Süddeutsche Zeitung

Politischer Aschermittwoch:Hau-Drauf mit Verrenkung

Politischer Aschermittwoch als brachiale Hau-Drauf-Veranstaltung? Das war einmal. Im Superwahljahr verkneifen sich CSU-Chef Seehofer und SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück grobe Ausfälle. Sieger im Einstecken und Austeilen wird ein Liberaler. Wie sich die Polit-Prominenz in Niederbayern geschlagen hat.

Früher war bekanntlich alles besser, auch der politische Aschermittwoch der CSU. Früher ließen die Parteigranden den politischen Dreschflegel zum größten Amüsement Gleichgesinnter auf dem Gegner los. Es gab was zum Lachen, zum Gröhlen, zum Feixen. Zünftig ging es zu, irgendwie urgewaltig.

Darin liegt die Berühmtheit dieser Veranstaltung begründet. Deshalb kommen immer noch Tausende zur CSU, dem "größten Stammtisch Deutschlands". 7000 sind es diesmal. Großzügig gezählt von der Partei. Großzügig zu zählen ist auch dringend nötig, denn sonst würde ausgerechnet die SPD der CSU hier das Wasser abgraben. Für den Alleinvertretungsanspruch der CSU ist die Veranstaltung allerdings: ein Desaster. Vor allem, da am Aschermittwoch die Symbolik seit jeher bedeutender ist, als es die Inhalte sind.

Diese handgezählten 7000 Menschen bekommen im Wahljahr 2013 in Passau nicht das, was sie sich zuvor erhofft hatten. Es sind eher zurückgenommene, fast ein wenig blutleere Reden, die der Parteivorsitzende Horst Seehofer und CSU-Senior Edmund Stoiber, halten.

Sie enttäuschen beide. Nach Aschermittwoch-Maßstäben. Aber um Überzeugungsarbeit an der Basis geht es hier ohnehin nicht: Die Stimmen derjenigen, die hier sind, hat Seehofer im September sowieso sicher. Was der Ministerpräsident sichtbar vermeiden möchte: Es sich mit den unentschlossenen Wählern zu verscherzen. Zu populistisch, zu kraftmeierisch zu wirken.

Seehofer übertreibt in seiner Rede nicht. Ein paar Spitzen gegen den SPD-Kanzlerkandidaten und die bayerischen Sozialdemokraten setzt er, auch indem er den Namen seines bayerischen Herausforderers überhaupt nicht in den Mund nimmt. Er ist im Landesvatermodus, nicht im Wahlkampfmodus und macht so - auch mit angeschlagener Stimme - letztlich nichts verkehrt. Immerhin.

Angriffslustigster Satz: "Lieber den Mund halten, als die Hand aufhalten!" (Seehofer über Steinbrück)

Überzeugendster Auftritt: Wenn es nach den CSU-Fans in Passau geht, dann der von Generalsekretär Alexander Dobrindt ganz am Ende. Der hantiert nämlich wirklich mit dem verbalen Dreschflegel - vor allem gegen die Grünen. Sind eben immer noch der Lieblingsfeind hier.

Peinlichster Moment: Edmund Stoiber tritt ans Rednerpult. "Edmund, Edmund, Edmund"-Sprechchöre dröhnen durch die Halle. Durch welche Halle gleich nochmal Herr Stoiber? "Die Nibelungenhalle", ruft er. Gelächter. "Äh, die Nibelungenhalle in der Vergangenheit", versucht sich Stoiber zu retten und schiebt hinterher: "Heute in der der Dreiländerhalle". Nicht hochnotpeinlich natürlich, aber ein echter Stoiber.

Text: Sebastian Gierke

Für die SPD ist der Tag in Vilshofen ein Erfolg. Das große, volle Zelt, das ist die eigentliche Botschaft ihres politischen Aschermittwochs. Größer angeblich als die Halle der CSU im zwanzig Kilometer entfernten Passau. "Das ist die größte politische Aschermittwochsveranstaltung, die Bayern je gesehen hat", sagt Generalsekretärin Natascha Kohnen dann auch zur Begrüßung.

