Pläne zur Bundeswehrreform:Rührt euch!

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Aus Angst um Bayerns Bundeswehrstandorte setzt die CSU-Basis ihre Abgeordneten in Bund und Land in Marsch. Mit Karte.

Stefan Braun und Mike Szymanski

Johannes Hintersberger, CSU-Landtagsabgeordneter und Oberstleutnant der Reserve, versucht loyal zu sein. Deshalb betont der Leiter der CSU-Arbeitsgruppe Wehrpolitik im Landtag diesen einen Satz immer ganz besonders: "Wir kommen an dieser Reform der Bundeswehr nicht vorbei. Sie ist richtig." Nein, er - Hintersberger - wird nicht meutern. Aber es fällt ihm nicht leicht.

Klicken Sie auf die Karte, um sie zu vergrößern. (Foto: SZ-Grafik/Bundeswehr)

Gleich geht es im Plenarsaal des Landtags um die Reform der Bundeswehr. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will die Truppe von 250.000 auf 185.000 Mann reduzieren. Die Wehrpflicht ist schon Geschichte. Reihenweise haben im vergangenen Jahr die Reform-Kritiker in der CSU ihre Bedenken über den Haufen geworfen und waren ins Guttenberg-Lager übergelaufen. Auch Hintersberger.

Aber jetzt, da es ernst wird und tatsächlich bald Standorte geschlossen werden müssen, verlässt einige der Mut. Hintersberger, 57, hat einen Dringlichkeitsantrag verfasst, Drucksache 16/7109. Darin wirbt er für den Erhalt von Arbeitsplätzen in den Rüstungsbetrieben und in den Kasernen. Es ist eine Warnung an Berlin.

Bayern lebt bisher gut von der Bundeswehr, ihren Soldaten und den üppigen Aufträgen für die Rüstungsfirmen. In Bayern werden Kampfhubschrauber gewartet, Drohnen entwickelt und Getriebe für Panzer gebaut. Wenn Guttenberg in Berlin seine Reform wie geplant umsetzt, könnte Bayern sehr viel verlieren. Das macht die Wehrreform zum innerparteilichen Konfliktfeld - und den Ministerpräsidenten Horst Seehofer sehr schnell zu Guttenbergs größtem Gegenspieler. Formal und offiziell unterstützt er zwar Guttenbergs Kampf im Ringen um genügend Geld aus dem Bundeshaushalt. Am Ende wird aber entscheidend sein, wie viele Standorte in Bayern übrig bleiben.

Vergangene Woche hat Guttenberg schon einmal zu spüren bekommen, worauf er sich einstellen muss. Als hätte der Verteidigungsminister mit den Affären auf der Gorch Fock und in Afghanistan nicht schon genug Probleme, erhöhte Seehofer von Bayern aus den Druck. Für jede einzelne Kaserne wolle er kämpfen, sagte Seehofer. "Da werde ich alles in die Waagschale werfen, was wir haben." Guttenberg komme aus Bayern und habe sicher auch die bayerischen Interessen im Sinn, fügte der CSU-Chef hinzu. Und das sagt alles.

Am Montag, nach der Sitzung des Parteivorstandes in München, bei der Guttenberg fehlte, legte Seehofer noch einmal nach. Die Rüstungsindustrie melde "SOS", Tausende teils hoch qualifizierte Jobs seien gefährdet. "Was hier möglicherweise verlorengeht, kriegen wir nie wieder zurück", warnte Seehofer. "Ich bitte darum, dass hier schnell Klarheit geschaffen wird." Und selbst das war noch nicht alles. Als die bayerischen CSU-Minister am Dienstag vor der Kabinettssitzung zusammenkamen, wurde wieder lange über die Bundeswehrreform gesprochen. Und auch in dieser kleinen Runde wird die Kritik immer lauter: "Guttenberg hat bis jetzt nicht einmal den Ansatz eines Konzepts", beschwerte sich einer aus der Runde.

So gesehen ist das schöne Leben des Überfliegers tatsächlich fürs Erste Geschichte. Denn was sich da in München zusammenbraut an Druck und Erwartung, wächst auch in Berlin unter den Christsozialen mittlerweile zum Sturm an. Nicht dass der Konflikt bereits auf offener Bühne ausgetragen würde.

Noch findet er seinen Niederschlag am Rande offizieller Gespräche, also im kleinen Zwiegespräch da oder im kurzen Dialog dort. Aber die Grundstimmung in der CSU-Landesgruppe, so sagt es einer aus ihrer Führung, "ist höchst angespannt wegen der offenen Flanke". Entsprechend kann man derzeit überall, wo Guttenberg auftritt, sehr schön beobachten, wie erst der eine, dann der nächste und dann der dritte CSU-Abgeordnete auf den Verteidigungsminister einspricht. Mal passiert das im Plenum des Parlaments, dann am Rande der Landesgruppensitzung oder vor dem Treffen der Fraktion - immer sucht einer oder eine das Ohr des Ministers. Noch setzen die meisten darauf, dass sie selbst bei ihm was bewirken. Gleichwohl aber "brennt es allen bereits unterm Hintern", wie es ein langjähriges Mitglied der Landesgruppe ausdrückt.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will die Truppe von 250.000 auf 185.000 Mann reduzieren. (Foto: dapd)

Verwunderlich ist das nicht. Denn bisher ist die Debatte über die Wehrpflicht zwar nicht einfach, aber ziemlich abstrakt geblieben. Mit der Umsetzung der Reform und den Zwängen des Sparens wird es nun dagegen sehr konkret werden. Alle, die betroffen sind, weil sie Standorte im Wahlkreis haben, stehen nach Einschätzung der Berliner Fraktionsspitze vor einer Alternative: "Schaffst du es, den Standort zu retten, bist du der Held. Schaffst du es nicht, bist du eine ganz große Pfeife."

Was das im Selbstverständnis der CSU heißt, muss gar nicht länger ausgeführt werden: Verlieren will unter diesen Umständen keiner. In einzelnen Wahlkreisen ist der Kampf schon in vollem Gange - und der örtliche CSU-Bundestagsabgeordnete steht im Feuer.

Deshalb wächst in der Landesgruppe auch der Unmut. Solange Guttenberg nicht konkreter wird und nichts vorlegt, wissen die Parlamentarier nicht, wie sie sich wehren können. Die Angst ist groß, der Minister könnte es handhaben wie zu Beginn der Wehrdebatte: von oben herab einfach Ergebnisse verkünden. "Nur wenn er mit den richtigen Kriterien transparent eine faire Lastenverteilung begründet, kann das für ihn und für uns ein gutes Ende finden", lautet die Parole.

Dennoch wird es Schließungen und Verlierer geben. "Vielleicht wollte das der eine oder andere vorher nicht sehen", sagt Wehrexperte Hintersberger in München. Er rechnet so: "1000 Mann weniger sind ein Standort." So gesehen hat Alexander Dobrindt, CSU-Generalsekretär mit großen Kasernen im oberbayerischen Bundestagswahlkreis, Recht mit seiner Botschaft: "Jeder Abgeordnete steht in der Verantwortung, für seinen Standort zu kämpfen."

Also reden sie mit Guttenberg. Und sie schreiben Briefe in der Hoffnung, ihn wenigstens so zu erreichen. Briefe wie jenen, den Johannes Singhammer im Herbst an das Ministerium schickte: "Mehrfach wurde ich darauf angesprochen, dass der Bestand des Wehrbereichskommandos IV in München gefährdet sei, (...) dies wäre eine mehr als enttäuschende Entscheidung." Mehr als enttäuschend? Das klingt noch diplomatisch.

© SZ vom 04.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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