Piusbrüder: Umstrittene Weihe:Gelobt sei der Starrsinn

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Die erzkonservativen Piusbrüder haben drei Priester geweiht - dem Vatikan und der Moderne zum Trotz. Und sie scheinen noch lange nicht fertig zu sein, mit der Rettung der Welt.

Sebastian Beck

Vor Beginn der Heiligen Messe muss Pater Andreas Steiner sich erst einmal fürchterlich aufregen. Der Sprecher der Piusbruderschaft steht da in seiner schwarzen Soutane, mitten auf dem Fußballplatz des Priesterseminars, auf dem heute Bierbänke mit Blick zum Altar aufgebaut wurden. Der Dauerregen hat aufgehört, was durchaus als schöne Geste der Unbefleckten Muttergottes verstanden werden könnte, doch Steiner ist im Moment ganz dem Irdischen zugewandt. Der Berichterstattung im Südwestrundfunk beispielsweise, über die er sich ganz besonders ärgert.

Zaitzkofen am Samstag: Die umstrittene Piusbruderschaft weiht im bayerischen Zaitzkofen drei Priester - trotz Verbots. (Foto: Foto: AP)

Von einem kruden Weltbild der Piusbruderschaft sei da die Rede gewesen. All diese aus dem Zusammenhang gerissenen Zitate, die dauernden Unterstellungen, man sei rechtsradikal. Ja, mit den Geboten nehme man es halt ein bisschen ernster als andere. Und bitte, was sei den da schon dabei, wenn die Jugendzeitschrift Kreuzzug heiße? Und die Sünde, hebt Steiner an, der nun wirklich in Fahrt gekommen ist, die Sünde gebe es nun mal auch. Sollten sich die Piusbrüder wegen ihrer Überzeugung einen gelben Judenstern auf die Brust nähen lassen? Wo bleibe da das Recht auf Religionsfreiheit?

Für weitere Analysen hat Steiner keine Zeit mehr. Gleich geht es los, die Kameraleute wollen wissen, wo sie aufbauen dürfen. Die Bruderschaft weiht mit großem Pomp drei Priester und zwei Diakone, der dritte Diakon-Kandidat fällt aus: Er hat sich beim Fußballspielen das Bein gebrochen. Vom Vatikan ist die Veranstaltung zwar für illegitim erklärt worden und auch die Deutsche Bischofskonferenz reagierte empört, den Piusbrüdern ist das freilich egal. Sie machen einfach nur das, was sie in den vergangenen vier Jahrzehnten schon mehr als hundertmal gemacht haben. Eine Priesterweihe, sagt ihr Ordensoberer Bernard Fellay, das sei doch so normal wie das Atmen. Von wegen Provokation.

Es soll wieder ein katholisches Spektakel werden hier im niederbayerischen Zaitzkofen, fernab von den Großstädten, diesen Stätten der moralischen Verderbnis, wie es Bischof Richard Williamson so griffig formuliert hatte, als er vor einem Jahr die Priesterweihe hielt. Damals waren nur ein paar Lokalreporter dabei, diesmal sind es gut 50 Journalisten, die Piusbruderschaft hat inzwischen international Karriere gemacht, wenngleich nicht unbedingt an Renommee gewonnen.

Im stillen Gebet

Das gilt besonders für Bischof Williamson, der sich in London angeblich ganz dem stillen Gebet widmet, während in Deutschland die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt. Im November 2008 hatte Williamson am Rande einer Diakonweihe hier in Zaitzkofen den Holocaust und die Existenz von Gaskammern geleugnet. Das Interview wurde fast zeitgleich mit der Nachricht bekannt, wonach Papst Benedikt XVI. die vor zwei Jahrzehnten verhängte Exkommunikation gegen vier Bischöfe der Piusbruderschaft zurückgenommen hatte - darunter auch Williamson. Mehrere für den Vatikan peinliche Wochen vergingen, bis der Papst nach weltweiten Protesten Fehler einräumte.

Trotzdem will Benedikt XVI. die erzreaktionäre Bruderschaft wieder in die katholische Kirche einbinden. Der Generalobere Fellay ist daher durchaus zufrieden mit dem Heiligen Vater in Rom, der neuen Schwung in die Diskussion gebracht habe: Bei Benedikt XVI., freut er sich, sei in einigen Fragen doch eindeutig der Wille zur Restauration zu erkennen. Fellay lächelt an diesem Tag in Zaitzkofen sein allergütigstes und barmherzigstes Bischofslächeln. Segnend und grüßend schreitet seine Exzellenz durch Reihen der Anhänger, von denen die Frömmsten vor ihm sogleich auf die Knie werfen und bekreuzigen. "Das sind Zeremonien, die nähren, die Kraft geben", frohlockt Fellay nach dem Ende der Priesterweihe, die sich über mehr als vier Stunden hinzieht.

