Reaktion auf Pflegeskandal:Notruf mit Nachfrage

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Beschwerden über gravierende Mängel in der Pflege haben zuletzt nicht immer zu Verbesserungen geführt. Eine neue Anlaufstelle des Freistaats soll schnellere Abhilfe schaffen. (Foto: Tom Weller/dpa)

Eine bayernweite Hotline soll Heimbewohnern, Angehörigen und Beschäftigten als Anlaufstelle bei Pflegeproblemen dienen. Schon in der ersten Woche registrierte der Dienst Dutzende Anrufe.

Von Matthias Köpf und Johann Osel, München

Beschwerden von Bewohnern und Angehörigen hat es viele gegeben, an ganz verschiedene Stellen gerichtet wie die Heimaufsicht im Miesbacher Landratsamt oder die Dienste der Pflegekassen. Und doch hat es mehrere Jahre gedauert, bis die Seniorenresidenz Schliersee im vergangenen Herbst wegen schwerer Pflegemängel schließen musste. Zu der Zeit ermittelte längst die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Körperverletzung an insgesamt 88 teils offenkundig verwahrlosten und teils auch unterernährten Menschen. Trotzdem kamen die letzten 14 Bewohner in einem Heim desselben Betreibers in Augsburg unter, wo dann bald ebenfalls gravierende Pflegemängel öffentlich wurden. Als Reaktion auf diesen Pflegeskandal und die harsche Kritik der Opposition im Landtag hat die Staatsregierung inzwischen die neue bayernweite Anlaufstelle "Pflege-SOS Bayern" eingerichtet. Sie hat schon in der ersten Woche eine beträchtliche Nachfrage gefunden.

Wie Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am Mittwoch mitteilte, hat es in der kurzen Zeit schon 61 Kontakte gegeben, hauptsächlich telefonisch. Dabei handelte es sich in 35 Fällen um konkrete Beschwerden, darunter wiederum 19 "mit deutlichem Beschwerdegrad". Damit gemeint seien beispielsweise Versorgungsdefizite von Bewohnerinnen und Bewohnern in Pflegeeinrichtungen. Insgesamt melden sich laut Holetscheks Mitteilung sowohl Arbeitskräfte aus dem Pflegebereich als auch Bewohner und deren Angehörige. Durchaus gehe es auch um einfachere Beratungsanfragen wie zum Beispiel zum Arbeitsrecht, zur Begutachtung des Medizinischen Dienstes oder zu Leistungen der Pflegeversicherung. "Häufig können Fragen auch direkt geklärt werden", so Holetschek. "Unsere neue Anlaufstelle wird gut angenommen. Ich freue mich, dass sich Betroffene vertrauensvoll mit ihren Anliegen an uns wenden."

Das Wohl der Bewohner habe oberste Priorität

Jede Meldung werde detailliert aufgenommen und an die zuständigen Stellen weitergegeben, heißt es aus dem Gesundheitsministerium - wenn gewünscht, auch anonym. Einige der Beschwerden wurden an die jeweilige Fachstelle für Pflege- und Behinderteneinrichtungen weitergeleitet, dort werde man den Meldungen nun nachgehen und die dazugehörigen Einrichtungen prüfen. Der Minister unterstrich: "Es ist nach wie vor unbestritten, dass in der Pflege in Bayern gute Arbeit geleistet wird. Umso wichtiger bleibt es, dass bei Beschwerden genau hingeschaut und schonungslos aufgeklärt wird." Er versichere, dass jedes Anliegen und jede Beschwerde ernst genommen werden. "Oberste Priorität haben das Wohl und der Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner in bayerischen Pflegeheimen."

Das Angebot, das gemeinsam mit dem bayerischen Landesamt für Pflege aufgebaut wurde, ist Teil eines Fünf-Punkte-Plans, den der Gesundheitsminister im Februar als Konsequenz aus den Vorfällen in einem Augsburger Pflegeheim vorgelegt hatte. Dazu gehört etwa auch ein Gutachten zur Verbesserung der Strukturen. Holetschek sagte im Februar: "Die Menschen in Bayern müssen darauf vertrauen können, dass die Pflege und Betreuung in allen bayerischen Pflegeheimen gut und angemessen gewährleistet wird. Die jüngsten Vorwürfe gegenüber einem Pflegeheim in Augsburg zeigen aber, dass wir uns die Strukturen und Kontrollen genau ansehen und handeln müssen." Die Stadt Augsburg hat dem Heim im Februar den Betrieb untersagt, so wie es zuvor das Landratsamt Miesbach im Falle der Seniorenresidenz Schliersee getan hatte.

Die SPD-Gesundheitsexpertin Ruth Waldmann lobte den Fünf-Punkte-Plan der Staatsregierung zwar grundsätzlich, kritisierte ihn zugleich aber als viel zu spät. Die Vorschläge lägen seit Jahren auf dem Tisch und seien von der Staatsregierung bis dahin stets abgelehnt worden. Das Pflegeproblem sei nie grundsätzlich angegangen worden.

"Pflege-SOS Bayern", kostenfrei unter Telefon (09621) 966 966 0 oder per Email an pflege-sos@sfp.bayern.de

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