Politischer Aschermittwoch:Wie sich die Parteien wieder gegenseitig verbal vermöbeln

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Franz Josef Strauß ist auf dem Politischen Aschermittwoch der CSU ebenfalls präsent, als Figur, wie auf dem Bild oben, aber auch als Büste oder mit seinem Konterfei auf Bierkrügen. Zumindest war das in den zurückliegenden Jahren immer so.  (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Anderthalb Wochen nach der Bundestagswahl steht der politische Aschermittwoch in Niederbayern an: Schont Markus Söder den künftigen Partner SPD? Wieso schicken die Sozialdemokraten jetzt doch Karl Lauterbach? Welche Strategie fährt Hubert Aiwanger? Und setzt die AfD jetzt auf noch mehr Krawall? Ein Überblick.

Von Johann Osel

Die Geschichte des Politisierens am Aschermittwoch hatte einst mit Rindviechern und Hornochsen begonnen. Das mag man sich noch heute bei manchen Reden zum politischen Aschermittwoch heimlich denken. Gemeint ist damit freilich der Ursprung. Immer am Aschermittwoch fand im niederbayerischen Vilshofen ein Viehmarkt statt, im Jahr 1919 lud der Bauernbund zusätzlich zu einer großen Kundgebung – nach den Wirren der Revolutionszeit, im jungen Freistaat Bayern, kurz vor der Münchner Räterepublik. 1948 nahm zunächst vor allem die Bayernpartei die Tradition wieder auf, die CSU folgte. Die beiden Parteien duellierten sich dann seit den Fünfzigern regelrecht an diesem Tag. Das Spektakel war geboren.

Inzwischen sind alle bayerischen Parteien in verschiedenen niederbayerische Orten aktiv. Nach Artikel drei des Bayerischen Feiertagsgesetzes ist der Aschermittwoch eigentlich ein „stiller Tag“. Doch auf den Bühnen wird es laut – und oft derb, wenn sich die Redner aller Farben gegenseitig verbal vermöbeln. Für die Parteien bringen die Veranstaltungen zwei Vorteile: viel Aufmerksamkeit, auch überregional. Und die Rückkopplung mit der eigenen Anhängerschaft – wie stark in den Sälen gelacht, geklatscht und gejohlt wird (oder auch nicht) taugt als Seismograf für die aktuelle Stimmung; was gerade unmittelbar nach einer Wahl relevant ist. Wer heizt heuer den Gästen ein, was ist zu erwarten? Ein Überblick.

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Bei der CSU in der Passauer Dreiländerhalle wird Markus Söder seiner Basis das Ergebnis der Bundestagswahl wohl auch erklären müssen: 37,2 Prozent der Zweitstimmen, obwohl die Umfragen vor der Wahl die Partei stets über der 40-Prozent-Marke sahen. In der CSU riecht in diesen Tagen zwar nichts nach Rebellion, man scheint sich darauf geeinigt zu haben, dass der Status als mit Abstand stärkste Kraft ganz passabel ist. Aber wie das zustande gekommen ist und wieso die AfD, gerade hier in Niederbayern, derart zulegte – das dürften Fragen sein, die Söder in seiner Rede zu behandeln hat. Und die er nicht so leicht durch allerlei Späße umschiffen kann.

Mit Spannung darf man auch beobachten: Schont Söder die SPD? Schon im Endspurt des Wahlkampfs war er ja milder im Ton gegenüber den Genossen. 2024 hatte der CSU-Chef noch gewitzelt, seine Schäferhündin Molly habe im Vergleich zum damaligen SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert eine abgeschlossene Ausbildung. Derlei Grobheiten über den Wunsch-, Muss- und Wohl-Bald-Koalitionspartner wird sich Söder nun eher verkneifen. Gegenüber den Grünen wohl kaum.