Als Erfolg kann man wohl auch verbuchen, dass keiner der Redner einen Bock schießt, immerhin ist Peer Steinbrück zu Gast. Der Kanzlerkandidat aus Norddeutschland mit dem trockenen Humor schlägt sich erstaunlich gut in der niederbayerischen Provinz. Seine Rede ist kurzweilig und der Ex-Finanzminister spricht nicht nur über Banken, sondern streift alle aktuellen politischen Themen und präsentiert sich seriös und selbstbewusst ("Ich spiele nicht auf Platz, ich setze auf Sieg"). Bei den nicht gerade erfolgsverwöhnten Genossen in Bayern kommt das gut an. Zum Schluss gibt sich Steinbrück dann auch noch volksnah, schreibt Autogramme, plaudert mit den Anhängern, nimmt sich Zeit für Schnappschüsse.

Dass auch Christian Ude gut ankommt in Niederbayern, war zu erwarten. Seine Rede, die sehr ins Detail geht, wirkt an manchen Stellen allerdings fast ein wenig zu intellektuell für ein Bierzelt. Die Inszenierung funktioniert trotzdem. Die "Ude-Ude"-Sprechchöre sind durchaus eindrucksvoll und der Kandidat scheint sich dieses Mal deutlich wohler bei seinem Aschermittwoch-Auftritt zu fühlen - auch wenn Glanzstücke seiner Rede eher nicht in Erinnerung bleiben werden. Immerhin zeigt die Reaktion, dass Ude auch außerhalb der Landeshauptstadt Heimspiele haben kann.

Durchaus gut gelaufen also für die SPD. Ein außergewöhnliches Highlight ist dieser politische Schlagabtausch aber nicht. Gerade, was die Hemdsärmeligkeit angeht, könnten vor allem die bayerischen Genossen durchaus noch ein wenig zulegen.

Angriffslustigster Satz: "Schwarz-Gelb ist so beliebt wie Blinddarm-Entzündung und Wurzelbehandlung auf einmal." (Peer Steinbrück)

Überzeugendster Auftritt: Steinbrück, dem viele in Vilshofen so viel Volksnähe und Bierzelttauglichkeit gar nicht zugetraut hätten. ("Dann kann ich es ja kurz machen: Wählt am 15. September Christian Ude, wählt am 22. September mich, dann wünsche ich euch noch einen schönen Tag, bringt mehr Bier rein.")

Peinlichster Moment: Bayerns SPD-Chef Pronold zeigt einen Kalender, den Verkehrsminister Ramsauer als Geschenk "auf Kosten der Steuerzahler" verschickt habe. Darauf ist riesengroß Ramsauer selbst abgebildet. Zum Bravo-Starschnitt habe es wohl nicht gereicht, bemerkt Pronold. Vielleicht ist der eher farblose Pronold einfach ein bisschen neidisch.

Text: Beate Wild

Wie macht sich Rainer Brüderle? Wird er auf die "Dirndl-Affäre" eingehen? Welche Spuren hat die Sexismus-Debatte bei ihm hinterlassen? Diesen Fragen beschäftigt die Presse und die Liberalen in Dingolfing schon Stunden vor dem Auftritt des FDP-Fraktionschefs beim politischen Aschermittwoch.

Kaum hat Brüderle zu reden begonnen, ist schnell klar: Der FDP-Spitzenmann für die Bundestagswahl besteht den Härtetest in der niederbayerischen Provinz. In solider Brüderle-Manier ätzt er gegen seine Lieblingsgegner los: Rote und Grüne. Jürgen Trittin ist für ihn "Mao trifft Dosenpfand", bei den Sozialdemokraten verlegt er sich aufs Reimen. "Willst du Öde in der Bude, hol' dir Pronold, Steinbrück und Ude", nuschelt Brüderle. Das mag platt sein, aber es verfängt trefflich bei Bier und Bretzn.

Der FDP-Spitzenmann bedankt sich auch artig bei seinen Vorrednern, die natürlich allesamt den zuletzt viel kritisierten Pfälzer gelobt hatten. Die Floskel "Lieber Rainer" beispielsweise fand in der Rede von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mindestens ein Dutzend Mal Verwendung. Und Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil lobte ihn - leicht als Anspielung auf Brüderles Dirndlgate zu verstehen - für seine Authentizität.

