Piraten in Bayern:"Die Leute wählen uns, weil wir eine Chaostruppe sind"

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Stefan Körner ist Landesvorsitzender der Piratenpartei in Bayern, aufgenommen beim Parteitag der Münchner Piraten im Theaterzelt "Das Schloß". (Foto: Stephan Rumpf)

Bildung, Datenschutz, Transparenz: Die bayerischen Piraten diskutieren auf ihrem Parteitag über Themen für die Landtagswahl. Ein Gespräch mit dem Landesvorsitzenden Stefan Körner über frustrierte Mitglieder und die Crux mit dem typisch Bayerischen.

Von Hannah Beitzer, Gemünden am Main

Bildung, Datenschutz, Mindestlohn und die Trennung von Staat und Kirche: Die bayerischen Piraten geben sich gerade auf ihrem Parteitag in Gemünden am Main ein Wahlprogramm für die Landtagswahl. Im SZ-Interview spricht der Landesvorsitzende Stefan Körner über die Ziele im Freistaat, enttäuschte Mitglieder und das Wählerpotenzial der Piraten.

Süddeutsche.de: In den vergangenen Monaten hat die Piratenpartei ein schlechtes Bild abgegeben: Streitereien, Rücktritte, enttäuschte Mitglieder. Wie wollen Sie das Image der Chaostruppe loswerden?

Stefan Körner: Ich weiß nicht, ob wir dieses Image überhaupt loswerden müssen. Viele Leute wählen uns doch gerade, weil wir eine Chaostruppe sind. Ich höre zum Beispiel oft von ehemaligen Grünen-Sympathisanten: Die sind mir viel zu etabliert. Das chaotische Element ist ein Alleinstellungsmerkmal der Piraten.

Chaos als Alleinstellungsmerkmal? Das klingt zumindestens fragwürdig...

Im Ernst: Was uns auszeichnet ist, dass wir jung, dynamisch, kreativ sind. Und eben auch chaotisch.

Ihre potentiellen Wähler sehen das anscheinend anders. In Umfragen liegen Sie bei etwa drei Prozent.

Bei einer Partei, die so um die fünf Prozent liegt, sind Umfragewerte fünf Monate vor der Wahl nicht sehr verlässlich. Das haben wir doch zuletzt bei der FDP gesehen!

Auch ihr Parteitag ist eher dürftig besucht - 126 Piraten haben sich akkreditiert.

Das liegt daran, dass es ein reiner Arbeitsparteitag ist. Aber es stimmt, dass das Mobilisierungspotenzial in den vergangenen Monaten abgenommen hat.

Viele frustrierte Mitglieder?

Wir hatten schon eine große Anzahl von Austritten in diesem Jahr: Von 7000 Mitgliedern sind wir auf 6500 geschrumpft. Allerdings waren darunter viele, die erst kürzlich eingetreten sind und jetzt, wo der Hype vorbei ist, merken, dass es doch nicht passt.

In Bayern steht ein Lagerwahlkampf der besonderen Art bevor - alle gegen die CSU. Haben Sie Angst, dass die Piraten da untergehen?

Wenn die SPD eine realistische Chance hätte, die CSU abzulösen, dann würde ich mir schon Sorgen machen. Aber wenn ich mir die Umfragen anschaue oder den Herrn Aiwanger, der keine wirkliche Koalitionsaussage macht - dann habe ich da schon Zweifel. Das wird für uns wohl kein Problem sein.

Auf ihrem vergangenen Parteitag gab es Unmut darüber, dass das spezifisch Bayerische bei den Piraten auf Landesebene fehle, das es hier für die Politik braucht. Wie wollen Sie das ändern?

Ich bestimme nicht, mit welchen Themen wir in den Wahlkampf ziehen. Dazu gab es eine Umfrage unter den Mitgliedern. Sie wollen sich auf fünf Schwerpunkte konzentrieren: Transparenz, Bildung, Bürgerrechte, Datenschutz und die Erneuerung der Demokratie.

Das sind typische Piratenthemen, die sich von Land zu Land nicht sehr unterscheiden...

Wir werden ohnehin nicht zwei unterschiedliche Wahlkämpfe für die Landtagswahl und die Bundestagswahl machen. Das können wir uns gar nicht leisten.

Sie selbst kandidieren für den Bundestag. Warum ist es nicht der Landtag geworden?

Die Themen, für die ich bei den Piraten eingetreten bin, sind Bundesthemen. Zum Beispiel Datenschutz.

Was sind denn dann piratige Landesthemen?

Für Transparenz kann man auch im Länderparlament eintreten. Und Bildung ist ein wichtiges Thema. Allerdings haben wir da kein Alleinstellungsmerkmal. Mehr Lehrer, kleinere Klassen, Experimente mit neuen Schulformen - das will irgendwie jede Partei, die nicht gerade ein "C" im Namen hat.

So ging es Ihnen auch zuletzt mit dem Volksentscheid gegen Studiengebühren: Obwohl die Piraten als erste Partei ein Volksbegehren gestartet haben, waren es nach dem Erfolg andere, die im Mittelpunkt gestanden haben.

Es ist tatsächlich schade, dass wir nicht so eine Bündnisarbeit organisieren konnten wie die Freien Wähler. Die haben einfach mehr Manpower. Aber es zählt das Ergebnis.

Als Wahlkampfthema ist es jetzt allerdings durch - finden Sie das nicht ein bisschen schade?

Als die Debatte anfing, hat der Grünen-Landesvorsitzende Dieter Janecek getwittert, er will das Thema für den Wahlkampf nutzen. Ich hingegen hätte es absolut falsch gefunden, nur deswegen nochmal zwei Jahre zu warten. Das ist es, was ich schlecht an der Politik finde: Wenn Parteitaktik und Wahlkampf wichtiger sind als der Inhalt.

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