Süddeutsche Zeitung

Polizei und Rettungskräfte:Im Funkloch

Polizei und Rettungskräfte in Bayern sollen digital funken - irgendwann zumindest. Seit 15 Jahren wird die Einführung vorbereitet, doch jetzt hat München das Projekt gestoppt - und der Freistaat schimpft auf Berlin.

Mike Szymanski

Die Einführung des Digitalfunks für Polizei und Rettungskräfte in Bayern ist abermals ins Stocken geraten. Hinter den Kulissen ist ein Streit zwischen dem Freistaat und der mit der Umsetzung beauftragten Berliner Bundesanstalt für den Digitalfunk sowie den Firmen entbrannt, welche die Technik für den Digitalfunk liefern. Es geht darum, wer für Fehler haftet, um Nachzahlungen und ein offenbar unzureichendes Projekt-Management der Bundesanstalt. Die Folge: Die Polizei in München, die längst den Digitalfunk einsetzen sollte, funkt nun wieder wie früher analog, weil die Technik im Probebetrieb versagt hat.

Der Testlauf bei der Münchner Polizei, die die neue Technik für Bayern ausprobieren sollte, musste Mitte Februar nach zweieinhalb Monaten abgebrochen werden. Die Sprachqualität war im Digitalnetz so schlecht, dass sich die Beamten nicht verstanden. Auch hätten sich Geräte in falsche Funkzellen eingewählt. Die Münchner Polizei vertraut der Technik jedenfalls noch nicht. "Es wird bei uns nach wie vor analog gefunkt", sagte ein Sprecher. Das heißt aber auch: Polizei und Rettungskräfte können nicht direkt kommunizieren, an den Ampeln rauscht es meist so, dass die Töne aus den alten Funkgeräten unverständlich sind.

Die Hoffnung auf eine rasche Lösung ist mittlerweile geschwunden. Nach Informationen der SZ wird die Fehlersuche von einem Streit überlagert - niemand will an dem Debakel schuld sein und womöglich in Haftung genommen werden. Die Probleme sind grundsätzlicher Natur. Offenbar ist versäumt worden, eine Firma mit der Prüfung zu beauftragen, ob die vielen Einzelkomponenten für den Digitalfunk zusammenpassen. Nun besteht der Verdacht, dass jede beteiligte Firma womöglich für sich durchaus intakte Technik geliefert hat, aber dass die im Zusammenspiel nicht funktioniert.

Ursprünglich hatten der Freistaat Bayern und die Bundesbehörde in Berlin den Fehler bei der Systemtechnik vermutet, die die Firma Cassidian liefert, die Rüstungstochter im EADS-Konzern. Aus Dokumenten, die der SZ vorliegen, geht hervor, dass die Behörden den Testlauf abgebrochen haben, weil in der Systemtechnik Fehler der "Priorität 1" aufgetaucht sind: Durch derart schwerwiegende Mängel erübrigt es sich, den Probebetrieb fortzusetzen. Jedoch bestreitet die Firma Cassidian, dass der Fehler an ihrer Technik liege. Die Probleme müssten von anderen Komponenten verursacht worden sein.

Nach SZ-Informationen kann Cassidian bei der Behebung der Probleme helfen, aber das würde über die vertraglich vereinbarten Zahlungen hinaus Geld kosten. Allein für Messungen dürften Kosten von 30.000 Euro anfallen. Wer dafür aufkommt, ist offen. Bei den Bayern ist die Bereitschaft nicht ausgeprägt, noch mehr Geld für den Digitalfunk auf den Tisch zu legen. "Der Freistaat Bayern ist Kunde. Wir bestehen auf einwandfreie Qualität", sagt Innenstaatssekretär Gerhard Eck, der für den Aufbau des Digitalfunks in Bayern zuständig ist.

Die Berliner Bundesanstalt für den Digitalfunk räumt zwar Probleme ein, weigert sich aber, detaillierter auf den Sachverhalt einzugehen. Die Firma Cassidian lehnt eine Stellungnahme komplett ab und verweist auf die Bundesanstalt. Innenstaatssekretär Eck aber macht seinem Ärger Luft: "Es ist übersehen worden, das Zusammenspiel zu überprüfen. Damit war keine Firma beauftragt", sagt Eck. "Hier müssen wir gemeinsam eine Lösung finden, damit die Probleme nicht wieder auftauchen."Erst einmal geht es aber darum, die Technik überhaupt zum Laufen zu bringen. "Wir erwarten, dass die Fehler so schnell wie möglich behoben werden", sagt Eck. Weitere Verzögerungen könne man sich nicht leisten.

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Quelle:
SZ vom 26.04.2011/tob
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