Politikum:Vorwahl im Hofbräuhaus

Beim Maibockanstich wird wieder Politik betrieben. Söder glänzt durch Anwesenheit, Seehofer durch Abwesenheit

Von Frank Müller

Wer am Mittwochabend im Bayerischen Fernsehen den Maibock-Anstich verfolgte, konnte mit dem sicheren Gefühl ins Bett gehen, die Übernahme der Macht im Freistaat durch Markus Söder sei nur noch eine Formsache. Zwei Redner traten auf, einer davon war Söder selbst, aber im Grunde gab es nur ein Thema: Söder und wie er Amtsinhaber Horst Seehofer aufs Altenteil schicken wird. Demokratie-Theoretiker und andere Lebensfremde mögen einwenden, dass vor Söders finalem Aufstieg noch Wahlen gewonnen werden müssen. Das mag sein, doch viel entscheidender sind die Vorwahlen. Die finden in Bayern, anders als in den USA, in großen Festsälen statt, ausgerichtet von Brauereien, im Publikum sitzen die, die immer da sind, wenn es Freibier gibt.

Der Nockherberg hier und der Maibock dort haben im politischen Prozess mittlerweile eine Bedeutung, die man kaum überschätzen kann. Das ist nicht schlimm, aber sehr bemerkenswert. Satire-Profis wie Luise Kinseher oder eben Django Asül lesen ein Jahr lang Zeitung und verdichten das dort Geschriebene zu einer Art Paralleluniversum. Da tritt dann, wie beim Nockherberg, Ilse Aigner als wilde Nudel auf, die endlich einmal alle Widrigkeiten einfach wegtanzt. Söder wiederum ist beim Maibock noch eine Stufe weiter, wenn er selbst als Kabarettist auftritt und über nichts anderes parliert als über sich selbst. Und in tagelanger Vor- und Nachberichterstattung verschwimmen die Grenzen dann vor allem beim Nockherberg völlig.

Am Ende weiß niemand mehr, ob sie auf der Bühne wirklich die Ilse aufgegessen haben oder nur ihre Darstellerin. Und ob es nicht schon längst Teil der gesamten Show ist, wenn jemand beleidigt verkündet, zu diesem frauenfeindlichen Schmarrn wolle man nie mehr eingeladen werden. War es Barbara Stamm, die das sagte? Oder nur eine Stamm-Darstellerin? Und: Ist die nonchalante Art, in der Horst Seehofer den Maibock Jahr um Jahr boykottiert, solange dort sein Parteifeind Söder am Ruder ist, nicht in Wahrheit eine höhere Form der Präsenz?

Ein großer Teil der bayerischen Seehofer-Politik besteht aus Spektakel. Bei den Starkbieranstichen macht das Spektakel Politik. Das ist alles zwar etwas irre. Aber es ist Politik und es macht Spaß.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: