Süddeutsche Zeitung

Pläne für B 15 neu:Seehofers Kehrtwende nach elf Tagen

Lesezeit: 3 min

Von Frank Müller, Christian Sebald und Wolfgang Wittl, München

Richard Mergner kann sich gut erinnern, wie er sich bei Innenminister Joachim Herrmann bedankte. Es ist ja auch noch nicht lange her: Am 19. Januar verkündete Herrmann das Aus für den weiteren Ausbau der B 15 neu - jener autobahnähnlichen Trasse zwischen Regensburg und Rosenheim, die seit Jahrzehnten zu den umstrittensten Straßenbauprojekten Bayerns zählt. Mergner, der Landesbeauftragte im Bund Naturschutz, beglückwünschte Herrmann ausdrücklich zu diesem aus seiner Sicht weisen Kabinettsbeschluss. Nun, nur elf Tage später, fiel ihm erst einmal nichts mehr ein. "Perplex" und "wie unter Schock" sei er. Denn so schnell wie diesmal hatte die Staatsregierung aus Sicht der Naturschützer eine Rolle rückwärts wohl noch nie vollzogen.

Entgegen dem jüngsten Beschluss im Ministerrat teilte die Staatskanzlei am Freitag mit, nun doch zwei Trassen südlich von Landshut für den Bundesverkehrswegeplan anzumelden. Die zuletzt heftig umstrittenen Abschnitte in den Landkreisen Landshut, Mühldorf und Erding sollen zwar nicht mehr weiterverfolgt werden, dafür taucht eine alte Bekannte wieder auf: die bereits raumgeordnete und seit Jahrzehnten bestehende Trasse im Kreis Mühldorf. Und darüber hinaus der Ausbau der bestehenden B 15 alt mit Ortsumfahrungen. Ziel sei eine leistungsfähige und naturverträgliche Verkehrserschließung zwischen Regensburg und Rosenheim.

Der Mitteilung vorausgegangen war ein zweistündiges Treffen am Donnerstagabend in der Staatskanzlei mit mehr als 20 CSU-Mandatsträgern, unter ihnen Minister, Abgeordnete und Lokalpolitiker. Teilnehmer berichten von einer "konstruktiven Zusammenkunft", selbst die bei diesem Thema rivalisierenden Landräte aus Erding und Mühldorf sollen Nettigkeiten ausgetauscht haben. Mancher stellte sich nur die Frage, weshalb man nicht bereits früher miteinander gesprochen habe. Womöglich hätte man dem Innenminister dann erspart, öffentlich wie ein Umfaller dazustehen. Die Führungsriege habe mangelnde Kommunikation eingeräumt.

Die Grünen kritisieren nicht nur, Seehofer liefere "eine seiner bekannten Kehrtwenden" ab, sondern beschädige auch seinen Verkehrsminister. Herrmann nämlich habe die mangelnde Notwendigkeit der B 15 neu wie auch die Stimmung in der Bevölkerung richtig erkannt. Doch "wenn Kabinettsbeschlüsse nur noch eine Halbwertszeit von wenigen Tagen haben, zeigt das, wie zentralistisch Bayerns Regierung funktioniert", sagt Markus Ganserer, der verkehrspolitische Sprecher der Landtags-Grünen.

Seehofers Regierungsstil? "Monarchisch"

Herrmann hatte das Aus für die B 15 neu mit den Worten begründet, es gebe einfach keine konsensfähige Lösung für die Strecke zwischen Landshut und Rosenheim: Deshalb werde man auch keine Platzhaltertrasse für den Bundesverkehrswegeplan anmelden. Nun aber sei doch wieder alles anders. Man könne Seehofers Regierungsstil nur noch als "monarchisch" bezeichnen, sagt Ganserer.

In der CSU sieht man keinen Konflikt zwischen Seehofer und Herrmann. Vielmehr hat es bereits bei der Landtagsklausur in Wildbad Kreuth erste Versuche der B-15-Befürworter gegeben, den Ministerpräsidenten zum Umdenken zu bewegen. Die Initiative ging von Ex-Parteichef Erwin Huber, der Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses ist, und dem Landshuter Landtagsabgeordneten Helmut Radlmeier aus. Beide feierten die veränderte Lage am Freitag als "großen Erfolg".

Man habe verkehrspolitisch gerade noch "die Kurve gekriegt", erklärt Radlmeier. Huber sieht in der "gleichwertigen und ergebnisoffenen Anmeldung von zwei Trassen" eine große Chance, mit den Kommunen zusammen "die bestmögliche Variante" zu finden. Als Wirtschaftspolitiker gehe es ihm besonders um eine leistungsfähige Nord-Süd-Verbindung zwischen Regensburg und Rosenheim. Seehofer hatte das Thema B 15 neu in seiner Rede hinter verschlossenen Türen in Kreuth zwar angesprochen, laut Teilnehmern aber als eher untergeordnet bewertet. Er habe jedoch zugesichert, die Debatte noch einmal zu starten, falls es in der Region zu großer Unruhe komme.

Druck kam vor allem von den Wirtschaftsverbänden. Nur wenige Stunden vor dem Treffen am Donnerstag hatten mehrere IHK-Präsidenten einen Brandbrief an den Ministerpräsidenten veröffentlicht, in dem sie "das abrupte Aus" für die B 15 neu scharf kritisierten. Diese gehöre zu den wichtigsten Straßeninfrastrukturprojekten in Bayern.

Am größten war der Widerstand im verkehrsmäßig stark belasteten Raum Landshut. Oberbürgermeister Hans Rampf (CSU) begrüßte die Entscheidung der Staatsregierung. Die benötigte Südostumgehung soll erst zur B 299 und dann weiter zur B 15 alt in Richtung Erding gebaut werden, das habe absoluten Vorrang. Am Freitag wollte der Landshuter Stadtrat dazu eine Resolution verabschieden.

Die Arbeiten für die Umgehung sollen möglichst 2019 beginnen, wenn der Anschluss der B 15 neu an die A 92 fertiggestellt ist. Ob, wann und auf welcher Strecke die B 15 neu weiter nach Süden gebaut wird, ist laut CSU-Kreisen völlig offen. Durch die Aufnahme der verschiedenen Trassen in den Bundesverkehrswegeplan werde lediglich ein Platzhalter geschaffen, um das Projekt nicht für immer zu beerdigen.

Naturschützer werfen der Staatsregierung vor, sie wolle nur Zeit gewinnen. Seehofer wolle den Schwarzen Peter an das Bundesverkehrsministerium nach Berlin schieben, sagt BN-Mann Mergner. Die Entscheidung für zwei weitere Trassen bezeichnet er als "Rückfall in alte unselige Zeiten", die CSU habe aus dem Bau der A 94 durch das Isental nichts gelernt. Es fehle immer noch an einem ausgewogenen Verkehrskonzept zwischen Schiene und Straße. Klar sei auch: Eine konfliktfreie Trasse werde es nicht geben, sagt Mergner: "Diese Entscheidung stachelt uns nur an, weiter Widerstand zu leisten." Die Grünen haben bereits einen Dringlichkeitsantrag angekündigt. Die Zeit der Ruhe für die zahlreichen Gegner der B 15 neu hat gerade einmal elf Tage gehalten.

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SZ vom 31.01.2015
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