Politischer Aschermittwoch der SPD:Ude, der Bierzeltheld

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Für den SPD-Spitzenkandidaten Ude ist es die bislang größte Wahlkampf-Herausforderung: der politische Aschermittwoch in Vilshofen. Weil der Wolferstetter Keller längst zu klein ist für den Anstrum an Besuchern, muss nun ein Zelt aufgestellt werden. In der Parteizentrale ist man schon ganz hibbelig.

Frank Müller

Da ist zum Beispiel die Sache mit der Temperatur. Wenn SPD-Kampagnenchef Rainer Glaab dieser Tage auf den Wetterbericht schaut, dann interessiert ihn vor allem der langfristige Trend. Sollte es am Aschermittwoch Kältegrade wie derzeit haben, hätte Glaab in Vilshofen ein Problem. Dann müsste er für das Riesenzelt, das die Sozis in der Stadtmitte aufstellen wollen, auch noch die Wasserleitungen heizen. Als ob es nicht schon genug wäre mit all dem Hickhack um Fluchtwege, Telekom-Leitungen und Platzzuweisungen für die TV-Kameras.

Publikumsmagnet Christian Ude: Weil der  Wolferstetter Keller für die Aschermittwochsveranstaltung zu klein geworden ist, zieht die SPD in ein Zelt um. (Foto: dpa)

Der politische Aschermittwoch steht vor der Tür, und zum ersten Mal seit Menschengedenken findet er in relevanten Dimensionen außerhalb des Passauer CSU-Spektakels statt. Auch die anderen Parteien treffen sich zwar seit Jahr und Tag in Niederbayern, doch das Interesse daran war häufig vorwiegend durch Höflichkeit gespeist. Diesmal, im Zeichen des anhebenden Landtagswahlkampfs, ist das anders: Für ihren Kandidaten Christian Ude schafft die SPD in Vilshofen eine Bühne, die den bislang eher beschaulichen Auftritt der Bayern-SPD erstligatauglich machen soll. Und in der Parteizentrale am Münchner Oberanger sind die Organisatoren schon seit Wochen voll hibbeliger Vorfreude. Parteichef Florian Pronold meldet stolz einen "Riesenansturm" auf die kostenlosen Tickets, nur "vereinzelt" gebe es Restkarten.

Für die SPD bringt Udes Antritt einen Riesensprung. Jahrzehntelang hatte man sich im traditionsreichen Wolferstetter Keller getroffen, jenem Saal, der einst der CSU gedient hatte, bis er ihr zu klein wurde. Nun muss auch die SPD umziehen. Statt wie FDP, Freie Wähler oder Grüne in eine feste Halle auszuweichen, was viele organisatorische Vorzüge hätte, setzen die Sozis ein Ausrufezeichen: ein Festzelt, mitten in Vilshofen, nur für Ude aufgestellt (und ein klein bisschen auch für den ebenfalls anreisenden Bundesparteichef namens Sigmar Gabriel).

Seit Wochen sehen die Organisatoren mit Wohlbehagen und etwas Gänsehaut, wie das Zelt ihnen ein wenig über den Kopf wächst - rein virtuell natürlich. Denn am Festzeltplatz ist noch nichts zu sehen, auch das CSU-geführte Rathaus wollte erst von dem Thema überzeugt werden. Zunächst wurde ein Zelt mit einer Grundfläche von 25 mal 70 Metern gemietet, dann kam noch ein zweites als Anbau dazu, 25 mal zehn Meter, wie Glaab stolz erzählt. Und schließlich noch ein drittes: In dieses wird jetzt die komplette Gastronomie verlagert, das schafft noch einmal Platz. 3500 Besucher sollen nun kommen - das bringt einen zumindest in Rufweite der CSU, die ebenfalls vierstellige Teilnehmermengen aufbietet (aber die genaue Zahl nicht gerne nennt). Busweise werden die SPD-Parteigänger nun aus ganz Bayern nach Vilshofen gekarrt, man werde des Ansturms kaum Herr, stöhnt die Partei in gespielter Überforderung über den selbst erzeugten Hype.

Folgerichtig schaltet nun auch Kandidat Ude in den Vilshofen-Modus hoch. Für ihn ist der Aschermittwochsauftritt die bislang größte Wahlkampf-Herausforderung. "Die größte finanzpolitische Angeberei des Kontinents" hielt Ude Regierungschef Horst Seehofer und seinem Finanzminister Markus Söder (beide CSU) am Dienstag vor und lederte noch kräftig weiter.

Deren Ankündigung, die komplette Verschuldung des Freistaats bis 2030 komplett abzubauen, sei "karnevalesk" und eine "Scharlatanerie", redete sich Ude in Rage. Immer deutlicher wird dabei Udes Linie, die Finanzpolitik des Freistaats in unseriöses Licht zu rücken. Wer, wie Söder, eine Milliarde Euro im laufenden Jahr zurückzahlen wolle und gleichzeitig den Pensionsfonds für die Beamten nicht bediene, der baue dadurch 600 Millionen an neuen Schulden auf. "Das", so Ude, "ist ein Hütchenspiel" - also ein Betrug. Auch beim Thema GBW-Wohnungen verschärfte Ude den Ton: Der Umgang des Freistaats mit den 33.000 Wohnungen, die dieser aus dem Landesbank-Besitz an die Kommunen verkaufen will, sei "ein Skandal".

So und ähnlich wird es am Aschermittwoch auch von den niederbayerischen Rednerbühnen klingen. Dass der Münchner OB, der bislang eher bedächtig auftrat und gern von einem langsamen Crescendo sprach, damit allmählich auf Touren kommt, zeigt auch die postwendende Retourkutsche von Söder: Ude sei "völlig von der Rolle", befand Söder, man nehme dessen Aussagen "nicht mehr ernst". In der politischen Schlachtenlehre ist das eine klare Form von Ernstnehmen.

© SZ vom 08.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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