Die Behörden haben schon seit Jahren Hinweise auf möglichen sexuellen Missbrauch in dem ehemaligen katholischen Piusheim in Baiern bei München. Bei der regionalen Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder in Bayern meldeten sich nach Angaben des Landesjugendamtes zwischen 2012 und 2018 insgesamt 28 frühere Bewohner des Erziehungsheimes.
Was genau sie angaben, im Piusheim erlebt zu haben, konnte der Leiter des Landesjugendamtes, Hans Reinfelder, allerdings nicht sagen. "Eine Differenzierung, ob deren Begründung für eine Hilfestellung alleine auf sexuellem Missbrauch beruhte und ob die antragstellenden Personen in der Zeit von 1949 bis 1975 auch zusätzlich in einem anderen Heim waren, können wir nicht leisten", teilte er auf Anfrage mit. Die Beratungsstelle wurde im Rahmen des Fonds "Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975" zum 1. Januar 2012 beim Bayerischen Landesjugendamt eingerichtet. Zum Ende des Jahres 2018 lief dieser Fonds aus. Die Beratungsstelle wird seither vom Freistaat finanziert.
Das Piusheim ist ins Visier der Justiz geraten. Die Staatsanwaltschaft München II hat Vorermittlungen gegen einen ehemaligen Erzieher und einen damals angehenden Priester aufgenommen. Ein selbst wegen sexuellen Missbrauchs Angeklagter hatte vor Gericht von seiner Zeit im Piusheim berichtet und die Vorermittlungen damit angestoßen.
Seit Bekanntwerden der Vorermittlungen melden sich immer mehr ehemalige Bewohner des Heims. Eine Person hat sich laut Staatsanwaltschaft München II an die Behörde gewandt, weil sie Angaben machen möchte. "Welcher Art die Angaben sind, wird sich im Rahmen der Einvernahme zeigen", sagte Staatsanwältin Karin Jung. Bei der Opfer-Initiative "Eckiger Tisch" meldeten sich nach Angaben ihres Sprechers Matthias Katsch seit Beginn der Woche bislang neun mutmaßlich Betroffene oder Zeugen, die beispielsweise in dem Heim gearbeitet haben. "Nach den Schilderungen, die mich erreichen, war das eine höllische Einrichtung", sagte Katsch.