Brüderle, das betonen hinterher einige Liberale, streichelt aber auch die Seele seiner arg ramponierten Partei. Das "Bollwerk gegen Eurobonds und Zinssozialismus in Europa" seien die Liberalen, donnert der Pfälzer und versteigt sich gleich darauf zu der Aussage, die FDP gehöre zu Deutschland "wie die deutsche Fußball-Nationalmannschaft". So bringt er die versammelten Liberalen tatsächlich zum Jubeln - manch einer mag vergessen, dass die Freidemokraten in Bayern in einer aktuellen Umfrage bei drei Prozent stehen.

Von einem Parteifreund, der im Vorjahr die Aschermittwochsrede hielt, spricht übrigens weder Brüderle, noch ein anderer Redner: Philipp Rösler, dem Bundesvorsitzenden.

Angriffslustigster Satz: "Wir sind die Modernisierungsspritze im Allerlei, man kann auch sagen: im Allerwertesten der CSU." Martin Zeil, bayerischer Wirtschaftsminister und Spitzenkandidat der FDP für die Landtagswahl.

Überzeugendster Auftritt: Rainer Brüderle, Chef der FDP-Bundestagsfraktion. Dafür, dass er wegen der Sexismus-Debatte unter hohem Druck steht, legte er eine souverän-solide Rede hin - im typischen Nuschel-Stil.

Peinlichster Moment: Niederbayerns FDP-Bezirksvorsitzender lobt Brüderle unter anderem dafür, dass dieser als damaliger Wirtschaftsminister im Fall der Schlecker-Pleite hart geblieben sei. Einzig: Die Parteilinie gab seinerzeit Philipp Rösler vor.

Text: Oliver Das Gupta

Für die Grünen ist es eine Verrenkung. Die Partei, die so sehr für Inhalte stehen möchte, will am Aschermittwoch auch ein Stück vom großen Aufmerksamkeitskuchen. Sie will auch auf den Gegner eindreschen, aber nicht zu stark - und auch die Menschen amüsieren, aber in gediegenem Rahmen.

An der Rede von Margarete Bause ist der Spagat gut zu erkennen. Sechs Seiten Manuskript hat sie vorab an die Journalisten verteilen lassen. Die Angriffe auf Schwarz-Gelb nehmen etwa eine Seite ein. Doch das reicht Bause offenbar bald nicht mehr. Immer wieder weicht sie vom Manuskript ab, um noch schärfere Schmähungen einzubauen. "Die Koalition der Wendehälse und Dipferlscheißer ist am Ende", ruft sie. Damit sind CSU und FDP gemeint. Die 300 Zuhörer im edlen Saal der Landshuter Stadthalle johlen.

Inhalte? Gibt es auch. Zum Beispiel Plädoyers für bessere Bildung oder besseren ÖPNV im ländlichen Raum. Und der Papst darf nicht fehlen. Wobei Bause da schon wieder kalauert: Sie habe gedacht, so ein Rücktritt, das gehe gar nicht. "Aber dann sitzt man so da und denkt sich, ja, mei ..." Wenn das so einfach sei, dann könne doch auch in Bayern ... Der Rest geht im Jubel der Grünen unter.

Der Witz ist so gut, dass ihn Jürgen Trittin recycelt. Der Spitzenkandidat der Grünen für die Bundestagswahl sagt, im Gegensatz zu "Crazy Horst" Seehofer beweise der Papst ein gewisses Maß an Selbsterkenntnis. Der CSU-Chef betreibe Politik nach dem "Allitalia-Prinzip": Die italienische Airline hatte eines ihrer Flugzeuge nach einer Bruchlandung weiß getüncht - und erst dann geborgen.

Zu den umstrittenen Rüstungsexporten an Saudi-Arabien fällt Trittin ein: "Der größte Freund von Angela ist König Abdallah." So geht das immer weiter. Inhalte? Schenkelklopfer? Bei Trittin ist das kein Widerspruch.

Eine Anhängerin gehobenen Alters, die während seiner Rede begeistert applaudiert, kommt anschließend zum Pressetisch: "Sagen Sie, hätten's vielleicht ein Foto von dem Trittin, dass er mir unterschreiben könnte?" Niemand kann weiterhelfen. Aber wo sie schon mal da ist, gibt sie noch schnell ihren Eindruck wieder: "Das große Ganze, das Weltbild vom Trittin, das ist, was zählt. Die Sprüch' sind nur für die jüngere Generation. Mia brauchen des net."