Offen ist, wie viele Seitenhiebe es auf Hubert Aiwanger gibt. Vergangenes Jahr in Passau sah sich Söder akut zum Angriff veranlasst, damals spürte Aiwanger durch die Bauernproteste im Land enorm Auftrieb; eine Gefahr für die CSU also. „Ministrieren geht vor Demonstrieren“, sagte Söder 2024 über seinen Wirtschaftsminister und dessen unzählige Protestteilnahmen. Jetzt, nach Aiwangers Schlappe bei der Bundestagswahl, könnte Söder über den Dingen stehen und die FW einfach ignorieren in seiner Rede. Vielleicht aber ist der Reiz zum Draufhauen unwiderstehlich.

Wie kämpferisch ist Aiwanger?

Die Freien Wähler treffen sich in der Deggendorfer Stadthalle, Aiwanger spricht als Hauptredner, logisch. Wie kämpferisch er wohl auftritt, nachdem sein großer Traum vom Bundestag geplatzt ist? Die Partei hatte sogar in Bayern ein mageres Resultat erzielt (nur 4,3 Prozent) – und Aiwangers Plan, über drei Direktmandate ins Parlament zu schlüpfen, ist nicht mal im Ansatz aufgegangen. Das wirft innerhalb der FW schon Überlegungen auf, ob es wirklich so klug ist, derart viel Energie in die Bundespolitik zu stecken, wo doch die Stärke der FW im Land und in den Kommunen liegt. Womöglich kommt dies in Deggendorf zumindest am Rande zur Sprache.

Dass sich Aiwanger auf der Bühne vor allem am Koalitionspartner reibt, ist zu erwarten. Als Söder und die CSU ihr mittelmäßiges Wahlergebnis jüngst Aiwangers Ambitionen anlasteten, kam das bei den FW gar nicht gut an. Generalsekretärin Susann Enders konterte rauflustig: „Wir sind keine Unterorganisation der CSU“, die Vorwürfe seien dreist und eine „Verhöhnung demokratischer Gepflogenheiten“. Man werde die CSU künftig an „uneingelöste Wahlversprechen“ erinnern und den „Schnapsideen oftmals linker CDU-Bundes- und Europapolitiker“ widersprechen.

Konfettikanone bei der AfD

Die AfD reizt das Prinzip Aschermittwoch gerne aus. Natürlich ist an diesem Tag ein Zungenschlag üblich, der im normalen Betrieb ungehörig wäre. Aber in den vergangenen Jahren nahmen die Tiraden bei dem Treffen in Osterhofen oft kaum ein Ende. AfD-Landeschef Stephan Protschka legte sich vergangenes Jahr nicht nur mit der politischen Konkurrenz an, sondern auch mit der Katholischen Kirche. Er sprach von „Kinderfickern“, Redner Maximilian Krah geiferte über den „fetten Bischof Marx“. Für eine Beleidigung von Markus Söder 2023 musste Protschka sogar mal eine Geldauflage bezahlen.

Wie das heuer abläuft, wo ja die Bayern-AfD nach ihrem Zuwachs auf 19 Prozent vor Kraft kaum laufen kann? Neben Protschka und Landtagsfraktionschefin Katrin Ebner-Steiner reden Harald Vilimsky von der österreichischen FPÖ und der Thüringer Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner. Ansonsten läuft alles auf eine Party hinaus – da braucht es nicht mal die Konfettikanone auf der Bühne, deren Einsatz laut Ablaufplan am späten Mittag ansteht.

