Politik:"Schamlose Schönfärberei"

Alleinerziehende

Auch wenn es in Summe den Bewohnern Bayerns gut geht, gibt es doch Gruppen, die davon bedroht sich, zu verarmen: zum Beispiel Alleinerziehende.

(Foto: Marcel Kusch/dpa)

Die Opposition übt massive Kritik am Sozialbericht der Staatsregierung und wirft ihr vor, das Armutsrisiko zu verharmlosen

Von Dietrich Mittler

Wenn Sozialministerin Emilia Müller (CSU) an diesem Donnerstag im Landtagsplenum zum Thema "Soziale Lage in Bayern" Stellung nimmt, ist ihr eines gewiss: Die Opposition wird wenig gute Worte über den mittlerweile vierten Sozialbericht verlieren, denn sie sieht darin vor allem eines - "schamlose Schönfärberei", wie es Doris Rauscher, die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, ausdrückt. Der Bericht strotze vor Selbstzufriedenheit. Die Kritik der SPD-Abgeordneten gründet darauf, dass der Sozialbericht mit Vorliebe immer wieder darauf eingehe, wie die Staatsregierung die Probleme bereits gelöst habe. In der Tat lautet der Tenor des Berichts: "Bayern ist gut aufgestellt."

Für Sozialministerin Emilia Müller steht ohnehin unstrittig fest: "Die soziale Lage im Freistaat ist so gut wie nie zuvor." Applaus bekommt Müller dafür von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW). Bayern sei sozialpolitisch gesehen "das gerechteste Land in der Bundesrepublik", sagt VBW-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Die hohe Zahl an sozialversicherungspflichtigen Jobs (5,3 Millionen im Juni 2016) sei die Grundlage für die Absicherung gegen künftige Armut.

Aus Sicht der SPD-Abgeordneten Rauscher lässt der neue Sozialbericht - so umfangreich er mit 541 Seiten auch ist - jedoch wichtige soziale Problemfelder völlig außer Acht. So etwa, dass die Bevölkerung im Freistaat weit mehr an bezahlbarem Wohnraum bräuchte. Rückendeckung bekommt Rauscher von den Gewerkschaften. Im Freistaat, so betont Matthias Jena als Vorsitzender des DGB Bayern, fehlten circa 50 000 Sozialwohnungen. Zwar wolle die Staatsregierung jedes Jahr den Bau von 1500 Wohnungen fördern. "Aber angesichts des rapide wachsenden Bedarfs ist dies nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Jena. Auch gehe der neue Sozialbericht nicht wirklich auf die prekäre Lebenssituation vieler Rentner in Bayern ein, was auch der Sozialverband VdK kritisiert. "Die Staatsregierung verharmlost weiterhin die zunehmende Armutsgefährdung", sagt Jena.

In diese Stoßrichtung zielt auch die Kritik von Kerstin Celina, der sozialpolitischen Sprecherin der Landtagsgrünen. Die Staatsregierung gerade lasse "die seriöse Sozialberichterstattung zur Farce verkommen". Ganze Kapitel im Sozialbericht seien von der CSU-Regierung "ohne externe wissenschaftliche Basis wie ein Wahlprogramm" selbst verfasst worden. Stattdessen, so fordert die Grüne, sollten die Problemlagen "konsequent und ungeschönt aufgezeigt" werden.

Aus Sicht der Freien Wähler fehlt es der Staatsregierung aber am Willen zur Veränderung. Peter Bauer, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, verweist auf das "deutliche Gefälle" zwischen Süd- und Nordbayern, unter dem die fränkischen Regionen litten. Das lasse sich auch dem aktuellen Sozialbericht entnehmen, demzufolge in Mittelfranken und in Oberfranken die Menschen weit mehr von Armut bedroht seien als im restlichen Bayern. "Der Freistaat entwickelt sich in die falsche Richtung", sagt Bauer. Die Staatsregierung müsse sich zudem mehr für die Belange der Frauen einsetzen. Es sei längst absehbar, dass vielen Frauen, die im Niedriglohnsektor beschäftigt sind, "die Altersarmut droht".

Emilia Müller betont indes, es sei durchaus das Ziel der Staatsregierung, trotz allem bereits Erreichten "noch besser zu werden". Sie verliere durchaus nicht die Menschen aus dem Blick, "die es schwerer haben als andere, beispielsweise Langzeitarbeitslose oder Alleinerziehende. Aber klar sei auch. "Die Gefahr, von Armut gefährdet zu sein, ist in keinem Bundesland so gering wie in Bayern", sagt sie. Hinzu komme, "dass es sich dabei meistens nur um eine kurze Lebensphase" handele und nicht um einen Dauerzustand. "Der Anteil der Bevölkerung, der dauerhaft armutsgefährdet ist, hat sich im Freistaat innerhalb von zehn Jahren mehr als halbiert", sagt die Sozialministerin.

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