Gut 1200 Menschen aus ganz Europa nehmen daran teil. Wer aus Schaulust und wer aus Überzeugung zu den katholischen Traditionalisten gekommen ist, lässt sich schwer auseinander halten. Denn schon optisch macht der Ritus weit mehr her als jeder ökumenische Wortgottesdienst, der für die Piusbrüder nur eines von vielen Anzeichen für die Protestantisierung der katholischen Kirche und damit ihres Niedergangs ist.

Um den barocken Freiluftaltar mit den Marienbildern hat sich eine Hundertschaft von Seminaristen, Priestern, Bischöfen und Ministranten versammelt. Die Frauen unter den Besuchern des Gottesdienstes tragen sehr züchtige Röcke und bedecken sich den Kopf mit Tüchern. Auch die Schülerinnen des Mädchengymnasiums in Schönenberg bei Bonn haben ihre blauweißen Uniformen angelegt, die von allen Moden verschont geblieben sind. Neben den sechs Sonnenschirmen im hinteren Teil des Parks bilden sich lange Warteschlangen - hier besteht die Möglichkeit zur Beichte, denn die Sündhaftigkeit des Menschen treibt die Piusbruderschaft ebenso um, wie die in ihre Augen sehr reale Gefahr, nach dem Tod in der Hölle zu schmoren.

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Sakrilegisches Gift

So wirkt sie ein bisschen wie aus der Zeit gefallen, die Priesterweihe. Aber das ist auch so gewollt. Weihbischof Alfonso de Galarreta aus Argentinien sagt es in seiner einstündigen Predigt ganz deutlich: Die Heilige Messe sei die Grundlage der christlichen Zivilisation. Aber nicht irgendeine Heilige Messe, sondern nur die einzig wirklich gültige, nämlich die tridentinische Liturgie in lateinischer Sprache, wie sie bis zum II. Vatikanischen Konzil alleine üblich war.

Alles, was danach kam, ist in den Augen der Piusbrüder für den Glauben ein sakrilegisches Gift. Deshalb sei es zwar eine schöne Geste von Papst Benedikt XVI., dass er die alte Liturgie ausdrücklich wieder zugelassen habe. Allein, das reiche nicht aus: Die Bruderschaft beharrt darauf, dass das II. Vatikanische Konzil in wesentlichen Teilen wieder rückgängig gemacht wird - mit seiner Öffnung zur modernen Welt, dem Bekenntnis zur Religionsfreiheit und der ganzen liberalen Freimaurerei. "Wenn die Kirche so weitermacht, dann ist sie in 15 oder 20 Jahren nicht mehr da", sagt Fellay in Zaitzkofen und bietet dem Vatikan die Hilfe seiner Bruderschaft an. Man wolle doch nur Seelen retten.

Für den Herbst hofft er nun auf den Beginn der Gespräche mit dem Vatikan über den künftigen Status der Piusbruderschaft innerhalb der katholischen Kirche. Eine sehr komplizierte Angelegenheit sei das. Die Priesterweihe vom Samstag, sagt Fellay, sei im übrigen vom Papst keinesfalls verboten worden: "Es ist politisch toleriert." Noch am Sonntag schwieg Rom zur Weihe von Zaitzkofen, obwohl für den heutigen Montag bereits die nächste Priesterweihe in der Schweiz angekündigt ist.

Ein Grund für die Zurückhaltung dürfte auch sein, dass die Piusbruderschaft zu beachtlicher Größe herangewachsen ist: Sie stellt nunmehr 500 Priester und versammelt weltweit etwa 600.000 Anhänger hinter sich. Vor allem aber steht sie mit ihren Ansichten dem konservativen Klerus viel näher als katholische Reformchristen, die am Zölibat herumnörgeln und ökumenische Gottesdienste feiern wollen.

"Ich glaube, dass der Heilige Geist auch den Heiligen Vater führt", sagt Fellay, der sonst ganz auf Mariens Hilfe vertraut. Erst vor wenigen Wochen hat er das Projekt "Gebetssturm" in Angriff genommen, "eine weitreichende Offensive", die belegt, dass sich Schwerfrömmigkeit und Sportsgeist nicht ausschließen: Es geht um die Liebe Frau von Fatima und die Ausbreitung der Andacht zu ihrem schmerzhaften und Unbefleckten Herzen. Um dies zu befördern, soll die Anhängerschaft zwölf Millionen Rosenkränze beten. Ein entsprechendes Formular kann aus dem Internet geladen werden. Zwölf Millionen - auf dass Maria sich erbarme.

© SZ vom 29.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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