Direkte Kontakte bei den Grünen

Die Grünen erweitern in diesem Jahr ihr Format, das wieder im Bernlochner Saal in Landshut stattfindet. Erstmals soll es, so verheißt die Einladung, einen Stammtisch danach geben. Zuerst sprechen Bundeschef Felix Banaszak und die bayerische Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze. Danach sollen grüne Spitzenleute direkt an alle Tische gehen und über das diskutieren, „was die Menschen so kurz nach der Bundestagswahl bewegt“. Das dürften Themen wie Klimaschutz und Rechtsrutsch sein, aber es sind wohl auch die künftigen Aussichten für die Partei in Bayern. Mit zwölf Prozent im Freistaat haben die Grünen Verluste verzeichnet, aber Spitzenkandidatin Jamila Schäfer konnte am Wahlabend doch noch ein „halbwegs okayes Ergebnis“ erkennen. Was die Basis nun interessieren dürfte: Wie will man wieder an Fahrt gewinnen, auf längere Sicht und auch mit Blick auf die Kommunalwahlen 2026?

Karl Lauterbach statt Hubertus Heil bei der SPD

Bei der SPD hatten sie dem Vernehmen nach bis zuletzt nach einem schlagkräftigen Hauptredner gesucht. Zu sehr eingespannt war die bundespolitische Prominenz offenbar im Wahlkampf. Zuerst war dann Hubertus Heil vorgesehen, der Bundesarbeitsminister. Erwartbar gewesen wären von ihm auf jeden Fall strategische Überlegungen für die Sozialdemokratie; denn Heil dürfte auch in Zukunft eine wichtige bundespolitische Rolle spielen. Wegen der laufenden Sondierungsgespräche mit den Unionsparteien nahm die Bayern-SPD aber am Montag eine Änderung vor, Hauptredner statt Hubertus Heil ist jetzt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. In Vilshofen sprechen werden unter anderem Landesvorsitzende Ronja Endres und Fraktionschef Holger Grießhammer. Auch hier, analog zur CSU in Passau, die Frage: Wie halten es die Genossinnen und Genossen mit der Offensive gegen den wahrscheinlich baldigen Koalitionspartner?

Die Linke will feiern nach dem Erfolg bei der Wahl auch im Freistaat (5,7 Prozent). „Dass unser Einsatz am Ende so belohnt wurde, ist grandios“, heißt es in der Einladung zum Aschermittwoch, der in Thyrnau bei Passau abgehalten wird. Inhaltliche Verortung soll dabei aber nicht zu kurz kommen, „die anderen Parteien haben in den letzten Monaten mehr als genug Vorlagen für die Reden geliefert“. Sprechen werden der Altvordere Gregor Gysi, die bayerische Abgeordnete Nicole Gohlke und Ex-Parteichefin Janine Wissler.

Das BSW trifft sich in Tiefenbach bei Passau, es sollte eigentlich Sahra Wagenknecht selbst sprechen. Am Montag teilte das BSW aber mit, die Parteigründerin komme doch nicht nach Niederbayern. Ersatz ist der Europaabgeordnete Fabio De Masi, außerdem wird BSW-Landeschef Klaus Ernst auf der Bühne stehen. Der Partei misslang der Einzug in den Bundestag, in Bayern kam sie auf 3,1 Prozent. Trotzdem gibt man offenbar nicht auf, will Präsenz zeigen. 2024 war der Wagenknecht-Truppe in einem überfüllten Passauer Wirtshaus eine viel beachtete Aschermittwochs-Premiere gelungen.

Auch die FDP ist fortan außerparlamentarische Opposition. In Dingolfing erwartet sie Christian Dürr, den bisherigen Fraktionschef im Bundestag, und den einzigen liberalen Landrat in Bayern, Peter von der Grün (Neuburg-Schrobenhausen). Ebenfalls sprechen werden die Landeschefs Martin Hagen und Katja Hessel, die kürzlich ihren Rückzug von der Parteispitze angekündigt haben. Die ÖDP (0,4 Prozent bei der Wahl in Bayern) trifft sich in Passau, es soll etwa um „existenzielle ökologische Zukunftsthemen, die im Wahlkampf ausgeblendet wurden“ gehen. Die Bayernpartei (0,2 Prozent) lädt bis heute ebenfalls zum politischen Aschermittwoch, nach Vilshofen.

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