Polizisten in Afghanistan:"Ein Restrisiko ist nie auszuschließen"

Zwölf bayerische Polizisten sind bereits in Afghanistan. Trotz aller Gefahr will Innenminister Herrmann bald weitere Beamte entsenden.

Interview: A. Ramelsberger

Nach jahrelanger Weigerung hat auch Bayern im vergangenen Dezember Polizisten nach Afghanistan geschickt. Sie sollen dort ihre afghanischen Kollegen ausbilden und für mehr Sicherheit sorgen. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) besucht derzeit die Beamten am Hindukusch - mit zwiespältigen Eindrücken.

Süddeutsche Zeitung: Seit gerade mal vier Monaten ist eine Handvoll bayerischer Polizisten in Afghanistan. Und schon kommt der Innenminister und schaut nach dem Rechten. Viel Fürsorge für so wenige Beamte.

Joachim Herrmann: Immerhin sind es zwölf Polizisten, die wir nach Afghanistan geschickt haben, und es werden auch noch mehr werden, mindestens 15. Und natürlich geht es um Fürsorge. Ich verschaffe mir hier persönlich einen Eindruck davon, ob der Einsatz sinnvoll ist. Ich habe mich mit bayerischen Beamten getroffen, aber auch mit Polizisten von der Bundespolizei, die schon zum zweiten und dritten Mal hier sind.

SZ: Und ist der Einsatz sinnvoll?

Herrmann: Ganz klar ja. Ich habe nur positive Einschätzungen von den Beamten bekommen. Kein Einziger hat seine Entscheidung bereut, hier Dienst zu tun und für mehr Sicherheit zu sorgen. Der Einsatz der Polizisten wird in Afghanistan auch von der Bevölkerung sehr positiv wahrgenommen.

SZ: Deutschland ist seit fast acht Jahren für den Polizeiaufbau in Afghanistan verantwortlich. Die Aufgabe gilt als weitgehend gescheitert: Viel zu wenig Engagement, zu wenig Leute und zu wenig Geld wurden eingesetzt.

Herrmann: Es hat Fehler und Defizite gegeben. Aber wir sind jetzt auf einem guten Gleis. Das müssen wir nun qualifiziert weiterführen.

SZ: Da spricht der Richtige. Gerade Bayern hat sich all die Jahre gewehrt, in Afghanistan mitzuhelfen, und hat keinen einzigen Polizisten entsandt. War das ein Fehler?

Herrmann: Ich will jetzt nicht in der Vergangenheit kramen. Aber wenn man so etwas macht, muss man es auch richtig machen. Das heißt, auch mit der richtigen Menge an Beamten. Bis zum Sommer sollen 200 Beamte aus Deutschland dort Dienst tun. Bayern ist dabei und wird kontinuierlich mitmachen. Wir machen das gern und mit Überzeugung. Die europäische Polizeimission Europol will sogar noch mehr deutsche Polizisten.

Lesen Sie auf Seite 2, wie Innenminister Herrmann die Sicherheitslage bayerischer Polizisten in Afghanistan beurteilt.

"Die Beamten gehen freiwillig"

SZ: So richtig gut geht es nicht voran. Noch immer laufen große Teile der zuerst vom Westen ausgebildeten Polizisten zu den Taliban oder zu Warlords über.

Herrmann: Das stimmt, die Schwundquoten sind hoch. Es gibt immer jemanden, der die Fronten wechselt, weil er dort besser bezahlt wird oder weil er Angst vor den Taliban bekommt. Wir wollen die Schwundquoten verringern.

SZ: Machen Sie sich in dieser unübersichtlichen Situation Sorgen um die bayerischen Polizisten?

Herrmann: Nein. Es gibt im Polizeiberuf überall ein Restrisiko. Die Areale, auf denen die Beamten ihre afghanischen Kollegen ausbilden, sind umfriedet und werden von der Bundeswehr bewacht. Das ist relativ sicher. Und auf Streife begleiten die deutschen Beamten die afghanischen Kollegen nur dort, wo es die Sicherheit erlaubt.

SZ: Und wenn es nicht sicher ist?

Herrmann: Die Sicherheitslage ist von Distrikt zu Distrikt verschieden. Dort, wo die Sicherheitslage riskant, aber überschaubar ist, begleitet die Bundeswehr die Polizeistreifen. Dort, wo es unsicher ist, gehen die deutschen Beamten nicht hin. Die Eigensicherung hat absolute Priorität. Die Beamten gehen keine unvertretbaren Risiken ein.

SZ: Ihr Vorgänger Günther Beckstein hatte genau davor Angst. Dass bayerische Polizisten in Särgen zurückkehren. Aus diesem Grund hat er die Entsendung von Polizisten nach Afghanistan abgelehnt. Eine übertriebene Sorge?

Herrmann: Ich respektiere, wie Günther Beckstein das gesehen hat. Aber ein Restrisiko ist nie auszuschließen. Die Beamten gehen freiwillig hierher und wägen das Risiko persönlich für sich ab. Wir sollten den Beamten dankbar sein für ihren Einsatz.

SZ: Haben Sie sich für den Einsatz der Bayern in Afghanistan entschieden, damit endlich die Kritik der anderen Länder am Freistaat verstummt?

Herrmann: Das ist Schnee von gestern. Der Einsatz ist wichtig.

SZ: Kritiker sagen, der Polizeiaufbau in Afghanistan sei schon gescheitert.

Herrmann: Er ist nicht gut vorangekommen. Aber wir haben aus den Fehlern gelernt. Weder die Afghanen noch der Westen hatte ein Konzept, wie man das hier richtig macht. Aber nun wurden Polizeitrainingscenter eingerichtet, und der afghanische Staat zahlt die Polizisten besser. Mit Hungerlöhnen ist kein Polizist zu halten.

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