wünschen, dass er weiter bartlos bleibt.

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