Jeden Morgen um sechs setzen sich im Landkreis Würzburg zwei Pflegerinnen in ihr Auto. Wo sie an diesem Tag arbeiten werden, wissen sie erst seit dem Vortag. Sicher ist aber: Sie werden dringend gebraucht. Die zwei Frauen arbeiten als Springerinnen in den acht Pflegeheimen des Kommunalunternehmens des Landkreises Würzburg. Wo immer eine Pflegekraft ausfällt, helfen sie aus. Die Springer sind Teil eines vom Gesundheitsministerium mit 7,5 Millionen Euro geförderten Projekts, mit dem getestet werden soll, wie das Stammpersonal in den Heimen entlastet werden kann.
Springer seien „ein wichtiger Baustein für verlässliche Arbeitszeiten und damit für mehr Gesundheit und Zufriedenheit des Pflegepersonals“, sagte der damalige Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU), als er im Sommer 2023 die Modellprojekte in 33 Heimen und ambulanten Diensten vorstellte. Diese Einschätzung hat sich aus Sicht des Kommunalunternehmens bestätigt. „Das Konzept funktioniert“, sagt Marcel Hendricks, der den Springerpool für die Würzburger Heime mitaufgebaut hat. Man habe die Stellen neu ausgeschrieben. Beworben hätten sich Frauen, die die abwechslungsreiche Arbeit und natürlich auch den Bonus schätzten. Die Springer erhalten 500 Euro brutto zusätzlich im Monat.
Ihren Einsatzort bekommen sie mit 24 Stunden Vorlauf mitgeteilt. Krankmeldungen am Morgen können die Frauen also nicht abfangen. Sie würden aber bei mehrtägigen Erkrankungen einspringen. Man wolle die zwei Frauen auf jeden Fall weiterbeschäftigen, eine dritte soll demnächst anfangen. Insgesamt könne man zehn solche Mitarbeiter gebrauchen. Unklar ist indes, woher das Geld dafür kommen soll. Denn die Förderung durch den Freistaat war auf ein Jahr begrenzt.
Das Ministerium habe hier ein „tolles Projekt in Gang gesetzt“, sagt Vorstandssprecher der Genossenschaft kommunale Altenhilfe Bayern, Alexander Schraml. Nun müsse es in die Regelfinanzierung übernommen werden, fordert er. Das heißt, die Pflegekassen und im Falle von Bedürftigkeit die Sozialhilfeträger sollen zahlen. Tatsächlich sieht auch ein neues Bundesgesetz vor, dass in künftigen Rahmenverträgen der Kassen mit den Heimen die Kosten von Mitarbeiter-Ausfallkonzepten berücksichtigt werden sollen. Doch die Verhandlungen laufen noch. Die Förderung der Modellprojekte aber endete bereits im Oktober.
Pflegekräfte:Ohne sie geht es nicht
Der Mangel an Fachkräften könnte für die Pflege zur Existenzfrage werden. Zu Besuch bei Pflegerinnen, die ihren Beruf lieben, und einem Heimleiter, der trotzdem bang in die Zukunft schaut.
Verhandlungspartner der Heime sind die Pflegeheime und die bayerischen Bezirke, die einspringen, wenn Menschen die Kosten der Pflege nicht tragen können. Beide unterstützen die Idee der Pflegepools grundsätzlich. Diese verursachten aber auch Kosten, gibt eine Sprecherin des Bayerischen Bezirkstags zu denken. Da die Pflegekassen stets nur einen Teil der Pflegekosten erstatten, könnten monatlich bis zu 250 Euro an den pflegebedürftigen Menschen selbst hängen bleiben. Es gelte deshalb, den Nutzen der Springerkonzepte genau zu prüfen.
Entlasten die Springerpools tatsächlich das Stammpersonal, sodass dieses zufriedener und seltener krank ist? Kann die Leiharbeit damit eingedämmt werden und was sind die tatsächlichen Kosten? Diese Fragen werden im Rahmen des Pilotprojekts von der Hochschule Kempten evaluiert. Ergebnisse seien erst für das erste Quartal 2025 angekündigt. Man habe dennoch bereits die Verhandlungen mit den Heimen begonnen. Die Ergebnisse aber müssten Grundlage für die Verhandlungen sein.
Nach einer schnellen Einigung klingt das nicht. Verbandsvertreter Schraml bereitet das Sorge: Er habe von Heimen gehört, die ihre Springer jetzt wieder entlassen: „Das kann doch nicht sein.“ Zumindest für die 33 geförderten Modellprojekte müsse eine Zwischenfinanzierung her. Es sei offensichtlich, dass die Springer verhinderten, dass man auf deutlich teurere Leiharbeiter zurückgreifen müsse. Auch Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) bangt offenbar um die Zukunft des Prestigeprojekts ihres Hauses. Das Ministerium sei an den Pflegevergütungsverhandlungen nicht beteiligt, sagt eine Sprecherin. Man habe die Vertreter beider Seiten aber zu einem Gespräch eingeladen, um gemeinsam den weiteren Umgang mit Springerkonzepten zu erörtern.