Polizistenmord von Augsburg:Staatsanwalt fordert lebenslange Haft

Polizistenmord-Prozess Augsburg

In Handschellen vor dem Landgericht: einer der beiden Angeklagten, die in der Nacht zum 28. Oktober 2011 einen Polizisten erschossen haben sollen.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Er habe aus Hass auf den Staat gehandelt: Im Prozess um den Mord an dem Augsburger Polizisten Mathias Vieth fordert die Staatsanwaltschaft die Höchststrafe für den Angeklagten. Im Plädoyer ist von eindeutigen Indizien die Rede - und von einer verräterischen Äußerung.

Von Hans Holzhaider, Augsburg

Einen ganzen Tag lang versuchten Rudi R., 58, und seine beiden Verteidiger Markus Meißner und Kai Wagler, das Ende der Beweisaufnahme im Prozess um die Ermordung des Polizeibeamten Mathias Vieth hinauszuzögern: Ein Beweisantrag jagte den anderen; schließlich, als die Verteidiger nicht mehr nachlegen wollten, stellte der Angeklagte selbst noch zwei Anträge - alles vergeblich. Am späten Nachmittag erteilte der Vorsitzende Richter Christoph Wiesner dem Staatsanwalt das Wort zu seinem Schlussvortrag, fast genau ein Jahr nach Prozessbeginn.

Zu welchem Ergebnis Hans-Peter Dischinger kommen würde, war abzusehen: Er forderte lebenslange Haft für Rudi R. für den Mord an Mathias Vieth, für versuchten Mord und Körperverletzung an dessen Kollegin Diana K., für diverse Raubüberfälle im Zeitraum von 2002 bis 2011 und den unrechtmäßigen Besitz einer veritablen Waffensammlung, darunter diverse Kalaschnikows, Pistolen verschiedener Marken, Handgranaten und mehr als 2500 Schuss Munition.

Raimund M., der ältere Bruder des Angeklagten, den die Staatsanwalt für den Mittäter hält, kann vorerst nicht verurteilt werden. Das Verfahren gegen ihn wurde ausgesetzt, nachdem ein Gutachter seine Verhandlungsunfähigkeit wegen einer schweren Parkinsonerkrankung festgestellt hatte. Raimund M. befindet sich zur Zeit in einer psychiatrischen Anstalt zur Beobachtung. Der Staatsanwalt und die Vertreter der Nebenkläger hegen den Verdacht, dass M. die Krankheitssymptome vortäuscht, um einer Verurteilung zu entgehen.

Angeklagter schon einmal wegen Mordes an Polizisten in Haft

"Es war ein Verbrechen, das bundesweit Aufsehen erregt und viele Bürger betroffen gemacht hat", sagte Staatsanwalt Dischinger. Rudi R. war schon einmal im Jahr 1976, als 19-Jähriger, wegen Mordes an einem Polizisten zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Fast 20 Jahre saß er im Gefängnis, ehe die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt und später erlassen wurde. Sein Bruder war bis zu seiner Verhaftung im Dezember 2011 völlig unbescholten. Er arbeitete zur vollen Zufriedenheit seines Arbeitgebers als Platzwart bei einem Tennisverein in der Nähe Augsburgs.

Im Prozess hatten beide Angeklagten von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Nur am ersten Prozesstag hatte Rudi R. sich geäußert und die Anklage als "Grimms Märchen" bezeichnet. Staatsanwalt Dischinger aber hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass Rudi R. einer der beiden Männer war, die in der Nacht des 28. Oktober 2011 von der Polizeistreife an einem Parkplatz am Kuhsee im Augsburger Stadtteil Hochzoll beobachtet wurden. Als Mathias Vieth und seine Kollegin Diana K. die beiden Männer kontrollieren wollten, flüchteten diese mit einem Motorrad. Nach einer wilden Verfolgungsfahrt kamen die Flüchtenden im Augsburger Stadtwald zu Fall. Als Vieth die Männer anrief, eröffneten diese sofort das Feuer. Der Polizist wurde von acht Schüssen aus einer Pistole und einer Kalaschnikow getroffen. Diana K. wurde von einer Kugel am Halfter ihrer Dienstpistole getroffen; nur ihre Schutzweste bewahrte sie vor einer schweren Verletzung.

Dass es sich bei den Männern auf dem Motorrad um Rudi R. und seinen Bruder handelte, ergibt sich nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft aus einer Vielzahl von Spuren. Zwar konnte keine der Waffen, die in mehreren Behältnissen im Keller der Wohnung von M.s Tochter und auf dem Anwesen seines Schwagers gefunden wurden, als vollständige Tatwaffe identifiziert werden. Sie waren offensichtlich mehrfach zerlegt und mit anderen Waffenteilen wieder zusammengebaut worden. Auf einzelnen Teilen und einem Magazin fanden sich aber DNA-Spuren, die Rudi R. zuzuordnen waren.

Am Tatort wurden Patronenhülsen gefunden, die nach Einschätzung eines Sachverständigen aus einer der bei Raimund M. gefundenen Kalaschnikows verfeuert wurde. Auf dem Visier eines Motorradhelms, das am Tatort gefunden wurden, befanden sich DNA-Spuren von Raimund M. Als besonders aussagekräftiges Beweismittel wertete der Staatsanwalt einen Seesack, der ebenfalls bei dem ehemaligen Mitangeklagten Raimund M. gefunden wurde. Er wies Blutspuren auf, die von dem getöteten Polizeibeamten Mathias Vieth stammten.

Verräterisches Wissen

Abgesehen von diesen aus Sicht des Staatsanwalts eindeutigen Indizien hatte Rudi R. sich aber auch durch seine spontane Äußerung während der Zeugenaussage eines Polizeibeamten verraten. Da hatte er davon gesprochen, dass die Täter von der Taschenlampe des Polizisten geblendet worden seien. Von einer Taschenlampe war aber bis dahin in den Akten nirgends die Rede. Mit dieser Äußerung habe R. Täterwissen verraten, sagte Dischinger. Die Aussage eines Mitgefangenen R.s, so Dischinger, lasse darauf schließen, dass Rudi R. es war, der die tödlichen Schüsse auf den schon am Boden liegenden Vieth abgegeben habe. Es sei aber erwiesen, dass beide Täter geschossen hätten. Dass Raimund M. wegen seiner Krankheit nicht als Täter infrage komme, sei durch viele Zeugenaussagen über dessen körperliche Fitness widerlegt, sagte Dischinger.

Offensichtlich, so der Staatsanwalt, hätten Rudi R. und sein Bruder in der Tatnacht einen weiteren Raubüberfall begehen wollen und auf die Polizeibeamten geschossen, um sich der Festnahme zu entziehen. Die Tat sei als Mord aus niedrigen Beweggründen zu werten, auch das Mordmerkmal der Heimtücke sah Dischinger als erfüllt, weil der Polizist nicht mit dem Schusswaffengebrauch gerechnet habe. R. habe außerdem aus Hass auf den Staat und auf Polizeibeamte gehandelt, wie sich aus vielen seiner Äußerungen ergebe. Es könne nur eine Strafe geben: lebenslange Haft.

Zudem forderte er die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld - und eine anschließende Sicherungsverwahrung.

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