Rentner in Bayern:Wird ein Platz im Pflegeheim bald unbezahlbar?

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In Deutschland leben fünf Millionen pflegebedürftige Menschen - bis 2025 könnte die Zahl Studien zufolge auf 5,5 und bis 2030 auf bis zu 5,75 Millionen Menschen steigen. (Foto: Sina Schuldt/dpa)

300 Euro mehr im Monat für einen Pflegeplatz: BRK-Präsidentin Angelika Schorer warnt angesichts steigender Kosten vor schweren Belastungen - an deren Ende sogar die Schließung von Heimen stehen könnte.

Interview von Katja Auer, München

Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) betreibt mehr als 150 Pflegeeinrichtungen in Bayern, dazu 120 ambulante Pflegedienste. Auch die sind von den steigenden Kosten in vielen Bereichen betroffen. Das BRK hat einmal nachgerechnet, was das für die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen bedeuten könnte - und kommt zu unerfreulichen Ergebnissen: Etwa 300 Euro mehr im Monat könnte ein Pflegeplatz kosten. BRK-Präsidentin Angelika Schorer, die für die CSU im Landtag sitzt, richtet deswegen einen Appell an die Bundesregierung.

SZ: Frau Schorer, wird ein Platz im Pflegeheim bald unbezahlbar?

Angelika Schorer: Für normale Rentner wird's immer schwieriger, das steht fest. Dann muss die Sozialhilfe greifen und das wollen wir alle nicht. Deswegen brauchen wir auch in der Pflege Unterstützung. Wenn die Bundesregierung anderen Bereichen hilft, darf sie diesen nicht vergessen.

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Etwa 300 Euro mehr könnte ein Pflegeplatz im Monat kosten, das ist viel Geld.

Ich finde das sehr viel Geld. Wir wollten es genauer wissen und haben deswegen die konkreten Zahlen aus unseren Heimen gezogen und auch auf die verschiedenen Pflegestufen geschaut. Diese 300 Euro sind ein Durchschnittswert und werden sich im neuen Jahr noch mal deutlich erhöhen.

Was macht die enorme Preissteigerung aus. Ist das nur die Gaskrise?

Der höhere Gaspreis ist das eine, aber wir heizen ja beispielsweise auch mit Fernwärme. Die Steigerungen merken wir in allen Bereichen. Lebensmittel, Pflegematerial und Medikamente sind ebenfalls teurer geworden. Und es kommen auch die Tarifsteigerungen beim Personal oben drauf.

Ohne gute Löhne findet sich kein Personal.

Genau, deswegen werden wir die Gehälter unseres Personals zum Jahresende um insgesamt acht Prozent gesteigert haben. Das ist nicht nur eine Frage der Wertschätzung, sondern auch, weil es nach wie vor schwierig ist, Fachpersonal zu finden. Wir sind froh, wenn das Personal bleibt, deswegen wollen wir auch überdurchschnittlich bezahlen. In den Ballungsräumen ist es noch schwieriger als in den ländlichen Regionen, wegen der Wohnungsnot und der höheren Lebenserhaltungskosten. Und all das gilt auch für das Personal in unseren 300 Kindergärten.

Angelika Schorer ist seit 2021 Präsidentin des Roten Kreuzes in Bayern. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Wie wirkt sich das auf die Pflegebedürftigen aus?

Es wäre schön, wenn wir in jedem Pflegeheim unsere Plätze voll ausschöpfen könnten. Das geht aber nicht, deswegen können wir weniger Menschen aufnehmen. Im Sommer war es besonders knapp, wir hatten Engpässe beim Personal wegen Corona-Erkrankungen und wegen der Urlaubszeit. Es gibt auch Ausfälle durch im Impfpflicht. Das sind zwar nicht sehr viele, weil mehr als 90 Prozent der Pflegenden gegen Corona geimpft sind, aber ein, zwei Prozent macht es dann doch aus. Das müssen dann die anderen auffangen, um die Qualität der Pflege zu halten. Deswegen kämpfen wir für gute Bedingungen.

Was passiert, wenn eine Bewohnerin oder ein Bewohner nicht mehr zahlen kann. Müssen sie dann ausziehen?

Nein! Das erfordert immer einen individuellen Sozialhilfeantrag, der auch in unseren Einrichtungen einen hohen Verwaltungsaufwand nach sich zieht, da wir die Bewohnerinnen und Bewohner bei diesem Prozess bestmöglich unterstützen. Die Sozialhilfe wird in Bayern von den Bezirken gezahlt. Das wird wiederum finanziert durch die Kreisumlagen. Das Sozialsystem fängt die Menschen schon auf, aber am Ende müssen es die Bürger bezahlen.

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Allein das BRK betreibt mehr als 125 stationäre und über 35 Tagespflegeeinrichtungen. Müssen bald Pflegeheime in Bayern schließen?

Wir hoffen nicht, dass das der Fall ist, die Gefahr ist aber da. Die kleinen privaten Träger werden viel schneller an ihre Grenzen kommen. Und dann fallen wieder Pflegeplätze weg in Bayern. Ich denke da nicht nur an uns, am Ende sitzen wir alle im selben Boot.

Was ist die Lösung?

Wir brauchen Unterstützung für höhere Energiekosten vom Bund. Er muss auf jeden Fall einen wesentlichen Anteil übernehmen.

Kann die Staatsregierung da nichts tun? Sie sind ja selbst CSU-Landtagsabgeordnete.

Die Staatsregierung wird sicher auch darüber beraten. Aber wenn jetzt die großen Pakete im Bund geschnürt werden, kann es nicht sein, dass es überall Geld gibt und der Pflegebereich vergessen wird. Das ist im Moment mein Hauptanliegen: Dass die Ärmsten nicht vergessen werden.

Nach einer Erhebung in den eigenen Pflegeeinrichtungen stellt das BRK diese Rechnung auf:

Gestiegene Energiekosten erzeugen Mehrkosten in Höhe von etwa 3,20 Euro pro Bewohner und Tag. Die Erhöhung der Tariflöhne macht sich pro Bewohner und Tag mit etwa sieben Euro bemerkbar, da sich 60 bis 70 Prozent der Kosten einer Pflegeeinrichtung aus Personalkosten zusammensetzen. Auch die Kosten für Lebensmittel sind um mehr als 15 Prozent gestiegen, was täglich etwa 70 Cent pro Bewohner ausmacht.

Je nach Pflegegrad steigt das tägliche Entgelt pro Bewohner somit um neun bis zwölf Euro. In einer Einrichtung mit 66 vollstationären Pflegeplätzen entstehen demnach Mehrkosten für Bewohnerinnen und Bewohner in Höhe von 366 Euro pro Monat oder 4390 Euro pro Jahr. Die prognostizierten Erhöhungen der Energiekosten liegen dabei deutlich höher bei etwa 300 bis 500 Euro pro Einrichtung und Monat. Bei einer Einrichtung mit 100 Pflegeplätzen bedeutet das eine nicht gedeckte energiebedingte Kostensteigerung von 300 000 bis 500 000 Euro pro Jahr.

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