Süddeutsche Zeitung

Pilzsaison:Schwammerldämmerung

  • Der Sommer war für Pilze viel zu trocken. Und auch jetzt im Herbst regnet es zu wenig.
  • In Franken gedeihen seit jeher mehr Pilze als im Rest Bayerns - der Boden ist dort kalkhaltiger.
  • An ganz bestimmten Stellen im Wald lassen sich trotzdem Schwammerl finden - aber, Achtung, es gibt rund 100 giftige Arten.

Von Hans Kratzer

"Bei den Schwammerln, na ja, da sieht es heuer nicht so gut aus", sagt der Pilzberater Alfred Hussong aus dem niederbayerischen Niederaichbach. Es ist nicht so, dass er bei seinen Exkursionen im Wald nichts gefunden hätte, er kennt ja eine Menge guter Schwammerlplätze. Aber die Ausbeute bei den meisten Schwammerlsuchern ist bislang doch sehr mager ausgefallen. Und wenn überhaupt Pilze gewachsen sind, dann gehörten sie oft zu den nicht essbaren Sorten.

"Insgesamt war der Sommer für die Schwammerl viel zu trocken", sagt Hussong. Und es ist auch jetzt im Herbst noch viel zu trocken. Die Myzelien in der Erde, aus denen sich die Pilze entwickeln, sind geschwächt. Schwammerl können nur bei entsprechender Wärme und Feuchtigkeit gut gedeihen.

Forstoberrat Markus Blaschke von der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) in Weihenstephan gibt die Hoffnung aber noch nicht auf. "Wenn es im Oktober kräftig regnet, dann wachsen schon noch welche", ist er überzeugt.

Allerdings ist die Situation der Schwammerl in Bayern nicht überall schlecht. "Hier bei uns im Frankenwald findest du Pilze in Hülle und Fülle", sagt der Gastronom und passionierte Pilzesammler Josef Rebhan, der auch in diesem trockenen Sommer ganze Körbe voller Steinpilze, manche bis zu 800 Gramm schwer, gefunden hat.

Tatsächlich wachsen die Schwammerl in Nordbayern von Haus aus gut, da der Kalk im Boden für eine hohe Artenvielfalt sorgt. Auch in Tirol, etwa im Zillertal, sollen nach Aussage von Sammlern Steinpilze und Pfifferlinge inzwischen prächtig wachsen.

Viele Pilze sind ungenießbar

Fatal ist jedoch, dass ein Großteil jener Schwammerl, die in diesem Sommer überhaupt zu finden waren, nicht zum Verzehr geeignet waren. Die Pilzberater weisen deshalb dringend darauf hin, nur solche Schwammerl zu verspeisen, die man hundertprozentig kennt. Dass eine Pilzvergiftung tödlich enden kann, wird oft verdrängt.

Das Bayerische Gesundheitsministerium hat erst kürzlich vor der Vergiftungsgefahr durch Knollenblätterpilze gewarnt. Der Knollenblätterpilz ist einer der giftigsten Pilze in Deutschland und für 90 Prozent aller tödlichen Pilzvergiftungen verantwortlich. Dutzende Menschen dürften ihm jährlich zum Opfer fallen. Er wächst von August bis Oktober in Laub- und Mischwäldern und wird immer wieder mit dem Waldchampignon verwechselt.

Zuletzt starb ein 16 Jahre alter syrischer Flüchtling in der Uniklinik Münster, weil er Knollenblätterpilze gegessen hatte. Die Zahl der Vergiftungen ist in diesem Sommer deutlich angestiegen, vor allem Flüchtlinge waren betroffen. "Einen Champignon und einen Knollenblätterpilz könnten sogar Experten verwechseln, wenn das Licht ungünstig ist", sagt Pilzexperte Blaschke. Ärzte der Uniklinik Hannover vermuten, dass es in Syrien einen essbaren Pilz gibt, der dem Knollenblätterpilz stark ähnelt.

Ungeachtet dessen gibt es allein in Bayern mindestens 6000 Pilzarten, davon sind etwa 200 gefahrlos essbar, mindestens 100 Arten aber sind giftig, etwa zehn tödlich giftig. Wer nach einem Pilzessen an Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall leidet, eine Gelbfärbung der Haut und Schweißausbrüche aufweist, sollte sofort einen Arzt aufsuchen oder die Giftnotrufzentrale in München anrufen (Telefon 089/19240).

Um wilde Pilze aus dem Wald zu genießen, braucht man Fachwissen und einen scharfen Blick. Oder einen guten Pilzberater. Der Verein für Pilzkunde München bietet beispielsweise bis zum 12. Oktober Beratungen an (montags 10-13 und 16.30-18 Uhr im Rathaus am Münchner Marienplatz; Tel. 089/233 28242).

Die Pilzberater Markus Blaschke und Alfred Hussong raten den Sammlern, alle Pilzarten, die bestimmt werden sollen, möglichst vollständig aus der Erde zu entnehmen, sie also nicht abzuschneiden. Die Pilzberatung kann nur vor Ort erfolgen, eine telefonische Bestimmung der Schwammerl ist aus Sicherheitsgründen ausgeschlossen.

Wo man Pilze findet

Genießbare Schwammerl, die momentan wachsen, findet man laut Markus Blaschke zurzeit in der Nähe von Tothölzern. "Die Stockschwämme an der Buche sind sehr schmackhaft", sagt er, diese gelblichen Pilze wachsen auf den Stöcken von abgeschnittenen Buchen. Leider sind sie leicht mit dem Gifttäubling zu verwechseln. Im Kiefernwald gedeihen die Krausen Glucken, auch Fette Hennen genannt, deren Fruchtkörper aussieht wie ein Blumenkohl oder Badeschwämme.

Trotzdem: "Ein Pfund von ihnen ergibt eine gute Mahlzeit", sagt Blaschke. Ob die beliebtesten Speisepilze - Maronen, Röhrlinge und Steinpilze - sich noch erholen, wird sich in den nächsten 14 Tagen entscheiden. Wenn es feucht und nicht zu kalt wird, könnten diese Schwammerl bis Dezember wachsen. Aber Obacht: Seit dem Tschernobyl-Unglück von 1986 sind die Pilze radioaktiv belastet, wenn auch unterschiedlich hoch. "Man sollte deshalb nicht zu viele Schwammerl essen", warnt Markus Blaschke.

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SZ vom 29.09.2015/doen
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