Weniger als fünf Monate nach dem Prozess in Rosenheim muss sich jetzt in Passau erneut ein bayerisches Gericht mit einem Polizeieinsatz auseinandersetzen. Wie bereits im überraschend eingestellten Rosenheimer Verfahren sitzen erneut nicht die Beamten auf der Anklagebank, sondern in diesem Fall der Passauer Augenarzt Siegfried Bauer - wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung.
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Immer wieder eskalieren Polizeieinsätze. Beamte schlagen zu oder schießen - doch die Ermittlungen gegen sie werden meist rasch eingestellt. Fälle aus Bayern.
Im März 2011 hatte er eine rote Fußgängerampel missachtet und sei dann weitergeradelt, so die Anklageschrift, trotz Aufforderung der Beamten stehen zu bleiben. In der Folge kam es zu dramatischen Ereignissen, an deren Ende der Augenarzt eine schwere Kopfverletzung hatte und einer der beiden Polizisten in den Folgetagen wegen einer Handverletzung nicht mehr zum Dienst antrat.
Beim Verfahrensbeginn am Donnerstag im Passauer Amtsgericht hätten die Schilderungen der Vorgänge nicht weiter auseinanderliegen können. Siegfried Bauer, der seinerseits Anzeige wegen Körperverletzung erstattet hatte, sagte erneut aus, er sei das Opfer einer regelrechten Gewaltorgie geworden: "Der Beamte hat mich vom Fahrrad mit brachialer Gewalt auf den Teer geschmettert." Die beiden Polizisten, die als Zeugen auftreten, bestreiten das vehement: Die schweren Verletzungen habe sich der Angeklagte zum Teil selbst zu verdanken, weil er sich später im Präsidium einfach auf den Boden habe fallen lassen.
Doch die beiden Beamten - hart befragt durch Bauers Verteidiger Hartmut Wächtler - verwickeln sich mehrmals in Widersprüche. War in ihrem Einsatzbericht noch davon die Rede, der Augenarzt sei vom Rad abgestiegen und habe versucht, zu Fuß zu fliehen, korrigierte einer der Polizisten vor Gericht, Bauer sei "wie wild mit dem Fahrrad davongefahren" und einer der Polizisten habe gerade noch den Gepäckträger zu fassen gekriegt.
Schließlich sei Bauer gegen einen Ampelmasten geprallt und mit dem Rad umgekippt. Auf die Fragen des Verteidigers und des Richters, warum das nicht im Einsatzbericht stehe, erklärte der Beamte: "Das ist mir erst viel später wieder eingefallen."
"Ein einziger Inquisitionsprozess"
Rechtsanwalt Wächtler, der bereits die Rosenheimer Familie nach dem dortigen Polizeieinsatz vertreten hatte, fand es eigenartig, dass der Einsatzbericht ohne Aktennummer auf ganz normalem Papier verfasst worden ist, nicht auf den sonst in Präsidien üblichen Formularbögen. Auch sei fraglich, ob es nicht mehrere Versionen der Fallschilderung gebe. "Die erste Fassung", räumte einer der Beamten ein, sei überarbeitet worden.
Wächtlers scharfe Befragung der Beamten stieß beim Vertreter der Passauer Staatsanwalt auf erhebliches Missfallen, auch Richter Stefan Ehrhardt zeigte sich genervt. Josef Eder, der als ehemals selbst Betroffener von Rosenheim nach Passau gereist war, sagte in der Sitzungspause: "Bereits bei uns war es ein einziger Inquisitionsprozess, und auch hier zeigt sich wieder: Es wird seitens der Polizei gelogen und manipuliert, und der Staatsanwalt sowie der Richter stehen auf ihrer Seite."
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Aus Sicht der Staatsanwaltschaft wiederum hat Bauers mangelnde Bereitschaft, den Weisungen der Beamten zu folgen, "zum Einsatz von Zwangsmitteln" geführt. Es gibt allerdings mehrere Zeuginnen, die Bauers Version bestätigen. Eine von ihnen ist Annette R. aus Fürstenzell. Von der gegenüberliegenden Straßenseite hatte sie in der fraglichen Nacht miterlebt, wie ein dunkel gekleideter Mann einem Radler hinterherrannte und nach ihm griff. "Der hat ihn abrupt gepackt und ohne Vorwarnung vom Rad zu Boden gerissen - mit vollster Brutalität", sagt sie.
Erst kurz darauf habe sie bemerkt, dass es sich bei dem Verfolger um einen Polizisten handelte, der von einem Kollegen unterstützt wurde. Für das harte Einschreiten, so ihre Einschätzung, habe es keinen Anlass gegeben: "Der Radler hat mehrmals geschrien: ,Ich wehre mich nicht, ich wehre mich nicht!'" Schließlich habe man ihn "wie ein Schlachtvieh oder so eine Mülltüte ins Auto" geworfen.
Trotz dieser Aussagen hatte die Staatsanwaltschaft Passau das Ermittlungsverfahren gegen die Polizeibeamten im April dieses Jahres eingestellt. Straftaten seien ihnen "nicht mit der für eine Anklageerhebung zu fordernden Sicherheit nachzuweisen". Weiter hieß es: "Soweit seitens der Zeuginnen ausgeführt wird, sie seien über die Brutalität des Polizeieinsatzes entsetzt gewesen, mag dies auf die Unkenntnis des Gesamtgeschehens zurückzuführen sein."
Der Prozess wurde am Nachmittag unterbrochen, der Staatsanwalt will auf Einstellung des Verfahrens plädieren.