Süddeutsche Zeitung

Politiker beschäftigen Ehefrauen:Familienhilfe à la CSU

"Sie ist eine Top-Fachkraft": 17 Abgeordnete des Bayerischen Landtags beschäftigen ihre Frauen und Kinder mit öffentlichen Geldern, darunter auch Kabinettsmitglieder und Fraktionschef Schmid. Kultusminister Spaenle reagiert auf die Vorwürfe - und will seiner Gemahlin kündigen.

Von Frank Müller und Mike Szymanski

Der bayerische Abgeordnete und sein kleines Familienunternehmen - nach diesem System verschaffen auch hochrangige, gut verdienende CSU-Parlamentarier ihren Ehegatten und Kindern Nebenverdienste. Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung erhöhten so mehrere Mitglieder des Kabinetts und der Fraktionsspitze im Landtag ihre Familieneinkommen - zum Großteil bis heute. Darunter sind mit Kultusminister Ludwig Spaenle und den beiden Staatssekretären Franz Pschierer (Finanzen) sowie Gerhard Eck (Innen) mindestens drei Mitglieder von Horst Seehofers Kabinett. Auch CSU-Fraktionschef Georg Schmid und der einflussreiche Chef des Haushaltsausschusses, Georg Winter, zahlen seit langem Geld an ihre Familienangehörigen.

Sie alle nutzen eine Klausel im Gesetz, die der Landtag im Jahr 2000 geschaffen hat. Seitdem ist es Landtagsabgeordneten zwar eigentlich verboten, Familienangehörige ersten Grades (also Ehegatten oder Kinder) mit öffentlichen Geldern zu beschäftigen. Eine Ausnahme gilt aber für alle Fälle, die vor dem 1. Dezember 2000 geschlossen wurden. Sie dürfen unbefristet fortbestehen. Der Landtag hatte damit einerseits strengere Regeln schaffen, zugleich aber bestehende Arbeitsverträge schützen wollen.

Doch überraschend viele dieser Altverträge bestehen offenbar auch 13 Jahre nach dem Beschluss nach wie vor weiter. 17 solcher Beschäftigungsverhältnisse gibt es laut Bestätigung des Landtagsamtes noch, sie betreffen allesamt CSU-Abgeordnete. Die Parlamentarier haben das Recht, neben ihren regulären Diäten von künftig 7244 Euro zuzüglich einer Kostenpauschale von 3282 Euro auch bis zu 7524 Euro monatlich für von ihnen angestelltes Personal ersetzt zu bekommen.

Kultusminister Spaenle bestätigte, auf diesem Weg seit langem seine Frau in seinem Abgeordnetenbüro angestellt zu haben - zog aber noch am Donnerstag Konsequenzen aus der intensiver werdenden Debatte. Er werde den Vertrag mit seiner Frau zum 30. April kündigen, sagte Spaenle der SZ - auch wenn es sich um einen "wirklich überschaubaren Betrag" von etwa 1000 Euro monatlich gehandelt habe.

Keinen Grund für eine Verhaltensänderung sieht dagegen Landtagsfraktionschef Schmid. Auch er beschäftigt seine Frau als eine von vier Angestellten im Büro. Die Höhe des Gehalts wollte er nicht publik machen. "Ich halte mich an Recht und Gesetz", sagte Schmid der SZ. Auch in der kommenden Amtsperiode wolle er seine Frau beschäftigen. "Da gibt's ja gar keinen Grund, etwas zu ändern."

Auch Innenstaatssekretär Gerhard Eck räumte ein, als Abgeordneter seine Frau zu beschäftigen. Sie erhalte eine "geringe Entschädigung für Überbrückungs- und Aushilfstätigkeiten von netto etwa 750 Euro" im Monat. Er habe eine festangestellte Kraft für seine Abgeordnetentätigkeit, jedoch falle auch am Abend und am Wochenende viel Arbeit an. Eck sagte, er finde den Einsatz seiner Frau als bezahlte Kraft "in Ordnung und legitim, ich habe das immer ordentlich gemacht".

Franz Pschierer, heute Staatssekretär unter Finanzminister Markus Söder, hat jahrelang als Abgeordneter seine Frau beschäftigt. Als er 2008 ins Kabinett berufen wurde, habe er nach eigenen Angaben das Arbeitsverhältnis beendet. Im vergangenen Jahr habe er seine Frau allerdings noch einmal für eine Krankheitsvertretung angestellt, erklärte er.

Deutlich stärker als Familienbetrieb hat Georg Winter, der mächtige Vorsitzende des Haushaltsausschusses, sein Abgeordnetenbüro organisiert. Sowohl seine Ehefrau als auch seine beiden Söhne, 26 und 27 Jahre alt, waren bei ihm beschäftigt, wie er im Gespräch mit der SZ bestätigte. Seine Frau betreute für maximal 400 Euro im Monat das Telefon am Mittwoch und am Wochenende. Seine Söhne kümmerten sich zudem um die Computer. "Sie mussten halt schauen, dass das Betriebssystem und die Homepage läuft." Dafür hätten sie jeweils "mal 100, mal 200 Euro" bekommen.

Ende vergangenen Jahres habe er diese Praxis beendet. Auch der Abgeordnete Eberhard Rotter aus dem Landkreis Lindau beschäftigt seine Frau als Sekretärin. Auf seiner Internetseite zeigt er auch ein Foto sein Frau am Schreibtisch im Stimmkreis-Büro. Rotter findet nichts Anstößiges dabei. "Sie ist eine Top-Fachkraft."

Bei SPD und Grünen, die ebenfalls schon vor dem Jahr 2000 im Parlament saßen, gibt es laut Landtagsamt dagegen nichts Vergleichbares. Ein zunächst genannter SPD-Fall beruhte auf einem Irrtum: Die SPD-Abgeordnete Susann Biedefeld hatte das entsprechende Feld auf einem Formular angekreuzt. Sie hat aber lediglich ihre Schwester für eine 30-Stunden-Woche angestellt. Und solche Beschäftigungsverhältnisse sind weiter völlig legal, über sie gebe es im Landtag auch keine Statistik, hieß es.

Im Parlament sorgte das Thema am Donnerstag für beträchtlichen Wirbel. Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) plant offenbar die Veröffentlichung einer kompletten Liste, allerdings erst an diesem Freitag. Zuvor wolle sie noch mit den Betroffenen reden.

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SZ vom 19.04.2013/tba
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