Politikum:Der Meister unter den Zeitspielern

In seiner aktiven Sportlerzeit hat Horst Seehofer viel für sein späteres Leben gelernt: Handball ist ein ruppiger Sport, in dem es stabile Ellbogen braucht. Und er hat eine Position, die es nominell gar nicht gibt, bis zur Perfektion etabliert

Von Wolfgang Wittl

Bei den Sportsfreunden der CSU fällt Horst Seehofer schon deshalb auf, weil er nicht nur über Fußball, sondern gerne auch über Handball spricht. In seiner aktiven Zeit hat er einiges für sein späteres Leben gelernt: Handball ist ein ruppiger Sport, in dem es stabile Ellbogen braucht. Der Individualismus ist stärker ausgeprägt als in vielen anderen Teamsportarten. Und wer in Führung liegt, spielt so lange auf Zeit, bis die Schiedsrichter den Arm heben. Diese Position, die es nominell gar nicht gibt, hat Seehofer in der Politik inzwischen bis zur Perfektion etabliert: Er ist Meister unter den Zeitspielern.

Im CSU-Vorstand am Montag war das wieder gut zu verfolgen: Das längst überfällige Gespräch mit der CSU-Fraktion über das weitere Vorgehen zum Flughafenausbau? Nicht jetzt! Eine Diskussion über G 8 und G 9? Gibt Wichtigeres! Eine Umbildung des Kabinetts? Irgendwann vielleicht, aber keinesfalls im Moment! Mit Blick auf die Polizistenmorde in den USA, den Anschlag von Nizza und den Putschversuch in der Türkei seien solche Debatten verfehlt, befahl der CSU-Chef. Gewiss, eine Zeit des Innehaltens ist bei all dem Wahnsinn auf der Welt angebracht. Aber warum die bayerische Landespolitik (mit ihren unbequemen Themen) deshalb vorübergehend ruhen soll, erschließt sich daraus noch nicht.

Es zeigt jedoch: Der Spielmacher Seehofer gibt in der CSU wieder völlig unangefochten den Rhythmus vor. Worüber gesprochen wird und wann, ist alleine Sache des Chefs. Personalangelegenheiten werden auf die lange Ersatzbank geschoben. Der Spielplan, mit dem Seehofer Partei und Öffentlichkeit stattdessen beschäftigen will, steht dafür bereits: aufwendig inszenierte Klausuren von Kabinett und Fraktionen, Kongresse mit der CDU, neues Grundsatzprogramm zum Parteitag, Bundespräsidentenkandidatenkür, dazwischen bundespolitische Aufschläge in Berlin und viel Lob für den größten Rivalen Markus Söder - so lässt sich die Zeit gut rumkriegen.

Ob Seehofer entgegen seiner Ankündigung eine Verlängerung als Ministerpräsident anstrebt, weiß er vielleicht selbst noch nicht. Aber ziemlich sicher wird er dann selbst entscheiden, wann das Spiel für ihn zu Ende ist. Das schaffen in der CSU nicht mal die größten Fußballfans.

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