Pilgern für Faule:Auf einen Kaffee im Hof der Hoffnung

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Vom Kloster führt der kurze Crescentia-Weg nach Kaufbeuren - vorbei am Sitz an einer frommen Lebensgemeinschaft

Am Beginn des Pilgerwegs nur ein paar Minuten von Kloster Irsee entfernt, steht - wie sollte es anders sein - ein riesiges Kreuz. Es ist bunt bemalt und zeigt die Heilige Crescentia von Kaufbeuren. Etliche haben in der 1682 geborenen Weberstochter und späteren Oberin des Franziskanerklosters in Kaufbeuren eine Trösterin und Seelenführerin gefunden. Als solche soll sie auch für die Jugendlichen vom "Hof der Hoffnung" dienen, an dessen Eingangspforte das Kreuz steht. Vor dem alten Abtshaus grasen Schafe und Karnickel, zwei Enten watscheln vorbei. Gegenüber laden zwei Jugendliche Holzlatten in eine Schubkarre, vor dem Hofcafé kratzt Andris mit einer Spachtel Unkraut aus dem Kies. Er ist 28 Jahre alt, kommt aus Lettland und studiert eigentlich Theologie. Seit drei Monaten wohnt er auf dem "Hof der Hoffnung". Der heißt auf Spanisch "Fascenda de Esperanca" - eine Lebensgemeinschaft, die sich vor 25 Jahren in Brasilien zusammenfand und die Drogensüchtigen und benachteiligten Jugendlichen durch die Worte Gottes helfen will. Insgesamt soll es über 90 solcher Höfe auf der Welt geben.

Andris hat kein Drogenproblem, sagt er, er wollte einfach nur wissen, wie das so ist, "das einfache Leben". Um sechs in der Früh aufstehen, keine Ablenkung, nur Holzhacken, Unkrautjäten und natürlich beten. Jeder Tag steht unter einem Motto. "Was war das noch mal heut?", überlegt Andris laut. "Ah ja, gutes Tun." Gleich bietet er einen Kaffee an, obwohl das Hofcafé eigentlich nur sonntags geöffnet ist. So eine Stärkung ist nie verkehrt, auch wenn der Wanderweg nur etwa eineinhalb Stunden dauert und die kleinen Anhöhen, über die er führt, auch ohne Kuchen im Bauch mühelos zu bewältigen sind. Es geht durch grüne Wiesen, in die der Sommer gelbe, blaue und lila Tupfer gemalt hat. Kühe wedeln in der Hitze die Fliegen von ihrem Hinterteil. Von irgendwo aus der Ferne tönt ein leises Motorrattern. Bestimmt ein Traktor. Weit gefehlt. Die Auflösung kommt im Waldstück. Die Vögel zwitschern, der Schatten der Bäume kühlt, nur: der Weg ist nicht mehr da. Die Füße stecken in einer Matschspur, die bei einem Forstfahrzeug endet, das gerade Bäume durch die Luft wuchtet. "Ich hab mich wohl verlaufen?", fragt der verwunderte Wanderer den Forstarbeiter. "Nein, nein, einfach durch", sagt der und winkt an seinem Gefährt vorbei durchs Gestrüpp der Matschspur entlang. Für Verwunderung sorgt noch die nächste Brücke. Zwar gurgelt unter ihr ein romantisches Bächlein hindurch, sie selbst besteht aber aus Baugerüststangen. Dem Naturgenuss tut das aber keinen Abbruch. Schade, dass der am letzten Stück des Weges einer Straße weicht, die nach Kaufbeuren führt. Die Autoabgase kriegt man aber gleich wieder aus der Nase, wenn man diese in eine der vielen Rosen steckt, die im Klostergarten am Ende der Wanderung blühen.

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