Angriffslustigster Satz: "Wir versuchen am Aschermittwoch, unseren inneren Schweinehund zu überwinden. Die FDP macht ihn zum Spitzenkandidaten" - Jürgen Trittin über Rainer Brüderle. Stufe 10 auf der Schenkelklopfer-Skala.

Überzeugendster Auftritt: Jürgen Trittin, wie er nach seiner Rede Autogramme gibt, für Erinnerungsfotos posiert und Radiointerviews gibt - gleichzeitig.

Peinlichster Moment: Landesparteichef Dieter Janecek bittet am Rednerpult vergeblich um Ruhe, die Zuhörer ignorieren ihn minutenlang. Als schließlich Ruhe einkehrt, schiebt Janecek sein Malheur auf das angeblich nicht funktionierende Mikrofon.

Text: Michael König

Die Freien Wähler können beim politischen Aschermittwoch so viele Besucher wie noch nie begrüßen. Fast 1000 Menschen kommen in die eher charmefreie Stadthalle in Deggendorf. Dass die Partei in jüngster Zeit kräftig politischen Auftrieb bekommen hat, nicht zuletzt durch den Erfolg beim Volksbegehren gegen Studiengebühren, ist den Rednern anzumerken. Sie wettern und schmettern, sie granteln gegen die Regierungsparteien. Vor allem gegen die CSU, der sie eigentlich nahestehen.

FW-Chef Hubert Aiwanger kündigt an, mit seiner Partei in der Regierung werde es eine pragmatischere Politik geben, an der die Bürger wirklich beteiligt sind. Dass er immer wieder Schreckensszenarien heraufbeschwört - etwa dass mit dem Geld für Strom und Öl in russischen und arabischen Ländern Kriege geführt werde - nehmen ihm die Besucher nicht krumm. Er erntet donnernden Applaus. Doch die Freien Wähler, bekannt für ihre derben Auftritte, sticheln diesmal wenig. Selbstbewusst konzentrieren sich viele Redner vor allem auf das eigene Parteiprogramm.

Nur Aiwanger kann sich die Spitzen gegen die CSU nicht verkneifen: Der zeitgleich in Passau redende Ex-Ministerpräsident Stoiber sei ein Stratege, der alles gegen die Wand fahre, sagt Aiwanger etwa - und beweist dabei, dass er ein Meister des Kopfkinos ist. Auf seinem Kriegszug nach Kärnten (wegen der BayernLB) werde Stoiber auf einer Blumenwiese landen, weil er sich mehrfach verfahren habe, sagt der FW-Chef. Dort würde ihm ein Bauer direkt ein Holzscheit über den Kopf ziehen und Ilse Aigner dem ehemaligen CSU-Vorsitzenden vorwerfen, dass er mit der Fahrt auf die Wiese gegen das Blühblumenkonzept verstoßen habe.

Und seine Oma, die Aiwanger der Volksnähe zuliebe gerne zitiert, darf in Deggendorf natürlich auch nicht fehlen: Die sei zwar nur auf der Dorfschule gewesen, bei der BayernLB hätte sie aber sicher Nein gesagt.

Angriffslustigster Satz: "Was diese Herren der Regierung an Selbstmordverträgen unterschrieben haben, ist unglaublich: Landesbank und Eurohilfe. Gebt ihnen keinen Kugelschreiber in die Hand, sondern lieber zwei Weißwürste, dann können sie wenigstens nichts mehr falsch machen." (Hubert Aiwanger)

Überzeugendster Auftritt: Bei den Freien Wählern ist die Hierarchie klar - einzig Hubert Aiwanger darf mit seiner Rede richtig ausholen und bekommt dafür den meisten Applaus. Die Leute jubeln ihm im Stehen zu.

Peinlichster Moment: Stephan Werhahn, Adenauer-Enkel und Spitzenkandidat für den Bundestag, will sich als echter Bayer präsentieren und sagt: "Ich wohne seit fünf Jahren in München und hab' davor 13 Jahre in Franken gewohnt - das gehört ja auch dazu." Ungläubiges Raunen im Zuschauersaal.

Text: Sarah Ehrmann

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