Piratenpartei in Regensburg:"Labern können die anderen besser"

Tina Lorenz Piratenpartei Regensburg

Das Wahlplakat von Tina Lorenz von der Piratenpartei Regensburg.

(Foto: oh)

Piratin Tina Lorenz gilt als Exotin unter den neun OB-Kandidaten in Regensburg. Die Stadt ist eine von nur fünf Kommunen in Bayern, in der die Piraten es geschafft haben, eine eigene Liste aufzustellen. Damit hatte selbst die 31-Jährige kaum noch gerechnet.

Von Wolfgang Wittl

Ein grauer Februartag, es gießt wie aus Kübeln. Das osteuropäische Klagelied einer Frau mit ein paar Centmünzen auf dem Schoß wabert durch die leere Regensburger Fußgängerzone. Wenige Meter weiter steht ein Pavillon, Passanten hasten daran vorbei.

Ein junger Mann erkundigt sich nach dem Drogen- und Sozialprogramm, doch eine Stunde später wird der völlig durchweichte Stand abgebaut sein, lange bevor es sein müsste. "Schwierig bei so einem Wetter", sagt Tina Lorenz. Für die Piraten noch mehr als für andere Parteien.

Lorenz, 31, ist eine von neun Regensburger Oberbürgermeisterkandidaten. Sie ist die Jüngste, die einzige Frau, und man tritt ihr nicht zu nahe, wenn man sie als Exotin unter den Bewerbern bezeichnet. Lorenz spricht erfrischend klar und stets zur Sache. Wenn sie an einem Podium teilnehmen darf, schöpft sie ihre Redezeit selten aus. "Labern", sagt sie, "können die anderen besser." Daran merke man halt, "dass ich noch nicht so lange im Betrieb bin."

Dass die Regensburger Piraten zur Wahl antreten dürfen, damit hatten sie selbst nicht mehr gerechnet. 385 Unterschriften waren zur Zulassung nötig, eine Woche vorher fehlten noch 250. Am Ende waren es gut 400, seitdem ist für Lorenz alles anders. Auf eine Werbeagentur zurückzugreifen, davon kann sie nur träumen.

Aus zehn bis 15 Leuten besteht der harte Kern ihres Teams. Lorenz kümmert sich um Plakate ebenso wie um Kabelbinder, ihre 57-Quadratmeter-Wohnung geriet unfreiwillig zum Wahlkampflager. 10 000 Flyer stehen im Wohnzimmer, auf dem Küchentisch liegen 400 Kugelschreiber. Werbung nur im Netz - das reicht nicht mal den Piraten.

Regensburg ist eine von lediglich fünf Kommunen in Bayern, in der die Piraten es geschafft haben, eine eigene Liste aufzubieten. Die Chancen, hier den Oberbürgermeister zu stellen, dürften ähnlich aussichtslos sein wie in München, Nürnberg, Gauting oder Fürstenfeldbruck.

Nicht Letzte zu werden, das wäre bereits schön, sagt Lorenz. Dass die Piraten vor zwei Jahren landesweit noch viel besser dastanden, ficht sie nicht an. Was solle dann erst der arme Kerl von der FDP sagen? Man könne dies auch positiv sehen: "Wir haben noch die Freiheit für große Entwürfe, wir müssen noch keine Realpolitik machen."

Mehr Transparenz und mehr Kultur

Trotzdem hat Tina Lorenz sehr konkrete Vorstellungen davon, was sie anders machen würde: Mehr Transparenz wolle sie vermitteln, nicht ständig die aktive Bürgerschaft ausbremsen, mehr für arme und arbeitslose Menschen tun, mehr für die Kultur. Die Kandidatur biete die Chance, den Piraten auf lokaler Ebene ein Gesicht zu geben, sagt sie - auch wenn der Dauer-Wahlkampf langsam an die Substanz geht: Bundestag, Landtag, Kommunales, dann Europa, "das zermürbt einen schon". Dann tröstet sie sich mit dem Gefühl, "echt nicht der Depp in der Parade" der Bewerber zu sein.

Inzwischen wird sie von den anderen sogar gegrüßt, das war offenbar nicht immer so. Seit sie als OB-Kandidatin zugelassen ist, wird Lorenz auch zu den meisten Gesprächsrunden eingeladen - und mitunter ernst genommen. Der Mann von der Linken applaudierte ihr unlängst auf offener Bühne, als echte Konkurrenz wird sie allerdings nicht wahrgenommen.

Eher wie ein Mädchen, dem man manchmal helfen muss. Darüber kann sich Tina Lorenz dann ehrlich aufregen. Als sie unlängst bei einer Wirtschaftsfrage zögerte, wollte ihr der SPD-Kandidat in guter Absicht vorsagen. Lorenz besteht dann darauf, dass sie "Dinge auch ganz alleine nicht wissen kann".

Politisiert wurde die Berlinerin im Chaos Computer Club, vor acht Jahren kam sie nach Regensburg. Tina Lorenz arbeitet als Dozentin an der Akademie für Darstellende Kunst, hat ein Kind, um das sie sich gemeinsam mit dem getrennt lebenden Vater kümmert. "Wahlkampf ist Vollzeit, auch bei mir", sagt sie, doch aufgeben wollen würde sie die Politik nicht mehr. Nicht jetzt, wo sie sich mit ernsthaften Themen beschäftigen kann.

Vor Monaten mussten sich die Piraten jede Aufmerksamkeit noch mit schrägen Aktionen erkämpfen. Als der US-Botschafter während der NSA-Affäre nach Regensburg kam, kündigten sie an, sich in der Fußgängerzone zu entblößen. Am Ende standen zehn Piraten und doppelt so viele Journalisten auf der Straße, die forderten, endlich auch die letzten Hüllen fallen zu lassen.

Von einer konventionellen Politikerin ist Tina Lorenz indes weit entfernt. Bei einer Veranstaltung des Ausländerbeirats stehen sie zu siebt hinter kleinen Tischen, 37 Gäste sind gekommen, kein einziges lokales Medium. Als Lorenz nach zwei Stunden vorzeitig aufbricht, schauen manche ungläubig hinterher: Sie müsse den Babysitter ablösen, ruft sie noch - und weg ist sie.

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