Umweltschutz:Wie ein Leben ohne Plastikmüll funktioniert

Der Gelbe Sack

Viel Müll war früher: Als Nadine Schubert das zweite Mal schwanger war, beschloss sie, künftig stärker auf Plastik zu verzichten.

(Foto: dpa)

Wimperntusche aus verbrannten Mandeln, Schlämmkreide statt Zahnpasta: Nadine Schubert aus Oberaurach vermeidet Plastik, wo es nur geht.

Von Katja Auer

Die Wimperntusche riecht nach verbrannten Mandeln. Das ist gar nicht so verwunderlich, schließlich besteht sie hauptsächlich aus verbrannten Mandeln. Nadine Schubert röstet sie in der Pfanne, bis sie richtig schwarz sind, zerstampft sie im Mörser und rührt Vaseline und etwas Speisestärke dazu. Das Gläschen mit der schwarzen Paste steht im Badezimmer, die Bürste, um sie aufzutragen, hat Schubert noch aus ihrem alten Leben.

Dem Leben, in dem sie noch Plastik kaufte. Als Mascara-Hülse zum Beispiel.

Weil Nadine Schubert jetzt Plastik vermeidet, aber deswegen nicht auf Kosmetik verzichten will, rührt sie die Wimperntusche selber an. Wie ihr Körperpeeling und das Waschmittel. "Niemand muss Plastik kaufen", sagt die 35-Jährige.

Eine Konsumverweigerin ist sie dennoch nicht

Nun ist Nadine Schubert keine dogmatische Konsumverweigerin, die sich nur von Körnern und Fallobst ernährt und ohne Strom auf einem Einsiedlerhof lebt. Gar nicht. Mit ihrem Mann und den zwei Kindern wohnt sie in dem Dörfchen Neuschleichach im unterfränkischen Landkreis Haßberge, wo sie das Haus ihrer Großeltern renoviert hat. Sie fährt mit dem Auto zur Arbeit und kauft ihre Lebensmittel am liebsten im Dorf. Nur eben ohne Plastik.

"Man muss nicht zur Öko-Extremistin werden", sagt sie. Auch wenn sie ihren Freundinnen mal ins Gewissen redet.

Beim Metzger bringt sie ihre Dose mit - aus Bambus oder Edelstahl - und lässt sich die Wurst direkt hineinlegen. Nein, Vegetarierin ist Nadine Schubert auch nicht. Und im Supermarkt im Ort gibt es jetzt Papiertüten für das Obst, die dünnen Plastikbeutel hat der Betreiber abgeschafft, als sie ihn darauf angesprochen hat. Wenn jemand seltsam guckt, hält sie das aus. "Hier weiß das jeder", sagt sie mit einem fröhlichen Lachen, so ist das eben auf dem Dorf, und mancher mache es tatsächlich nach.

Über ihre Erfahrungen schreibt sie in ihrem Blog

Wie es geht, das Leben ohne Plastik, beschreibt Nadine Schubert in einem Blog (www.besser-leben-ohne-Plastik.de). Früher war sie mal Radio-Moderatorin, inzwischen arbeitet sie im Landratsamt. Aber nur noch zwei Tage die Woche, weil sie die restliche Zeit für ihr Anti-Plastik-Projekt braucht. Sie wird für Vorträge gebucht und hat zusammen mit einer Mitstreiterin jetzt ein Buch geschrieben.

Im Badezimmer liegen die Zahnbürsten aus Holz und drauf kommt statt handelsüblicher Zahnpasta Schlämmkreide. Das Klopapier hängt bei Familie Schubert nicht am Rollenhalter, sondern liegt in einem Körbchen neben der Toilette. Denn die Rollen sind meist in Plastik verpackt und wurden deswegen vom Einkaufszettel gestrichen. Jetzt kauft Schubert in Papier verpacktes Toilettenpapier, das nicht aufgerollt, sondern lose aufeinander gestapelt ist. Manches muss man halt suchen.

Mit ihrer zweiten Schwangerschaft kam das Nachdenken

Im Kinderzimmer gibt es Holzklötzchen. Und Legosteine. Genau, aus Plastik. Denn dogmatisch will Nadine Schubert nicht sein. Deswegen darf auch der Dinosaurier bleiben. Nur neues Zeug, das schnell kaputt geht, will sie nicht im Haus haben. Und wenn eine Tante den Kindern Süßigkeiten schenkt, die eben doch in Plastik eingewickelt sind, dann nimmt sie ihnen die auch nicht weg. Sondern belässt es bei einem Hinweis an die Tanten - und steckt die leere Verpackung in ein großes Bonbonglas in der Küche.

Darin sammelt Nadine Schubert den Plastikmüll, der selbst in einem scheinbar plastikfreien Haushalt noch anfällt. Als Mahnung beinahe. Eine Schokoladentüte ist darin, ein Geschenk noch von Nikolaus, und ein Sektkorken. Es ist der Müll aus mehreren Monaten und das Glas ist längst nicht voll. Aber Nadine Schubert ist es schon zu viel. Es fühlt sich gut an, sagt sie, dass sie kaum noch Abfall produziert.

Selbst in Zahnpasta findet sich Mikroplastik

Angefangen hat es in ihrer zweiten Schwangerschaft vor bald drei Jahren. Da sah die junge Frau einen Bericht über all das Mikroplastik in Zahnpasta, Weichmacher in Wasserflaschen, Plastikmüll in den Weltmeeren. "Ich war ein Konsument wie jeder andere", sagt sie, "aber dann habe ich mir Gedanken gemacht." Vor allem ihr Baby habe sie schützen wollen, es ging ihr erst mal um die Gesundheit. Also hat sie Getränke wieder in Glasflaschen gekauft, das Wasser, die Milch.

