Piraten in Bayern:Körner als Vorsitzender bestätigt

Zu viel Selbstbeschäftigung, zu wenig bayerische Themen: Zuletzt herrschte Frust bei den Piraten im Freistaat. Auf dem Landesparteitag bleibt nach langen Diskussionen dennoch zunächst alles beim Alten - auch an der Spitze. Eine womöglich interessante Diskussion über die Finanzen bleibt aber aus.

Oliver Hollenstein, Maxhütte-Haidhof

Karl Justus Human sucht geistige und seelische Verwandte. Das schreibt der 43-jährige Iraner auf seiner Internetseite. Seit 11 Jahren lebt Human in Deutschland. "Ich komme aus einer Diktatur", sagt er. "Und ich fürchte auch in Deutschland um die Demokratie." Die Piraten seien da eine Hoffnung. "Aber ich glaube, die Partei braucht ein Profil."

Parteitag der bayrischen Piratenpartei

"Die Basis entscheidet - und fertig!": Mit dieser Devise sicherte sich Stefan Körner die Stimmen zur Wiederwahl als Vorsitzender der Piraten in Bayern.

(Foto: dpa)

Vor zwei Monaten ist Human in die Partei eingetreten, am Samstag kandidierte er auf dem Landesparteitag im oberpfälzischen Maxhütte-Haidhof für den Landesvorsitz der bayerischen Piraten. "Angeblicher Pirat aus der Oberpfalz stellt sich zur Wahl", twittert ein Parteikollege bei dessen Vorstellungsrede. "Zwei Monate Mitglied, wir Oberpfälzer kennen ihn nicht." Am Ende erreicht Human trotzdem 26 Stimmen, immerhin jeder zwölfte anwesende Pirat sympathisierte mit dem unbekannten Neuling.

Die Piraten sind anders als andere Parteien, das ist oft gesagt worden. Vor allem von den Piraten selbst. Mit Erfolg: Im Herbst und Frühjahr zogen die Politneulinge in vier Landtage ein. Das wollen sie im nächsten Jahr auch in Bayern schaffen. Mit 7000 Mitgliedern haben die Piraten im Freistaat so viele Mitglieder, wie in keinem anderen Bundesland - sogar deutlich mehr als FDP und Linke und fast so viele wie die Grünen.

Doch unter den Piraten regte sich zuletzt Frust: Zu viel Selbstbeschäftigung, zu wenig bayerische Themen, und das ein Jahr vor der Landtagswahl, murrten viele. Auf dem Parteitag geht es daher auch um die künftige Ausrichtung, die organisatorischen Entscheidungen, wie und durch wen Bundes- und Landtagswahlkampf gemanagt werden sollen. Doch am Samstag blieb zunächst alles beim Alten: Die Piraten diskutierten viele Stunden über sich selbst, Inhalte kamen nur am Rand vor - und Parteichef Stefan Körner wurde mit komfortabler Mehrheit im Amt bestätigt. Dann wurden aber doch noch zwei neue Gesichter in den Landesvorstand gewählt.

Dass es noch ein veritabler Piratenparteitag werden würde, da hatten einige Anwesende am Morgen schon gezweifelt. "W-Lan-Passwort, W-Lan-Passwort!", schallten Chöre durch die Turnhalle, als Körner mit 20 Minuten Verspätung die Bühne in der Turnhalle betrat. Den Technikern war es nicht gelungen, eine stabile Internetleitung aufzubauen. Für eine Partei, die bei Parteitagen aktuelle Twitter-Botschaften via Beamer auf eine Leinwand projiziert, nahezu ein Desaster. Doch offensichtlich hatten die meisten der Parteimitglieder neben ihren Laptops auch mobile Internetzugänge dabei - wodurch sich in der Halle und via Twitter doch noch eine rege Diskussion entwickelte.

"Wird schon stimmen"

Zu diskutieren hatten die Piraten nämlich einiges. Im Kampf um den Parteivorsitz gab es eine ernstzunehmende Alternative für Körner: Die Erlangerin Christina Grandrath kritisierte die parteiinterne Kommunikation und die verbesserungswürdige Außendarstellung der Partei. "Unsere Themen müssen raus aus dieser allwissenden Rumpelkiste - raus ins Schaufenster", sagte sie unter dem Jubel der Parteimitglieder über das Piraten-Wiki. Nach der verlorenen Vorsitzendenwahl ließ sich Grandrath überreden, für den Parteivize zu kandidieren - und wurde mit deutlicher Mehrheit gewählt.

Eine für Piratenverhältnisse überwältigende Mehrheit erhielt am Abend Bruno Kramm bei der Wahl zum Geschäftsführer des Landesverbandes. Der Musikproduzent aus dem oberfränkischen Wirsberg ist Chefdebattant der Bundespiraten in der Urheberrechtsdebatte. Kramm rief die Piraten in einer emotionalen Rede zu mehr "Real-Life-Kontakten" und einer stärkeren Konzentration auf bayrischen Themen auf. Grandios, fulminant, unerreichbar, überschlugen sich anschließend die Twitter-Kommentare. Am Ende drängte er mit 79 Prozent der Stimmen den bisherigen Geschäftsführer Aleks Lessmann aus dem Amt.

Die Kritik der vergangenen Wochen hatte sich vor allem auf Lessmanns Art der Öffentlichkeitsarbeit konzentriert. Körner, für viele das Gesicht der bayerischen Piraten, punktete dagegen auch am Samstag wieder mit seiner ur-piratischen Einstellung: "Ich werde mich nicht hinstellen und sagen, was meine politischen Vorstellungen sind", sagte er. "Die Basis entscheidet - und fertig."

Die 320 Parteimitglieder entschieden am Samstag dann auch über alles Mögliche: Zunächst wurde eine quälend lange Stunde über Abstimmungsmodalitäten und Tagesordnung diskutiert. Später ausführlich erörtert, ob die Partei mehr als einen Schatzmeister braucht und ob ein Mitglied gleichzeitig ein Parteiamt und ein Mandat haben darf.

Anderes wurde hingegen nicht groß diskutiert: Obwohl die Kassenprüfer einen Großteil der Belege für das vergangene Jahr nicht einsehen konnten, weil sie derzeit bei einem externen Wirtschaftsprüfer lagern, wurde der Vorstand mit deutlicher Mehrheit entlastet. "Wird schon stimmen", war später in der Halle zu hören.

Politische Inhalte, im speziellen landespolitische, kamen bei all den Parteimodalitäten etwas kurz. Die Piraten sind für Transparenz, gegen Hartz IV, teilweise für einen Mindestlohn und Grundeinkommen. Und gegen Studiengebühren natürlich, da haben sie ja schon Unterschriften gesammelt.

Inhalte sollen am Sonntag diskutiert werden, heißt es aus dem Parteivorstand. Im 197 Seiten dicken Antragsbuch geht es um Themen vom kostenlosen Kindergarten bis zur Agrarsubvention. Es bleibt viel zu tun.

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