Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Zu Besuch bei Udo, dem Menschenaffen

Für drei Tage gibt es in Pforzen noch einmal den Sensationsfund zu sehen, den ein Forscherteam 2016 entdeckte. Dann soll die Ausstellung auf Wanderschaft gehen.

Von Florian Fuchs

Ein vorderer Backenzahn im Unterkiefer rechts, ein Brustwirbel, eine Kniescheibe - 21 Fragmente des besterhaltenen Skeletts von Danuvius guggenmosi hat das Forscherteam um die Tübinger Professorin Madelaine Böhme in der Hammerschmiede im Allgäu gefunden. Sie sind als Repliken fein säuberlich aufgezeigt in der Ausstellung "Sensation Udo und die Evolution", die nun wieder für kurze Zeit in Pforzen zu sehen sein wird.

Die Ausstellung zeigt die Evolution der Menschheitsgeschichte, in der der 2016 entdeckte Menschenaffe "Udo", wie er auch getauft wurde, seinen Platz beansprucht. Und sie gibt Einblick in die Grabungen in der Tongrube, die als eine der reichsten fossilen Wirbeltier-Fundstellen weltweit gilt.

Es ist eine kleine, aber ambitionierte Schau, die die Gemeinde, das Landratsamt Ostallgäu und die Ehrenamtlichen des Arbeitskreises Hammerschmiede zusammengetragen haben. Aber die Beteiligten hatten Pech: Nur eine Woche durfte die Ausstellung Ende vergangenen Jahres öffnen, dann war pandemiebedingt Schluss. Trotzdem kamen damals mehr als 1300 Besucher, um Udo zu sehen - ein Beleg, wie stark das Thema interessiert. Die Ausstellung hat deshalb nun noch einmal drei Tage geöffnet, von Freitag bis Sonntag, es sind keine Anmeldungen und Kontakterfassungen notwendig - nur die üblichen Hygieneregeln sind einzuhalten. Den Juni über gibt es dann noch Gruppenführungen nach vorheriger Anmeldung, bevor ein Teil der Ausstellung auf Wanderschaft gehen soll.

"Danuvius guggenmosi" gilt als Bindeglied zwischen Mensch und Menschenaffe

Weil Corona die Besuchsmöglichkeiten so stark begrenzt hat, ist unter udo.pforzen.de im Internet aber inzwischen auch ein virtueller Rundgang durch die Evolutionsgeschichte möglich: Der kleine Affe Udo führt den virtuellen Besucher als Audioguide selbst hindurch, vorbei an Ardipithecus, der vor fünf Millionen Jahren lebte und als Übergangsform zwischen Menschenaffen und Urmenschen gilt.

Auch über "Lucy" gibt es Informationen, die in Afrika ausgegraben wurde und Paläoanthropologen als gemeinsame Vorfahrin der Hominiden gilt. Und schließlich erzählen der kleine Audioguide Udo sowie Schautafeln vom Sensationsfund Udo, den Böhme wegen seines aufrechten Gangs als "missing link", also als bisher unbekanntes Bindeglied von Mensch und Menschenaffe bezeichnet. Der aufrechte Gang hat sich demnach vor mehr als zwölf Millionen Jahren in Bäumen entwickelt - in Europa.

Die Wanderausstellung dreht sich dann weiter um Danuvius guggenmosi, vor allem aber um den Fundort Hammerschmiede, in dem Forscher und ehrenamtliche Helfer bei Ausgrabungen auf einer Fläche von etwa 1100 Quadratmetern schon mehr als 117 Wirbeltierarten aus der Erde gezogen haben. Durchschnittlich sechs bis 13 Funde pro Person und Tag gibt es hier, bislang waren unter anderem Fragmente von Riesensalamandern, Hirschferkeln, Hundebären, Säbelzahnkatzen und Pandas dabei. Geowissenschaftlerin und Paläontologin Böhme bemüht sich deshalb weiterhin Jahr für Jahr um eine neue Berechtigung, Ausgrabungen in der Tongrube zu leiten.

Für den Landkreis Ostallgäu bieten Udo und mögliche weitere, spektakuläre Funde die Chance, Touristen in die Region zu locken, die traditionell im Schatten der Sehenswürdigkeiten im Süden des Allgäus rund um Schloss Neuschwanstein steht. Eine Machbarkeitsstudie über ein dauerhaftes Informationszentrum ist derzeit in Arbeit.

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SZ vom 10.06.2021/infu
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