Später wollte sie auch Müll vermeiden. Sie kauft kein eingeschweißtes Gemüse mehr. Wie verrückt das eigentlich sei, sagt sie, eine Gurke komplett mit Plastik zu umwickeln. Oder das Obst in eine Kunststoffschale zu legen und dann noch in Folie einzuhüllen. Im Supermarkt in der Nähe oder auch im Naturkostladen bekomme sie das alles auch ohne, sagt sie. Und wenn nicht? "Dann gibt's halt keine Gurke."

Mehl und Zucker gibt es in Papier und die Nudeln bestellt sie zweimal im Jahr im Internet. Ein großes Paket. Nur Chips werden nicht mehr gegessen im Hause Schubert. Denn die sind immer in Kunststoff verpackt. Die kleine Olivia kennt es nicht anders, aber ihr elfjähriger Sohn Emilio musste verzichten lernen, sagt sie. Und wenn der kleine Kerl doch mal dringend Chips braucht, gibt's so was bei der Oma. Oder wird selbst gemacht.

"Da habe ich erst gemerkt, was wir für Konsumjunkies sind"

Irgendwann hat Nadine Schubert ihre Plastikverweigerung auf das ganze Leben ausgedehnt. In den Mülleimer legt sie Zeitungspapier statt eines Beutels. Zahnpasta-Tuben, Duschgel-Flaschen, Shampoo-Verpackung - gibt es nicht mehr. Weil sie nicht einfach alles wegschmeißen wollte - denn Plastik wegwerfen findet sie noch schlimmer als Plastik zu kaufen -, hat sie jahrelang Reste aufgebraucht. "Da habe ich erst gemerkt, was wir für Konsumjunkies sind", sagt sie.

Als der Wasserkocher kaputt ging, kaufte sie keinen neuen, sondern schaffte sich ein Emaille-Töpfchen an, wie es schon ihre Oma benutzte. Auf dem Induktionsherd wird das Wasser darin beinahe genauso schnell heiß. Und einfrieren geht auch in Weckgläsern statt in Plastikdosen, hat sie herausgefunden.

Manchmal allerdings stößt Nadine Schubert an Grenzen. Als sie Emilio für das Gymnasium ausstaffieren musste zum Beispiel. Das Geo-Dreieck gab's nur aus Plastik und die vom Lehrer gewünschten Schnellhefter bekam sie auf die Schnelle nicht aus Papier. Das ärgerte sie zwar, aber sie grämt sich nicht. Realistisch muss es bleiben, sagt sie, sonst funktioniert ein normales Leben mit Job und Familie nicht. Drum hat Olivia auch diese kleinen rosa Gummistiefel. Die sind nicht plastikfrei. Aber ideal zum Draußenspielen.

Tipps für ein plastikfreies Leben

Ihre Tipps für ein Leben ohne Plastik hat Nadine Schubert zusammen mit Anneliese Bunk in ein Buch gepackt. "Besser leben ohne Plastik" erscheint am 22. Februar im Oekom-Verlag und kostet 12,95 Euro. Darin finden sich sowohl Hinweise, wo welche Produkte zu erwerben sind, als auch viele Ratschläge zum Selbermachen.

Anfängern beim Plastik-Verzicht empfehlen die Autorinnen den Umstieg in einfachen Schritten: Einkaufskorb statt Plastiktüte, Seife statt Duschgel, Spenderbox statt in Folie verpackte Taschentücher.

Wer Kunststoff im großen Stil vermeiden möchte, kann viele Dinge selbermachen. Knetmasse zum Beispiel, mit der Kinder gerne spielen. Schubert verrührt dafür je zwei Tassen Mehl, Salz und kochendes Wasser mit zwei Teelöffeln Weinstein- oder Zitronensäure und zwei Esslöffeln Speiseöl. Wenn das Ganze zu einem Teig verknetet ist, lässt es sich in Portionen teilen und mit Lebensmittelfarbe bunt einfärben. Die Masse soll sich mehrere Monate halten, wenn sie luftdicht verpackt wird.

Im Haushalt fällt besonders viel Verpackungsmüll an, weil die meisten Reinigungsmittel in Plastikflaschen verkauft werden. Nadine Schubert macht ihr Waschmittel selber. Dafür raspelt sie Kernseife mit einer Küchenreibe fein und gießt sie mit kochendem Wasser auf. Nach einer Weile kommt noch mal kochendes Wasser dazu, außerdem Waschsoda und Duftöl, wenn das Waschmittel einen besonderen Geruch haben soll. Aufbewahrt wird es in einer leeren Plastikflasche, die immer wieder verwendet wird.

Auch Zahnpasta steckt meist in Plastiktuben. Die lässt sich ebenfalls selbst anrühren, aus Natron, Schlämmkreide und Stevia, das mit leicht erwärmtem Kokosöl vermischt wird. Wer den Geschmack mag, kann noch Pfefferminzöl dazu geben.

Gummibärchen gibt es im Hause Schubert nicht mehr. Also findet sich im Buch eine Fruchtgummi-Alternative. Dafür werden ein halbes Pfund Beeren mit 120 Millilitern Himbeersirup aufgekocht und püriert. Zweieinhalb Teelöffel Agar-Agar, das ist ein pflanzliches Geliermittel, in 60 Millilitern Wasser auflösen und zusammen mit 120 Millilitern Apfelmus und Zucker nach Belieben zu der Beerenmischung geben und eine Minute weiter köcheln. Dann wird die Mischung zum Abkühlen in eine Schale gefüllt. Danach können die Fruchtgummis in Form geschnitten werden. kaa

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