Politikum:Alles anders

Eigentlich wollte sich Seehofer zum Abschluss der Klausur in St. Quirin ein Eis spendieren, daraus aber wird wohl nichts

Von Wolfgang Wittl

What a difference a day makes", philosophierte die große amerikanische Soul-Sängerin Aretha Franklin in einem Lied. In Bayern waren es drei Tage, die alles veränderten. Aus gegebenem Anlass daher eine Rückblende: Der bayerische Landtag Anfang Juli, Ministerpräsident Horst Seehofer steht im Eingang zum Plenarsaal und denkt laut darüber nach, wie die Kabinettsklausur in St. Quirin aussehen könnte. Alle Minister sollen Vorschläge liefern, die das Land und natürlich auch das Wahlprogramm der CSU voranbringen könnten. Seehofer scherzt, irgendwann aber geht es nur noch um die Frage, wann der Ministerpräsident zur Abschlusspressekonferenz bittet.

"Samstag", sagt Seehofer. Seine Sprecherin antwortet: "Sagten wir nicht Freitag?" - "Samstag!" - "Aber dann schaffen Sie es nicht in die Wochenendausgaben der Zeitungen." - "Samstag!" - "Naja, aber . . ." - "Samstag!", befiehlt Seehofer abschließend: "Und danach essen wir alle noch schön ein Eis."

St. Quirin Ende Juli, an ein Eis denkt niemand, als die Klausur beginnt: Das Pressezelt ist gesteckt voll mit Journalisten, das Gelände am Tegernsee abgeriegelt. Polizisten in schwarzen Overalls patrouillieren über Wiesen, in ihren Händen halten sie Maschinenpistolen, die zur Gattung der Kurzwaffen zählen, obwohl sie einen halben Meter lang sind. Doch wer vor wenigen Tagen hätte mit den Begriffen Kurzwaffe und Langwaffe ernsthaft etwas anfangen können?

An der Tür stehen der Verfassungsschutzpräsident, der Münchner Generalstaatsanwalt und der Landespolizeipräsident, zusammen mit dem Innen- und Justizminister belegen sie im Tagungszimmer eine komplette Sitzreihe. Seehofer spricht von einer "ganz neuen Dimension des Terrors", dass Bayern von den drei Gewalttaten "ins Mark getroffen" sei, Innenminister Joachim Herrmann referiert über "hemmungslose Gewaltbereitschaft" und "einen brutalen Angriffskrieg", den der sogenannte Islamische Staat "gegen unsere freie westliche Welt führt". Die Bevölkerung erwarte zu Recht, dass man dem Terror die Stirn biete, sagt Seehofer.

Bayern im Juli 2016 - nur am Ende, nicht am Anfang des Monats. Es hat sich viel verändert in ein paar Tagen.

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